Merkel und Krise, Krise und Merkel, Merkelkrise, Krisenmerkel. Es ist (bald) vorbei. Angela Merkel ist keine Selbstdarstellerin gewesen, und auch niemand, der einen bleibenden Eindruck, zitierwürdige Aussagen oder anderweitige Merkwürdigkeiten hinterlässt. Eine Bewertung ihrer Kanzlerschaft kann man daher nicht wie bei Helmut Kohl an Meilensteinen wie der Deutschen Einheit festmachen. Aber man kann sie bewerten.
Gastbeitrag von Sascha von Aichfriede
Sechzehn Jahre Merkel. Sechzehn Jahre! Wer hätte das gedacht? Sie wurde ja beileibe nicht mit Jubel im Amt empfangen. Bei der Bundestagswahl, die sie zur Kanzlerin machte (2005), holte sie für die CDU/CSU 35,2 %, also 3,3 % weniger als Edmund Stoiber drei Jahre zuvor, nur wenig mehr als die SPD und damit ein historisch schlechtes Ergebnis für die Union. Hätte Gerhard Schröder 2005 nicht wegen der Kritik an der Agenda 2010 die Vertrauensfrage gestellt und ein Jahr abgewartet, dann wäre es wohl nie zu einer Kanzlerin namens Angela Merkel gekommen.
Was wird von Angela Merkel bleiben, woran wird man sich später erinnern, zu welchen Assoziationen werden die Menschen gelangen? Helmut Kohl: Birne, Saumagen, Deutsche Einheit, Händchenhalten mit François Mitterrand, Euro; Gerhard Schröder: Bier, Currywurst, Agenda 2010, Nein zum Irakkrieg, Frauen und Scheidungen; Angela Merkel: Raute, Flüchtlinge, Krisen, Rettungspakete?
Lesen Sie mehr zu diesem Thema in der Oktober-Ausgabe des Magazins DEUTSCHE STIMME in einem Beitrag von Safet Babic unter der Überschrift »Niedergang im Zeichen der Raute« (Rezension des Buches Dr. C. E. Nyder, 16 Jahre Angela Merkel. Die Bilanz eines Zerstörungswerks.

Reagieren statt Agieren
Volker Pispers sagte über Angela Merkels Politikstil: „Sie ist die Kanzlerin des Möglichen. Das ist genau ihr Spiel, das hat sie drauf. Sie spielt mit dem, was möglich ist. Die Frau hat keinen Plan, die hat keine Vision oder eine Idee. Die regiert nicht, die reagiert.“1 Wie richtig diese Einschätzung ist, zeigen die Entscheidungen, für die manche sie loben, wie die Homoehe, Frauenquote oder Atomausstieg2.
Ob irgendetwas davon wirklich eine Verbesserung darstellt, wird sich noch zeigen. Aber entscheidend ist, dass nichts davon Merkels Überzeugungstaten waren. Im Wesentlichen reagierte sie damit auf politisch-gesellschaftliche Strömungen, die ihre Macht gefährden konnten. Der Atomausstieg war eine Reaktion auf Fukushima und die Angst, dass die Grünen mit dem Thema Wähler mobilisieren. Und das war auch so bei Frauenquote und Homoehe. Es ging immer nur darum, anderen Parteien die Themen wegzunehmen. Dieses reaktive Politikmanagement kam natürlich mit einem Preis daher, denn irgendwann wusste niemand mehr, wofür diese Kanzlerin und ihre Partei eigentlich noch stehen.
Kanzlerin der Flüchtlinge?
Auch ihr Umgang mit den „Flüchtlingen“ in den Jahren ab 2015 war letztlich eine Reaktion auf die Auswirkungen des westlichen Regime-Change-Unternehmens in Syrien, an dem Deutschland nicht ganz unbeteiligt ist3. Mit den Flüchtlingen werden die meisten Angela Merkel verbinden. Hierzu aber eine Klarstellung: Entgegen vieler Meinungen, vor allem im rechten Lager, hat Merkel die CDU nicht von einer Anti-Zuwanderungspartei zu einer Zuwanderungspartei gemacht. Die CDU hat die Türen nach Deutschland schon immer ganz weit offengehalten, auch unter ihren Kanzlern in den 1950ern und 1960ern, die Millionen von Gastarbeitern ins Land riefen. Auch der CDU-Kanzler vor Merkel, Helmut Kohl, tat nichts gegen die Überfremdung – im Gegenteil.
