Das Bundesverfassungsgericht hat am 29.04.21 das Klimaschutzgesetz kassiert und alle jubeln. Es argumentiert, dass das Klimaschutzgesetz in seiner bisherigen Fassung den zukünftigen Generationen unverhältnismäßige Bürden auferlegen würde, also die Hauptlast der CO2-Einsparung. Kurz zuvor lehnte es noch einen Eilantrag gegen den EU-Wiederaufbaufonds ab, dessen Auswirkung die zukünftigen Generationen dieses Landes noch teuer zu stehen kommen wird. Der Bundeshaushalt – jedes Jahr – investiert kaum in die Zukunft, sondern vor allem in die Beruhigung der Massen, sprich die soziale Wohlfahrt und müsste daher ebenso verfassungswidrig sein. So recht kann man den Karlsruher Verfassungshütern ihre Generationengerechtigkeitsargumentation also nicht abkaufen. Was will dieses Gericht eigentlich?
Gastbeitrag von Sascha von Aichfriede

Das Bundesverfassungsgericht ist mit viel Kleinarbeit beschäftigt, beispielsweise ob eine Justizvollzugsanstalt den derben Brief eines Gefangenen zurecht anhielt (2 BvR 194/20) oder ob ein bestimmter Arbeitgeber Streikbrecher einsetzen darf (1 BvR 842/17). Es geht in der Regel um sehr konkrete Einzelfälle und so schafft es der Großteil der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts nicht in die Berichterstattung überregionaler Medien. Das Bild der Allgemeinheit vom Bundesverfassungsgericht wird dadurch vor allem von großen Fällen geprägt, wie zum Beispiel dem NPD-Verbotsverfahren. Die Legal Tribune Online listet unter den zehn „beliebtesten“ Urteilen aus Karlsruhe: 1) das Verbot der KPD (1 BvB 2/51), 2) Auslandseinsätze der Bundeswehr (2 BvE 3/92), 3) Kopftuchverbot (2 BvR 1436/02), 4) Vorratsdatenspeicherung (1 BvR 254/08 u.a.), 5) Rauchverbot (1 BvR 3262/07), 6) Ehegattensplitting für Homosexuelle (2 BvR 909/06 u.a.), 7) Cannabis (2 BvL 43 u.a.), 8) Griechenland-Rettung (2 BvR 987/10), 9) Sicherungsverwahrung (2 BvR 2365/09 u.a.) und 10) Schwangerschaftsabbruch (2 BvF 2/90 u.a.)1; für 2020 sieht die Legal Tribune Online als die wichtigsten Entscheidungen die Urteile zur Sterbehilfe, EU-Organkompetenzen, Überwachung im Ausland, Äußerungen von Regierungsmitgliedern über andere Parteien (hier: die AfD) und die Telekommunikationsüberwachung an2. Ob nun mit oder ohne mediale Rezeption, eines haben fast alle Karlsruher Fälle gemeinsam: sie sind wegweisend, mindestens aber ein deutliches Indiz für den Zustand der Nation. Was vor das Bundesverfassungsgericht getragen und wie geurteilt wird, sagt viel darüber aus, in welchem Land wir leben. Zwei Entscheidungen der jüngsten Vergangenheit tun es allemal, nämlich das Urteil zum Klimaschutzgesetz (1 BvR 2656/18 u.a.) und die Ablehnung des Eilantrags gegen den „EU-Wiederaufbaufonds“ (2 BvR 547/21).

