Alternative Parteien in Deutschland – verzettelt sich der Widerstand?

Sahra Wagenknecht gründet eine eigene Partei – die Freien Wähler etablieren sich als eine Art nationalere FDP; die Basis schöpft die Corona-Protestkultur ab, die die AfD verprellt hatte. Und die Heimat? Wäre es nicht schöner, es gäbe exakt eine starke systemkritische Partei?

Ein Gastkommentar von Sascha von Aichfriede

Wir erinnern uns an die 90er: Das rechte Spektrum war im Wesentlichen aufgeteilt in DVU, REP und NPD. Daneben gab es noch kleinere Initiativen. Das Problem daran war: Zusammengerechnet hätte damals schon eine rechte Partei in den Bundestag kommen können, aber die Stimmen waren aufgrund der vielen Parteien zu fragmentiert. Die Bundestagswahl 1998 ist dafür ein anschauliches Beispiel:

Partei%
REP1,8
DVU1,2
Pro DM0,9
NPD0,3
BFB0,2
TOTAL4,4

Weiterführende Informationen:

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Hätte eine rechte Partei diese 4,4 % bundesweit auf sich vereinigen können, wäre das 1998 ein Paukenschlag gewesen. Das bis dato stärkste Ergebnis einer rechten Partei im Bund fuhr die NPD im Jahr 1969 mit 4,3 % ein. Das scheiterte aber an der Uneinigkeit im rechten Lager. Viele rechte Parteien sahen sich mit den Bedenken potenzieller Wähler konfrontiert, dass eine Stimme für sie eine „verlorene Stimme“ sei, weil sie an der Fünfprozenthürde scheitern würden.

AfD – Merkelismus brach Parteiengefüge auf

Das starre Parteiengefüge der BRD brach der Merkelismus auf. Angela Merkels Kurs in der Eurorettung und später der Migrationskrise 2015 erzeugte ein derartiges Vakuum rechts der Union, dass es zum Knall kommen musste. Die Gründung der AfD war aber keine Explosion, sondern eine Implosion.

Der Vorteil der AfD: In ihrer Gründungsphase 2013 ging es nicht um völkische Themen oder Nationalismus. Es ging um Wirtschaftsthemen, die Merkelsche Eurorettungspolitik. So konnte die AfD der ersten Stunde auch namhafte Politiker und Unternehmer aus dem bürgerlichen Lager gewinnen und sich als die saubere Alternative präsentieren. Das brachte ihr bei der Bundestagswahl 2013 einen Achtungserfolg ein: 4,7 %. Und ein Jahr später bei der Europawahl waren es schon 7,1 %.

AfD & Co. sind eine Normalisierung der Parteienlandschaft

Schon lange vor der AfD prognostizierten Politikwissenschaftler, dass es auch in Deutschland ein rechtes Wählerpotenzial von 15 % gibt. Denn in anderen europäischen Ländern mit ähnlicher Sozial- und Wirtschaftsstruktur hatten sich solche Parteien schon lange etabliert. In Belgien, den Niederlanden, Italien, Frankreich und Österreich. Warum sollte es in Deutschland anders sein?

Nur das historische Erbe und die Tabuisierung und Stigmatisierung des „rechten Randes“ waren für viele Wähler ein Grund, anders zu wählen, als es der politologischen Theorie nach richtig wäre. Und dass es dieses Wählerpotenzial gibt, bewiesen einige deutsche Landtagswahlen. Die Republikaner holten 1992 in Baden-Württemberg 10,9 %; die DVU 1998 in Sachsen-Anhalt 12,9 %; die NPD 2004 in Sachsen 9,2 %. Diese Erfolge waren aber nie nachhaltig. In den Folgewahlen reduzierten sich die Wählerstimmen oft deutlich. Erst die AfD konnte Proteststimmen nennenswert in Überzeugungsstimmen umwandeln.

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Neue Zeiten brechen an

Die letzten Landtagswahlen haben gezeigt, dass selbst im Westen mit seiner verknöcherten Wählerstruktur ein Umdenken möglich ist. Die Bürger begreifen zunehmend, dass die Altparteien wie Union und SPD die gleiche Politik machen. Sie begreifen auch, dass FDP eine schwache, inhaltsleere Partei ist. Sie erkennen auch, dass die Grünen gefährlich Ökomarxisten sind, die in einer Koalition als agitative Avantgarde die anderen Koalitionspartner vor sich hertreiben. Und die Linke ist schon lange keine Partei des einfachen Mannes mehr, sondern äfft die Grünen nach, bei denen deutlich mehr Marxisten und Kommunisten zu finden sind.

Deswegen haben sich viele Bürger für die Nichtwahl oder für die AfD und die Freien Wähler entschieden; auch die Basis kann mit Ergebnissen um die 1 % Achtungserfolge erzielen und bekommt Zugang zur staatlichen Parteienfinanzierung. Die alte BRD-Parteienlandschaft und ihre Polit-Kartelle brechen zusammen. Zu lange am Volk vorbeiregiert.

Parteigründung Sahra Wagenknecht

Es musste so kommen: Sahra Wagenknecht ist das prominenteste Gesicht der Linken, und sie verlässt ihre siechende Partei im Streit. Die linken Realos und Volkstribunen um Wagenknecht setzen sich ab von der linksliberal-woken Führungsclique, die wie die Grünen salonkommunistischen Luxusthemen hinterherrennt, während das Land langsam an allen Fronten abschmiert.