Was Angela Merkel aber von ihren Vorgängern wie Helmut Kohl und Konrad Adenauer unterscheidet, ist ihre Ehrlichkeit. Und genau diese Wahrheit wollten viele nicht hören. Die früheren CDU-Kanzler hielten immer die Illusion aufrecht, dass das Deutschland der Deutschen jederzeit reaktivierbar ist, dass die gute alte Zeit nie verloren gehen wird, dass die Zuwanderer nur Gäste sind und Deutschland kein Einwanderungsland ist. Das waren alles Lügen. Merkel war zum ersten Mal eine Kanzlerin der CDU, der keinen Hehl daraus machte, dass diese Migranten kommen um zu bleiben. Für diese Worte wurde sie von vielen gehasst, obwohl ihre Zuwanderungs- oder Migrationspolitik nicht so viel anders war wie die der Vorgänger4.
Geklaute Lorbeeren: Von wegen Krisenmanagerin
Viel wichtiger als ihre Rolle als Flüchtlingskanzlerin überzubetonen ist es, ihr viel gelobtes Image als Krisenmanagerin zu zerstören; denn kritisiert man Merkel, kommt von ihren Verteidigern genau das: „Ja, gut, aber in der [trage Krise ein] hat sie einen guten Job gemacht. Das muss man schon sagen.“ Nein, das muss man nicht sagen, denn das ist alles nicht Merkels Verdienst. Dass Deutschland aus dem wirtschaftlichen Loch herauskam, in dem es seit etwa 2003 steckte, war vor allem der Agenda 2010 geschuldet, also Gerhard Schröder. Nicht alles an seiner Reform war schön oder alternativlos, aber damals war die Lage dramatisch.
Deutschland im Jahr 2005: Das waren offiziell fünf Millionen Arbeitslose; das war nicht der Exportweltmeister und das Zugpferd Europas, sondern „der kranke Mann Europas“5. Eine Reform war also notwendig, aber Angela Merkel hätte mir ihrer Präferenz für Abwarten und Reagieren niemals selbst eine Reform von solchen Ausmaßen gewagt. Also ist Merkel die ganzen Jahre auf einer Reformwelle geritten, die Gerhard Schröder lostrat. Und der wurde dafür vom Wähler abgestraft.
Weiterführende Informationen:
Sind Merkels Gegner eine “Aufgabe für Psychologen”?
Merkels Gäste: „Straftatenbegehung als Form der Begrüßungshandlung?“
Merkel gegen Schulz: Die Konferenz der Deutschland-Abschaffer

Schröders Reformen waren eine wichtige Voraussetzung für die wirtschaftliche Gesundung Deutschlands. Diese Gesundung führte zu einer höheren Kreditwürdigkeit Deutschlands, ob als Schuldner oder Bürge. Und genau diese hohe Kreditwürdigkeit benutzte Merkel für ihre Krisenmanagementpolitik. Denn alle Rettungspakete der EU verlassen sich darauf, dass Deutschland notfalls alles zahlt und für andere Staaten einspringt. Ergo: ohne Schröder und Agenda 2010 keine Krisenmanagerin Angela Merkel. Merkels Rettungspakete sind nämlich nichts anderes als eine gigantische Kreditreiterei. Wäre Deutschland ein Unternehmen und Merkel die Geschäftsführerin, dann müsste die Staatsanwaltschaft eigentlich schon deswegen und wegen Insolvenzverschleppung ermitteln.
