Nach Nord-Stream-Enthüllung – NATO-Presse greift Hersh an

Dass Nord Stream von unseren angeblichen Freunden angegriffen wurde, kann man als erwiesen ansehen. Historie, Indizien und Nutzen weisen in die Richtung der Briten, Polen, Norweger und den USA. Die Leitmedien im NATO-Raum verhindern aber eine breite und offene Debatte. Nun meldet sich jedoch ein Mann zu Wort, der in der Presselandschaft als Ikone gilt: Seymour Hersh.

Gastbeitrag von Sascha von Aichfriede

Vor einiger Zeit berichteten wir über den Stand der Fakten (und Gerüchte) zum Anschlag auf Nord Stream¹ . Im Zentrum stand eine geleakte Nachricht vom Smartphone der damaligen britischen Regierungschefin Liz Truss. Unsere Nutzenanalyse ergab zudem, dass die USA sowie Vasallen und Deutschlandfeinde wie Polen die Hauptprofiteure dieses Anschlags sind² . Der berühmte amerikanische Enthüllungsjournalist Seymour Hersh hat jetzt in seinem Blog die Verantwortung der USA für den Anschlag auf Nord Stream erhärtet.

Was schrieb Seymour Hersh

In seinem Blog³ schrieb Seymour Hersh im Wesentlichen, dass die USA und zahlreiche NATO-Partner schon immer etwas gegen Nord Stream hatten, da sie eine deutsch-russische Partnerschaft fürchteten und außerdem günstiges russisches Gas die deutsche Wirtschaft wettbewerbsfähig hielt.

Das schrieben auch schon andere Politikwissenschaftler. Auch wir von der Deutschen Stimme zeigten auf, dass ohne russisches Gas, an dessen Erschließung deutsche Firmen in den 1970ern beteiligt waren, es keine nachhaltig starke deutsche Wirtschaft gegeben hätte. Da die US-Sanktionspolitik gegen Nord Stream 2 aber nicht wirkte, entwickelten die USA einen Plan B, die Zerstörung der Pipeline.

Für die Durchführung waren Kampfschwimmer der US Navy verantwortlich, die die Aktion in einem Übungszentrum (NDSTC) in Florida vorbereiteten. Zu ihrem Komplizen machten die Amerikaner unter anderem die Norweger, mit denen sie ein besonderes Militärabkommen (SDCA) 2021 schlossen, was bedeutet, dass sie auf norwegischen Basen nach Gutdünken schalten und walten können. Das ergibt Sinn, denn die Norweger hatten auch ein wirtschaftliches Interesse am Aus von Nord Stream – sie füllen nun die europäischen Gasspeicher zu Rekordpreisen⁴ .

Cui bono? Ganz klar: die Amerikaner und die Norweger. Durchgeführt wurde die Operation im Rahmen der NATO-Übung BALTOPS22 – die Detonationen wurden durch eine Sonarboje ausgelöst, die ein norwegisches Flugzeug über der Stelle bei der Insel Bornholm abwarf. Dies sollte einen zeitlichen Versatz zwischen der NATO-Übung und der Explosion bringen, um die Verantwortlichkeit der Amerikaner zu vernebeln. Die Enthüllungen Hershs fügen sich ein in die bisherigen Recherchen unter anderem des Compact-Magazins.

Enthüllungen der schweren Sorte

Das Massaker von Mỹ Lai, bei dem US-Soldaten hunderte vietnamesische Zivilisten vergewaltigten und ermordeten (1968); die Watergate-Affäre, die den US-Präsidenten Richard Nixon zu Fall brachte (1974); der Sturz der Allende-Regierung in Chile durch die CIA (1974). Das sind nur einige journalistische Enthüllungen, die Hersh berühmt machten – und zum Liebling des linken Mainstreams, der auch die US-Presse beherrscht. Denn seine Enthüllungen halfen den Linken, schließlich ging es gegen den Vietnamkrieg, gegen die Republikaner, für Sozialisten wie Salvador Allende, gegen den militärisch-industriellen Komplex. Hersh erhielt zahlreiche Auszeichnungen, unter anderem den Pulitzer-Preis, eine Art Oscar für Journalisten.

