So manch einem mag es etwas flau im Magen gewesen sein, bevor er mit dem leibhaftigen Jürgen Schwab zusammentraf. Immerhin galt der Autor als gefürchteter Polemiker, der sich schon mit fast jedem im patriotischen Spektrum angelegt hatte. Doch im persönlichen Umgang war der gebürtige Miltenberger äußerst fair und von – ja – altfränkischer Höflichkeit. Bei seinen im Internet veröffentlichten Glossen scheute er hingegen nicht vor scharfen Hieben gegen vermeintliche und tatsächliche Gegner zurück.
Von den REPs zum Bund Frankenland
Jahrzehntelang verharrte er in stolzer Isolation abseits von allen Hauptströmungen des patriotischen Spektrums, um sich der Ausarbeitung seiner nationalrevolutionären Theorie zu widmen. Der Rechtspopulismus war offenbar ebenso wenig eine Versuchung für ihn wie ein Arbeitsplatz in einer Fraktion. Dabei galt der Unterfranke, der am 26. Februar 1967 in Miltenberg geboren wurde, lange Zeit als große parteipolitische Hoffnung. 1985 trat er in die Republikaner ein und war lange Zeit deren jüngster Kreisvorsitzender in Bayern. Wegen seines politischen Engagements wurde er an seiner Schule angefeindet. Schwab erzählte von dieser für ihn prägenden Phase in seiner autobiografischen Erzählung Die Solidarität des Tormanns, die sich in seinen Fränkischen Novellen befindet. Nach der Niederlage der »Fundis« auf dem Republikaner-Parteitag in Ruhstorf 1990 verließ auch Schwab die Partei. 1991 war er an der Gründung des »Bund Frankenland« beteiligt, der sowohl nationalrevolutionär wie auch regionalistisch ausgerichtet war. Schwab studierte damals in Bamberg, wo er 1995 seinen Abschluss als Diplom-Germanist absolvierte.

Zwei Jahre später erschien sein erstes Buch Die Meinungsdiktatur im Coburger Nation-Europa-Verlag, weitere zwei Jahre später veröffentlichte er mit seiner im DS-Verlag in Riesa erschienenen Schrift Deutsche Bausteine: Grundlagen nationaler Politik eine erste programmatische Arbeit. Ab 1998 arbeitete er als Redakteur für die national-freiheitliche Zeitschrift Die Aula in Graz. Der von ihm in diesem Jahr gemeinsam mit Otto Scrinzi herausgegebene Sammelband 1848: Erbe und Auftrag erregte später internationale Aufmerksamkeit, weil sich unter den Autoren auch der Theologe Joseph Ratzinger, der spätere Papst Benedikt XVI., befand.
Um die Jahrtausendwende näherte sich Schwab der NPD an. Er wurde Leiter des »Arbeitskreises Volk und Staat« beim NPD-Parteivorstand und beförderte die Theoriearbeit auch als Redakteur der Deutschen Stimme. Schwab wurde zu dieser Zeit in den Medien gerne als »Chef-Ideologe« der NPD bezeichnet, positionierte sich in wirtschaftspolitischen Fragen – angeregt durch eine intensive Marx-Lektüre – aber zunehmend weiter links. Seine dezidierte Selbstwahrnehmung als sozialistischer Theoretiker war sicherlich einer der Gründe für seinen NPD-Austritt im Mai 2004. Schwab zog es nun vor, ganz an der Vertiefung seiner Ideen zu arbeiten. Im Tübinger Hohenrain Verlag veröffentlichte er zwischen 2002 und 2009 mit den Büchern Volksstaat statt Weltherrschaft, Die ,Westliche Werte-Gemeinschaftʽ. Abrechnung, Alternativen sowie Angriff der neuen Linken eine umfassende Trilogie politischer Theorie.
Novellen, politische Theorie und germanistische Projekte
Dabei griff er auch Gedanken des 2012 verstorbenen Nürnberger Wertkritikers Robert Kurz auf. Dieser hatte in seinen Büchern prophezeit, dass die Dritte Industrielle Revolution der Mikroelektronik und die Anwendung der neuen, postfordistischen Technologien zu einer strukturellen Massenarbeitslosigkeit, globalen Überkapazitäten und einer Flucht des Geldkapitals in den Finanzüberbau mit der Folge der Bildung spekulativer Blasen führt. Schwab teilte diese ökonomische Analyse und sah in der Überwindung des Kapitalismus die Voraussetzung der Wiederherstellung handlungsfähiger Nationalstaaten. Schon 2008 hatte der fränkische Publizist das Netzwerk »Sache des Volkes« initiiert. Dieses veranstaltete insgesamt 16 Arbeitstagungen und unterhielt über viele Jahre hinweg einen eigenen, permanent aktualisierten Blog mit Kommentaren und Artikeln zum Zeitgeschehen. Ein Podium fand der Miltenberger auch in der Theoriezeitschrift hier & jetzt, für die er zahlreiche umfangreiche Texte beisteuerte.

Wenn man Jürgen Schwab damals auf einer Veranstaltung seines Zirkels in der Fränkischen Schweiz traf, gewann man manchmal fast den Eindruck, einem reinkarnierten Ernst Niekisch gegenüberzustehen, der ganz in der Reinheit der Idee aufging. Dabei gab es immer auch den »anderen Schwab« – den Romancier, der die unglaublich leichtfüßigen, selbstironischen und humorvollen Fränkischen Novellen verfasste und der im Arnshaugk Verlag noch eine große germanistische Arbeit über Martin Walser sowie eine Untersuchung über den Autor Jakob Wassermann veröffentlichte. Bei dem Dortmunder Verleger und Aktivisten Sascha Krolzig konnte er in den vergangenen beiden Jahren nicht nur seine Erzählungen, sondern auch ein weiteres großes theoretisches Werk mit dem Titel Zukunft Deutsch veröffentlichen. Einen menschlich unglaublich berührenden Auftritt hatte Jürgen Schwab dann noch im Dezember 2022 beim DS-Netzwerktag in Lauchhammer, als er – schon sichtlich gezeichnet von einer schweren Krankheit – mit seinem stupenden Wissen und seinen überraschenden Einfällen eine Podiumsdiskussion zum Thema Reich, Nationalstaat und Region bereicherte. Es wirkt im Nachhinein fast so, als wollte er sich noch von seinen Freunden und Lesern verabschieden. Am 16. Februar dieses Jahres ist Jürgen Schwab verstorben.
Arne Schimmer