Denn was machte Merkel die ganze Zeit? Nichts anderes als die Probleme auf einen Tag X zu verschieben. Das Schema war doch immer das Gleiche: Eine Krise entstand, Merkel trommelte alle Euro-Regierungschefs zusammen, lullte sie ein, verabschiedete ein Rettungspaket auf Risiko und Kosten des deutschen Steuerzahlers, die Märkte waren wieder beruhigt und weiter ging es im alten Trott. Dabei sind die Rettungspakete von 2008 bis heute schneeballartig immer größer geworden. Angela Merkel hinterlässt ein Deutschland, das mit Forderungsausfall- und Haftungsrisiken derart überladen ist, dass wir bei deren Materialisierung den Laden zusperren können. Wir reden hier immerhin von Beträgen von über einer Billion Euro, wenn man die Euro-Rettungspakete wie ESM und EFSF, die Target-2-Forderungen und Wiederaufbaufonds-Garantien addiert. Aber das hat sie geschickt auf die Amtszeiten anderer verschoben.
Die Diktatursozialisierte vs. Meinungsfreiheit
Was noch als Eindruck bleibt, ist ihr Basta-Durchregieren und die Vereinnahmung der Leitmedien. Kaum einem anderen Kanzler gelang es bisher, die Medien im Land derart vor den eigenen Karren zu spannen. Dass bei dieser Angela-Merkel-Dauerwerbesendung im öffentlichen Raum mittlerweile eine Mehrheit der Deutschen die offene Meinungsäußerung scheut, ist definitiv ein Erbe der diktatursozialisierten Kanzlerin, die Katharina die Große zum Vorbild hat6.
Insgesamt schlechte Regierungsbilanz
Ansonsten kann man über die Frau mit der Raute noch sagen:
– Der Kalte Krieg mit Russland ist zurück, weil sich Angela Merkel an die Außenpolitik der USA geheftet hat, ohne daraus irgendeinen Nutzen für Deutschland zu schöpfen.
– In Sachen Digitalisierung und Forschung sind wir komplett abgehängt7, weil Milliarden Steuereuro statt in Infrastruktur, Bildung und Forschung als Transferleistungen an die Opfer der Niedriglohnpolitik, Flüchtlinge und zur Rettung von Renditen an Spekulanten fließen8.
– Merkels Reaktivpolitik mit Hauruckabschaltung von Atom- und Kohlekraftwerken hat dafür gesorgt, dass Deutschland mittlerweile die teuersten Strompreise Europas hat9. Merkels Energiewende ist nämlich keine Strategie, sondern das Schönreden eines wahltaktischen Manövers10.
– Was die Klimapolitik betrifft, hat Merkel in ihrer typischen Themenklaumanier versucht, sich bei Greta & Co. einzuschleimen, aber das ist ihr überhaupt nicht gelungen. Man merkte ab etwa 2020, dass ihre Metapolitik nicht mehr funktioniert.
Fazit
Zunächst muss man feststellen, dass selbst Merkels vermeintliche Erfolge wie das Krisenmanagement letztlich Lorbeeren sind, die sie von ihrem Vorgänger Gerhard Schröder geklaut hat. Und so richtig weitergebracht hat sie Deutschland auch nicht, denn von Frauenquote und Homoehe kann sich dieses Land nichts kaufen. Wenn es nämlich wirtschaftlich hart wird, interessiert sich für diese Themen niemand mehr. Und das wird es werden, wenn sich die astronomischen Risiken aus Merkels Rettungspaket-Orgie materialisieren. Dass Merkels Kanzlerschaft mit Inflation, Afghanistan-Desaster und dem Wahlkampfdesaster von Armin Laschet endet, ist so ein gerechter Nachtritt der Geschichte.