Nicht mehr beliebt im linken Mainstream

Aber eines Tages mochten die US-Leitmedien Hersh nicht mehr. Der Grund ist einfach: Mittlerweile sitzt dieses linke Establishment nicht mehr in der Opposition, sondern hat sich in den Institutionen breit gemacht, die Hersh anzugreifen pflegt. Insbesondere zählt dazu die Unantastbarkeit Israels, denn Hersh enthüllte, dass die Militäroperationen der Israelis im Libanon 2006 von langer Hand geplant und mit den USA, ihrer Schutzmacht, koordiniert waren. Das widersprach der offiziellen Darstellung Israels und der USA. Hersh ist übrigens selbst Jude.

Zudem griff Hersh auch die Regierung unter Präsident Barack Obama an, und da hört der Spaß für die Linken auf: Obama ist ein Liebling und unantastbar. Er sagte auch – richtigerweise – dass Obama sich in Syrien irrte und auf die falsche Seite stellte⁵ , den Assad wäre immer noch die beste aller Optionen für Syrien⁶ . Er stellte auch die Mainstream-Sichtweise auf die Giftgas-Vorwürfe gegen Assad infrage. Zu allem Überfluss kritisierte er auch den Umgang vieler US-Zeitungen mit Trump als zu einseitig negativ.

Hersh bloggt

T-Online schreibt nun:

„Er hat wieder etwas herausgefunden. Nur erscheinen seine Erkenntnisse diesmal nicht bei den großen, renommierten Verlagen und Medien: Nicht bei der US-Zeitung ‚New York Times‘, nicht beim Magazin ‚New Yorker‘ oder bei der Nachrichtenagentur Associated Press, wo der Reporter Seymour Hersh lange Jahre viele seiner Recherchen publizierte. Seine neuste Veröffentlichung findet sich auf einem Blog.“⁷

Die Giftspitze ist bewusst platziert. Dass der Artikel in einem Blog erscheint, erschüttert dessen Glaubwürdigkeit – das ist die Botschaft dieser Giftspitze. Setzt man Hershs Enthüllung aber in den Kontext seiner Enthüllungen und Standpunkte der letzten Jahre, dann hat einfach ein Bruch mit den genannten Medienhäusern stattgefunden. Und deswegen erscheint der Artikel in einem Blog. Denn Hersh möchte neutral bleiben und sich nicht mit den Medien ins Bett legen, die Trump unterstützen.

Ad Personam

Seymour Hershs Enthüllung passt nicht in die Mainstream-Darstellung von Gut (USA/NATO) und Böse (Russland). Dass gerade die deutschen Leitmedien von transatlantischen Parteigängern durchsetzt sind, ist keine Enthüllung, sondern ein Faktum. Sie packen nun eine bewährte Strategie aus, die sich in der rhetorischen Trickkiste⁸ Arthur Schopenhauers findet, nämlich den sogenannten Kunstgriff 38: Das argumentum ad personam, zu Deutsch „argumentieren gegen die Person“. Dieser Kunstgriff ist einer der wichtigsten, denn er kommt zum Zug, wenn der Gegner die besseren Sachargumente hat. Es geht darum, die Person Hershs und seinen Charakter, Seriosität oder Zurechnungsfähigkeit zu erschüttern. Und so sehen dann die Schlagzeilen aus:

Das ist der Mann hinter der angeblichen Nord-Stream-Enthüllung (WiWo)
Nord-Stream-Anschläge: Wer ist der Enthüller Seymour Hersh? (Berliner Zeitung)
Seymour Hersh, abgeglittener Ex-Star des investigativen Journalismus (SZ)

Der Enthüller wird mit Dreck beworfen oder es wird abgelenkt von dem, was er sagt, auf das, was er ist oder zu sein scheint. Ziel des Kunstgriffes ist, dass die Zuhörer am Ende denken: Ein solcher Mensch kann keine Wahrheit sagen. Die Leitmedien machen aus Hersh jetzt einen alten verwirrten Mann, der sich thematisch verrannt hat.