PI-News witzelt dazu: „Sahra Wagenknecht hat gerade im Alleingang geschafft, was Helmut Kohl vor 30 Jahren hätte machen sollen. Sie hat die SED in den unverdienten Ruhestand geschickt.“ Mit der SED sind die Linken gemeint, die über die PDS die Nachfolgerin der ehemaligen DDR-Führungspartei ist.

AfD vs. Freie Wähler

Die Einsicht vieler Bürger, dass die BRD-Kartellparteien nicht die Lösung, sondern das Problem selbst sind, kommt spät, aber sie kommt. Das schafft natürlich einen Stimmenmarkt. AfD, Freie Wähler, Heimat, Basis und die Wagenknecht-Partei können im systemfeindlichen Milieu auf Stimmenfang gehen.

Aber die Wahl in Bayern zeigt, dass die vielen Parteigründungen auch ein Problem darstellen. Die Freien Wähler mit 15,8 % und die AfD mit 14,7 %; die Basis holte 0,9 %. Wäre es nicht besser, es gäbe eine starke Systemopposition mit 31,4 %? Fast so stark wie die CSU?

Oder in Hessen: AfD mit 18,4 % und die Freien Wähler mit 3,5 %; die Basis holte nur 0,5 %. Aber auch hier: Die AfD hätte mit den FW-Stimmen über die psychologische 20-%-Marke springen können. Und die FW haben auch das Problem, dass man nicht genau weiß, wofür sie stehen. Sie könnten auch zu einem reinen Mehrheitsbeschaffer der Union werden. Also das, was früher die FDP war. Diese Stimmen kann man dann auch als „verloren“ ansehen, denn die Union ist stramm auf einem antinationalistischen Europakurs und ebenfalls eine Pro-Einwanderungspartei. Dieser eine Mehrheit zu beschaffen, macht den Koalitionspartner mitschuldig. Die Freien Wähler sind zweifellos die Partei mit dem größten Risiko, eine Scheinopposition zu wählen. Sie könnte am Ende sogar systemstabilisierend wirken.

Fragmentierung oder bessere Abschöpfung des Widerstands?

Momentan sind die FW noch ein bayerisches Phänomen, aber in Hessen und Rheinland-Pfalz konnten sie ebenfalls nennenswerte Erfolge erzielen. Und das kann zu einem funktionalen Problem werden. Denn es droht die Fragmentierung des Widerstands. Es droht, dass die systemkritischen Parteien ihre Stimmenanteile fragmentieren und keine politische Stoßkraft entwickeln. Es droht, dass diese Parteien sich im Zank gegenseitig zerstören, obwohl der Feind eigentlich ganz woanders steht.

Das hatten wir alles schon. Die Republikaner sind das beste Beispiel dafür, wie man es nicht machen sollte. Sie ist in der Bedeutungslosigkeit verschwunden. 1989 konnte ihr ehemaliger Chef Franz Schönhuber noch 8.000 Besucher in der Münchner Olympiahalle begeistern. Auf der anderen Seite ist ein breites Parteiangebot auch eine Chance, die Massen der Nichtwähler zu mobilisieren und so die Systemopposition auch stimmenmäßig zu mobilisieren. Wer also mit Heimat, AfD oder Basis nichts anfangen kann, der kann auch FW oder Wagenknecht wählen. Wichtig ist dabei nur eines: Alle, die mit dem nationalmasochistischen BRD-System aufräumen wollen, müssen zusammenarbeiten können. Dann darf es auch mehrere Parteien geben, die in jeder Nische Stimmen einfangen. Sie müssen nur über die 5-Prozent-Hürde kommen.

25 % und Untersuchungsausschüsse – warum jedes Prozent wichtig ist

Und dennoch bleiben einige gewichtige Argumente, dass sich das Gros bei einer Partei sammeln sollte. Die 25-%-Marke ist eine. Denn mit einem Viertel aller Abgeordneten kann der Bundestag Untersuchungsausschüsse einsetzen. Damit kann man Missstände der Regierungsarbeit öffentlich machen und den Deutschlandfeinden das Leben schwer machen. Es wäre fatal, wenn bei den nächsten Wahlen eine Partei des Widerstands eine Chance auf diese kritische Marke verpasst, weil ihr genau die paar Prozent fehlen, die andere ihnen weggenommen haben (und trotzdem nicht über 5 % kamen).

Darüber sollte jeder Wähler nachdenken. Wenige Prozente können im politischen Prozess einen gewaltigen Unterschied machen.

Sascha von Aichfriede:

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Eine Antwort

  1. Warum bloß gründet Frau Wagenknecht eine ‚eigene‘ Partei? Kurz gesagt, ich glaube sie ist auf keinen Fall naiv, sondern ‚egozentriert‘ und ehrgeizig. Sie spekuliert auf eine spätere Koalition mit einer der Ampelparteien und in der Folge dann auf einen Platz im EU-Parlament. Dort kann sie sich, wie bis dato in diversen Talkshows und Interviews, rednerisch exponieren und mindestens 8.000 € oder mehr a la Meuthen mit nachhause nehmen. Diesen finanziellen Aspekt sollte man nicht unterschätzen. Und sie kann in der Karriereleiter im Gegensatz zu ihrer gegenwärtigen Position weiteraufsteigen – viel weiter. Sie wäre doch eine wesentlich willkommenere Kommissionsangehörige/-präsidentin als etwa von der Leyen; man hat schon Pferde vor der Apotheke kotzen sehen.