Merkels lange aber ruinöse Kanzlerschaft könnte für die CDU so etwas wie ein politischer Wembley-Fluch werden, nämlich nie wieder den Kanzler zu stellen. Andere christdemokratische Parteien in Europa haben diesen Abstieg in die Bedeutungslosigkeit schon erlebt. Ein wenig Schadenfreude kann man sich kaum verkneifen. Mit einem kleinen Nachsatz, denn letztlich verdanken wir Angela Merkel, dass rechts von der Union Platz frei geworden ist. Mit ihrer Ehrlichkeit hat sie die pseudokonservative Fassade der Union eingerissen. Rechte Parteien können wieder in den Bundestag einziehen, also schließe ich diesen Nachruf mit einem Dankeschön ab:
Danke, Angela Merkel, dass Du endlich die Kanzlerschaft beendest, denn Deutschland hätte Dich keine weiteren vier Jahre verkraftet; und danke, dass Du uns Rechten wieder eine politische Chance gegeben hast. Danke!
Weiterführende Informationen:
Katar: Merkel im Bunde mit Terror-Paten?
CDU/CSU: Eine schlechte Wahl für Konservative und Deutschnationale

1 https://www.youtube.com/watch?v=uzsSGvKZf-c (Aufruf: 11.09.2021).
2 https://www.welt.de/politik/deutschland/plus233376771/Die-Merkel-Republik-Die-gesellschaftspolitischen-Umwaelzungen.html (Aufruf: 11.09.2021).
3 https://deutsche-stimme.de/worum-gehts-nochmal-im-syrischen-buergerkrieg/ (Aufruf: 11.09.2021).
4 https://deutsche-stimme.de/cdu-csu-eine-schlechte-wahl-fuer-konservative-und-deutschnationale/ (Aufruf: 11.09.2021).
5 https://www.diepresse.com/1595029/deutschland-vom-kranken-mann-europas-zum-superstar (Aufruf: 11.09.2021).
6 https://deutsche-stimme.de/die-repressive-toleranz-zeigt-wirkung-schoene-neue-meinungsfreiheit/ (Aufruf: 11.09.2021).
7 https://www.handelsblatt.com/27569412.html (Aufruf: 11.09.2021).
8 https://deutsche-stimme.de/bundesverfassungsgericht-zwischen-gefallsucht-und-schwanzeinziehen/ (Aufruf: 11.09.2021).
9 https://www.capital.de/wirtschaft-politik/strompreise-in-europa (Aufruf: 11.09.2021).
10 https://www.dw.com/de/kommentar-die-energiewende-angela-merkels-gr%C3%B6%C3%9Fter-fehler/a-51807640 (Aufruf: 11.09.2021).
3 Antworten
Sie ist die Kanzlerin der Einzelfälle. Am 7. August 2019 träumte ich dies: „Ein Festakt zur Entlassung der Angela Merkel“
Heute früh träumte ich kurz vor dem Aufwachen eine sonderbare Szene aus dem Leben der Bundeskanzlerin. Vor Beginn des Festaktes zu ihrer Entlassung im Deutschen Nationaltheater mit einer Rede des Bundespräsidenten hatte sich ein Männerchor aus meisterlichen Sängern in einem Nebensaal versammelt und wartete auf seinen Auftritt.
Da öffnete sich eine Nebentür. Sie trat ein, schlurfte langsam und müde mit einem Glas Weißwein in der rechten Hand an den großen Tisch und ließ sich auf einen der leeren Stühle plumpsen. Weißwein passte zum Anlass, denn sie war leichenblass. Ihr Festkleid wirkte deplatziert, ist sie doch als Hosenanzug bekannt. Ihr chinesischer Leibschneider Tsu Eng aus Sing Mai hat sich an ihr eine goldene Nase verdient.
Es wurde schlagartig still im Saal. Kaum jemand wagte zu atmen. Ihr leerer trüber Blick klammerte sich an das Weinglas. Das ungeschminkte Gesicht wirkte eingefallen. Der rechte Mittelfinger juckte. Gedankenverloren kaute sie am Fingernagel herum.
Mitten in die nervenzerfetzende Stille hinein stimmte der Chor ein Lied an, das er beim Festakt vortragen würde, doch hier mit einem angepassten Text: Der Gefangenenchor aus der Oper Nabucco von Guiseppe Verdi.
…