Mit dem Klimaschutzgesetzurteil hat sich Karlsruhe definitiv einen Pluspunkt bei den pubertären Klimabriganten gesichert – es geht ja auch immer um öffentliche Legitimität und Akzeptanz und da landete es gerade einen Volltreffer. Nach dem vielleicht formaljuristisch korrekten aber dennoch asozialen Beschluss zum „Berliner Mietendeckel“ (2 BvF 1/20 u.a.), ist das Bundesverfassungsgericht wieder everybody’s darling; und das obwohl vielen unverständlich bleibt, wie denn der Ausverkauf des sozialen Wohnungsbaus mit dem grundgesetzlich verankerten Sozialstaatsprinzip vereinbar ist: zwischen 2006 und 2018 hat sich die Zahl der Sozialwohnungen von etwa 2,1 Millionen auf 1,2 Millionen verringert3. Wo ist das Bundesverfassungsgericht, wenn man es braucht? Beim Klimaschutzgesetz war es jedenfalls zur Stelle, weil man hier nichts kaputt machen konnte. Klima und Treibhausgase bleiben ein nebulöses Thema, das nur für ausgemachte Spezialisten halbwegs greifbar ist. Was die Politik daraus macht, ist eine pseudoreligiöse Agenda, bei der es vielmehr um Allmachtsfantasien eines CO2-Regimes geht als um die Rettung des Planeten. Die Prognose darf gewagt werden, dass neben dem Holocaustleugnungsverbot auch bald das Verbot der Leugnung des menschengemachten Klimawandels zum nicht mehr hinterfragbaren Axiom bundesdeutscher Staatlichkeit wird. Wir werden es wohl noch erleben. Auf jeden Fall trieft dieses Urteil nur so vor Gefallsucht, denn das Bundesverfassungsgericht reiht sich in erschreckender Weise in die Dummheit des Schwarms ein, den Mainstream. Eigentlich hätte das Gericht das ganze Klimaabkommen wegen seiner Unzulänglichkeiten angreifen müssen, an das sich ohnehin (außer Deutschland) wohl niemand halten wird. Stattdessen bewegt es sich in pseudogenauer Manier innerhalb der Grenzen eines schlechten Gesetzes, basierend auf einem schlechten Abkommen, und meint, man müsse die Lasten des schlechten Gesetzes über die Zeitachse besser verteilen. Das ist der Teil der Entscheidung, der vom Mainstream bejubelt wird. Es gibt aber in der Pressemitteilung des Gerichts noch etwas viel Interessanteres zu entdecken, nämlich Folgendes:
Von diesen künftigen Emissionsminderungspflichten ist praktisch jegliche Freiheit potenziell betroffen, weil noch nahezu alle Bereiche menschlichen Lebens mit der Emission von Treibhausgasen verbunden und damit nach 2030 von drastischen Einschränkungen bedroht sind. Der Gesetzgeber hätte daher zur Wahrung grundrechtlich gesicherter Freiheit Vorkehrungen treffen müssen, um diese hohen Lasten abzumildern.4
Hat das jemand gelesen? Es geht um Freiheitseinschränkungen. Das ist doch das eigentliche Thema! Die Grünen operieren mit einem mittelalterlichen Werkzeugkasten, der die Angst vor einem neuen Fegefeuer schürt, dem verglühenden Planeten. Und wie schon vor vielen hunderten Jahren, lassen sich Menschen mit dieser Angst auch heute noch beherrschen und ihrer Freiheit berauben. Es wird von einigen behauptet, dass eine Erwärmung von mehr als vier Grad Celsius zu einem Ende des Lebens führen würde5, derweil hat die Erde in ihrer langen Geschichte des Lebens Temperaturphasen erlebt, die weit höher waren als heutige Durchschnittstemperaturen plus die magischen vier Grad Celsius. Grünes, also umweltschützendes Engagement, sollte sich statt auf abstrakte Temperaturziele auf Konkretes konzentrieren, wie den Schutz der Wälder vor Abholzung, der Kampf gegen die Vermüllung der Meere oder die Ausbringung von Giftstoffen in der Landwirtschaft. Aber darum geht es eben nicht, sondern um Macht – Macht durch Angst vor einer diffusen Bedrohung.

