Deutscher Schuldreflexbogen: Die Ukraine zieht den Nazijoker

Der ukrainische Außenminister zieht den Nazijoker, um von Deutschland mehr Unterstützung zu bekommen. Er hat sich scheinbar von seinem polnischen Kollegen beraten lassen, wie man die Deutschen dazu bekommt, das zu tun, was man von ihnen verlangt.

Gastbeitrag von Sascha von Aichfriede

Dmytro Kuleba, ukrainischer Außenminister, schrieb kürzlich in der WELT einen Meinungsbeitrag, der von Deutschland mehr Hilfe fordert1. Die Springer-Presse, deren Chef Mathias Döpfner bereits indirekt den Dritten Weltkrieg gefordert hat, ist derzeit die aggressivste proukrainische Plattform (wir berichteten in zwei anderen Artikeln2). Sie verarbeitet dabei die klassischen Bausteine der Kriegspropaganda3.

Kuleba nutzt aber im Falle Deutschlands eine noch stärkere Waffe, nämlich den Nazijoker. Er zieht einen abstrusen Vergleich zwischen dem Unternehmen Barbarossa, also dem deutschen Einfall in die Sowjetunion, und der derzeitigen deutschen Haltung gegenüber Putin-Russland, die für Kuleba viel zu milde ausfällt. Er schreibt, an die Deutschen gerichtet: „Wir haben Euch davor gewarnt, dass Putin ein Übel von einem Ausmaß ist, wie es die Welt seit 80 Jahren nicht mehr gesehen hat. Wir haben Euch darum gebeten, die Fehler der Vergangenheit nicht zu wiederholen und die Katastrophe zu verhindern.“ Der Schluss des Artikels wirkt apokalyptisch: „Der Moment ist gekommen: Entweder wird Deutschland eine führende Nation bei der Unterstützung der Ukraine und im Kampf gegen das russische Böse, oder Deutschland bekommt eine neue historische Schuld für verlorene Leben und zerstörte Städte.

Weiterführende Informationen:

Facebook-Konzern lockert Regeln für »Hassrede«

Post an die DS: Vom Öl ins Feuer gießen

Weltordnung oder Pulverfass?

Was meint dieser Mensch damit? Dass wir jetzt in Russland einfallen sollten, um den Krieg gegen die Sowjetunion 1941–1945 wiedergutzumachen? Mal abgesehen davon, dass wir gar keine funktionierende Armee dafür haben, wäre das schon eine eigenartige Logik: Krieg, um einen Krieg ungeschehen zu machen. Einen Dritten Weltkrieg sogar. Ja, sicher, hier spricht die Stimme der Verzweiflung.

Es ist die fatale Logik der ukrainischen Vertreter, dass wenn sie untergehen, der Rest der Welt gleich mitgehen kann. Wir sollten ihnen nicht folgen. Und diese Einsicht scheint sich sogar in den USA durchzusetzen, denn die Amerikaner pfiffen jetzt die Polen zurück, die den Ukrainern ihre alten MiGs abgeben wollten. Das heißt schon was, denn Uncle Sam ist die wohl treibendste Kraft hinter der Eskalation. Und als Washingtons braver Dackel machen wir halt jeden Quatsch mit, den sich die Geostrategen der USA so ausdenken, auch wenn es uns nur und ausschließlich zum Schaden gereicht. Dass die Axel-Springer-Presse diese hündische Vasallenschaft Deutschlands so unterstützt, darf nicht verwundern, denn für sie gilt der Grundsatz: „Wir befürworten das transatlantische Bündnis zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und Europa.4

Kuleba liegt natürlich komplett daneben. Die Hitlersche Lebensraumpolitik, die Ostkolonisation, ist eine Sache und die NATO-Osterweiterung, das heißt die Ausweitung des amerikanischen Vorhofs, die andere. Der Krieg in der Ukraine ist ein Resultat der NATO-Osterweiterung und dass die Russen sich ein weiteres Nähern der NATO-Grenze nicht gefallen lassen würden, machten sie schon 2008 in Georgien deutlich. Jetzt noch stärker in den Krieg einzusteigen, wäre völliger Wahnsinn. Übrigens: Wie würden die Amerikaner reagieren, wenn die Chinesen oder Russen vergleichbares auf ihrer Seite machen würden, beispielsweise Militärbasen in Mexiko? Im Falle Kubas (1962) drohten sie dem Warschauer Pakt sofort mit einem Atomschlag.