Angeblicher Experte einer Bundeswehr-Uni

Auf dem Internetportal der Tagesschau kommt der „Sicherheitsexperte“ Julian Pawlak zu Wort, der Professor an einer Bundeswehr-Universität ist. Er wendet hauptsächlich zwei Dinge gegen Hershs Enthüllung ein⁹ :

1) Der Anschlag wäre unnötig gewesen, weil ohnehin kaum noch Gas durch Nord Stream nach Deutschland floss.

2) Dass ein Pipeline-Strang unzerstört blieb, widerspreche ebenso einer US-Täterschaft, denn die hätten diesen Fehler nicht gemacht.

Diese zwei Einwände zeigen, dass nicht nur die materielle Ausstattung der Bundeswehr schlecht ist, sondern auch ihr intellektuelles Niveau. Oder Pawlak ist ein Transatlantiker.

Weiterführende Informationen:

Nord Stream: Ein unglaublicher Anschlag

Annalena Baerbock bläst Projekt Nord Stream 2 ab

Nord Stream: „It’s done!“

Natürlich hatten die USA und ihre Vasallen weiterhin ein Interesse, dass Nord Stream zerstört wird, auch wenn zu einem Zeitpunkt X wenig bis kein Gas durchfloss. Denn Nord Stream blieb immer ein potenzieller Keil. Die Strategen des Weißen Hauses wussten, dass Deutschland dem US-Druck einstweilig nachgab, angesichts des Ukrainekriegs auf russisches Gas zu verzichten. Aber einmal wird auch dieser Krieg zu Ende sein – dann wäre die Reaktivierung von Nord Stream wieder zu einem Thema geworden. Immerhin stieg auch der innenpolitische Druck auf die Bundesregierung, angesichts explodierender Energiepreise Nord Stream wieder zu nutzen. Ein Druck, der den Parteien in Deutschland zuspielte, die für die Wiedernutzung von Nord Stream offen waren, vorrangig der AfD, aber auch Union und FDP. Selbst die SPD und Linke waren nicht eindeutig gegen Nord Stream. Nord Stream musste also endgültig erledigt werden.

Auch der zweite Einwand Pallaks lässt an dessen wissenschaftlicher Eignung zweifeln, denn natürlich passieren auch den US-Spezialeinheiten Fehler. Man denke nur an die Ausschaltung Osama bin Ladens, als einer der US-Hubschrauber bruchlandete. Und das war nicht irgendein Helikopter, sondern einer mit geheimer Tarnkappen-Technologie¹⁰ . Peinlich. Es ist sehr wahrscheinlich, dass eine der Sprengladungen, die die US-Kampfschwimmer an einer der Nord-Stream-Stränge anbrachte, nicht detonierte. Diese Sprengladung beseitigten die Amerikaner oder ihre Vasallen bei den Aufräumarbeiten rund um die Detonationsstelle zusammen mit verräterischen Trümmerteilen¹¹ .

Fazit

Hershs Artikel deckt sich mit bisherigen „Leaks“ rund um den Anschlag auf Nord Stream. Es bleibt dabei, dass vor allem die USA, Norwegen und die Polen von einem Ende russischer Gaslieferungen an Deutschland profitieren – geopolitisch und auch wirtschaftlich. Dass die NATO-Leitmedien den Artikel anzweifeln, liegt an ihrer transatlantischen Parteigängerschaft. Andere wiederum wollen nicht wahrhaben, dass es unsere „Freunde“ gewesen sein könnten – sie fürchten eine harte Desillusionierung. Die derzeitige Bundesregierung wird schweigen. Sie ist im Griff transatlantischer Lobbyisten. Die Grünen gehören dazu.