Und überhaupt kann man dem Bundesverfassungsgericht seine Generationengerechtigkeitsargumentation auch aus anderen Gründen nicht abkaufen, denn so viele Dinge sind in Deutschland nicht gerecht gegenüber zukünftigen Generationen. Man sehe sich nur den Bundeshaushalt an: Der größte Posten ist Arbeit und Soziales, womit die perverse Niedriglöhnerei in Deutschland gedeckt wird, dem größten Arbeiterstrich Europas6. Jeweils 23 Milliarden Euro fielen in 2018 und 2019 für asylbedingte Kosten an7 – was könnte man nicht alles machen mit diesem Geld, was den Standort wirklich weiterbringt, zum Beispiel Investitionen in die Digitalisierung? Würde das Geld sinnvoll eigesetzt, also in Bildung, Forschung und Infrastruktur, dann wären in dem daraus entstehenden Hochqualitätsstandort die gigantischen Ausgaben für Arbeit und Soziales nicht mehr notwendig, genauso wenig wie hohe Steuern und Schulden. Auch hier: Wo ist das Bundesverfassungsgericht, wenn man es braucht? Sinnbildlich für diese Generationenungerechtigkeit steht der „EU-Wiederaufbaufonds“; er ist nicht nur ein ganz offensichtlicher Verstoß gegen EU-Recht, indem er eine Schuldenunion schafft, sondern eine wirtschaftliche Hypothek für zukünftige Generationen sondergleichen. Wäre die EU ein Unternehmen, es wäre dieses Modell ein klarer Fall von Insolvenzverschleppung, denn objektiv kreditwürdig sind die meisten EU-Länder schon lange nicht mehr. Mit dem Wiederaufbaufonds werden die lebenserhaltenden Maßnahmen für die Europäische Union verlängert, damit es irgendwie weitergeht. Wegen der Ablehnung des Eilantrags gegen die Ausfertigung des dazugehörigen Ratifizierungsgesetzes, fließt jetzt deutsches Geld in den Fonds. Aus dieser Nummer kommt Deutschland nun nicht mehr heraus und das weiß das Bundesverfassungsgericht auch, nur war der politische Druck hier einfach zu stark. War das Urteil zum Klimaschutzgesetz ein Fall von Gefallsucht, ist dieser Beschluss ein Fall von Schwanzeinziehen. Und das mit System, denn das Bundesverfassungsgericht stellte sich dem Projekt Vereinigte Staaten von Europa noch nie in den Weg. Es fällt an dieser Stelle nicht leicht, die rote Süddeutsche Zeitung zu zitieren, aber es passt einfach zu gut. 2012 ging es um eine andere Medizin für das wahrlich kranke EU-Wirtschaftssystem, den Europäischen Stabilitätsmechanismus, und auch da traute sich Karlsruhe nicht, den Wahnsinn zu beenden – mit bis heute treffender Gültigkeit heißt es in dem SZ-Artikel:

Das Karlsruher Urteil bringt Europa nicht weiter, es bringt Deutschland nicht weiter und die Demokratie auch nicht. Dieses Urteil weicht nämlich den wichtigsten Fragen aus. Es will ein Grundsatzurteil sein, aber es hat Angst vor dem Grundsätzlichen. Es ist, wie beim Bundesverfassungsgericht üblich, wenn es um Europa geht, ein „Ja, aber“-Urteil. Aber das Ja dieses Urteils ist diesmal so kraftlos wie sein Aber. Es ist ein seufzendes „Aber ja“-Urteil.8
Das Bundesverfassungsgericht ist eben ein politisches Gericht, denn die Verfassungsrichter werden durch Bundestag und Bundesrat gewählt. Dadurch ist es der Spiegel einer bequemen Gesellschaft, über das Stephan Brandner von der AfD seit Corona zu sagen weiß: „Aus dem Volk der Dichter & Denker ist das Volk der Kuscher & Pfuscher geworden.“9 Und so fallen die Urteile des Gerichts aus: kuschen und pfuschen eben. Und damit es nicht komplett seine Legitimität verliert, will es hin und wieder auch einmal … gefallen.
Weiterführende Informationen:
Greta Thunberg: Klimaschutz oder politischer Kindesmissbrauch?
»Klimaflüchtlinge« und Chemie-Terror – Grenzen endlich dicht machen!
Die Klimabilanz von Haustieren – eine Gefahr für den blauen Planeten?

Eine Antwort
Und was ist mit den Millionen Asylanten?
Haben die Milliarden-Kosten keine Auswirkung?
Folglich müssten auch alles Asylanten abgelehnt und sofort des Landes verwiesen werden !