Weiterführende Informationen:

Verhängnisvolle Verzweiflungstaten

Baerbock in Moskau – wie die Außenministerin einen kalten Winter in Europa provoziert

Auch wenn man die Verzweiflung Kulebas nachvollziehen kann, so ist die vulgäre Plattheit seines Appells schon fast eine Beleidigung. Natürlich haben ihm die Polen eingeflüstert, welchen Hebel er betätigen muss, um die Deutschen in ihren Schuldkomplex- und Wiedergutmachungs-Reflexbogen zu bekommen. Auch die Polen fordern ja eine gewaltige Reparation5 und ziehen dabei den Nazijoker – der ukrainische Außenminister macht es jetzt auch. Zu hoffen ist, dass sich unsere linksgrünen Regierungsverantwortlichen von solchen billigen Tricks nicht erpressen lassen, gerade weil auch sie die Nazikeule gerne zücken. Dass auch die russische Seite die Nazikeule benützt, um ihre Schritte zu rechtfertigen, macht Kulebas Artikel nicht besser.

Überhaupt scheinen die ukrainischen Politiker auf die Erpressungsmasche zu setzen. Den NATO-Beitritt hatten sie sich 2019 in die Verfassung geschrieben und damit eine politisch-diplomatische Einbahnstraße betreten – ein Alles-auf-eine-Karte-Setzen, das gründlich schiefgegangen ist; die Aufnahme in die EU verlangten sie kürzlich im Eilverfahren, dabei auf die allgemeine westliche Sympathiewelle setzend. Klugerweise lehnte die EU das ab, denn mit der Ukraine würde sie sich ein Pulverfass einverleiben. Denn selbst wenn eine Friedensordnung bald gefunden ist, die für die Ukraine höchstwahrscheinlich den Verlust der Krim und anderer Gebiete im Osten bedeuten wird, könnte sie weiterhin den Anschluss an den Westen suchen … und damit auch die Revanche.

Ist man an einem langfristigen Frieden interessiert, scheint es keine andere Option zu geben als die einer neutralen Ukraine als Puffer zwischen Russland und der EU/NATO. Das Land muss daher eine Strategie entwickeln, um mit beiden Seiten klarzukommen. Dass eine Neutralität Vorteile bergen kann, zeigen Länder wie Finnland, Schweden und die Schweiz.

Unsere Empfehlung:

Geopolitische Zeitenwende

1  https://www.welt.de/debatte/article237405317/Kublea-Deutschland-hat-eine-Heldentat-vollbracht-Nein-Ihr-tut-viel-zu-wenig.html? (Aufruf: 10.03.2022).

2  https://deutsche-stimme.de/verhaengnisvolle-verzweiflungstaten/ und https://deutsche-stimme.de/post-an-die-ds-vom-oel-ins-feuer-giessen/ (Aufruf: 10.03.2022).

3  https://deutsche-stimme.de/wollt-ihr-die-totale-propaganda/ (Aufruf: 10.03.2022).

4  https://www.axelspringer.com/de/werte (Aufruf: 10.03.2022).

5  https://deutsche-stimme.de/jan-boehmermann-hat-keine-ahnung/ (Aufruf: 10.03.2022).

Mehr lesen

Brandmauer gegen FPÖ-Kanzlerschaft

Nach dem Zerplatzen der ÖVP-FPÖ-Koalition infolge der Ibiza-Affäre von 2017 steht die FPÖ wieder vor einer Regierungsverantwortung. Dieses Mal aber als stärkste

Grüne Jugend: Zehn Punkte für mehr Einwanderung

Die Grüne Jugend hat sich mit einem „10 Punkte Plan – Humanität durch Sozialstaat“ genannten Forderungskatalog in die Migrationsdebatte eingeschaltet. Der 5-Punkte-Plan

2 Antworten

  1. Den „Nazi-Joker“ ziehen beide Seiten: der russisch-jüdische Präsident der Ukraine, aber auch der russische Präsident, der sich in sowjetischer Kriegspropaganda übt.

    1. Ja, das steht aber auch im Artikel, dass es beide machen. Allerdings würde ich sagen, dass sie es auf unterschiedliche Weise tun. Die Russen versuchen mit dem Begriff Entnazifizierung ihren Angriff zu rechtfertigen. Der ukrainische Versuch ist aber noch billiger, denn sie versuchen mit dem Nazischuldkomplex aus Deutschland etwas herauszupressen, was ein vernünftiger, rational geführter Staat normalerweise nicht herausgeben würde. Im Falle der Ukraine also trifft es uns direkt, im Falle Russland nur indirekt.