Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj tingelt virtuell durch die Parlamente der „guten“ Staaten. Seine Ansprachen sind maßgeschneidert auf die jeweilige Hörerschaft und doch primitiv – Baukastenreden. Bisher ging das Konzept halbwegs auf, aber die letzte Ansprache vor dem israelischen Parlament war ein Schuss in den Ofen.
Gastbeitrag von Sascha von Aichfriede
Fairerweise muss man zugeben, dass der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj durchaus Standhaftigkeit beweist. Er ist offensichtlich nicht geflohen, harrt in Kiew aus, spricht den Ukrainern Mut zu und tourt wie ein Verkäufer virtuell durch die Parlamente. Ein Leichtgewicht wäre schon in den sicheren Westen geflohen. Und für die Russen ist Selenskyj schon jetzt ein PR-Problem – brächten sie ihn jetzt noch um, würde er zur Überfigur und zum Märtyrer des Widerstands mutieren (was bedeutet, dass die letzten Attentatsversuche wohl eher von der Ukraine inszeniert waren, um den Mythos Selenskyj zu stärken). So viel zum Lob.
Weiterführende Informationen:
Deutscher Schuldreflexbogen: Die Ukraine zieht den Nazijoker
Facebook-Konzern lockert Regeln für »Hassrede«
Jetzt zur Kritik: So gut ist Selenskyj auch wieder nicht. Er ist fleißig, hat jetzt eine Serie an Ansprachen vor den unterschiedlichen nationalen Parlamenten hingelegt – Italien (22.03.), Israel (20.03.), Schweiz (auf einer Demo am 19.03.), Deutschland (17.03.), USA (16.03.), Kanada (15.03.) und so weiter. Aber die Reden wirken primitiv, wie aus Textbausteinen gemacht, in die man einfach Füllwörter einsetzt. Baukastenreden. So könnte die Anleitung zum Redenschreiben aussehen, die Selenskyi benutzt hat:
1. Sag, wie toll du das Land findest, das du adressierst.
2. Finde etwas, das dich persönlich mit dem Land verbindet (z. B. ein Besuch in Berlin, Washington …) oder etwas, das symbolisch für das Land steht.
3. Identifiziere etwas, das dem Land wichtig ist (Freiheit, Wohlstand …).
4. Unterstreiche, dass auch der Ukraine das wichtig ist.
5. Finde entsprechende Analogien (Ist das Land auch schon einmal überfallen worden?).
6. Zeige, wie sehr Russland dieses Wichtige bedroht.
7. Nenne beim Namen, was das Land tun muss, um diese Bedrohung abzuwenden.
8. Unterstreiche erneut, wie sehr die Ukraine leidet (Kinder erwähnen!)
9. Schieb – nach Möglichkeit – noch ein paar Aufrufe und Forderungen nach.
10. Sag brav und pathetisch Dankeschön.
Unsere Empfehlung:
Sehen wir uns die Füllwörter in den konkreten Fällen USA, Deutschland und Israel an1:
USA (US-Kongress) | Deutschland (Bundestag) | Israel (Knesset) | |
1 | „Your great history.“ … „your great nation“. | Nichts Positives über Deutschland. Deutschland muss man nicht loben – nur am Schuldkomplex packen. | Lobt, wie gut die israelischen Waffensysteme sind. |
2 | Rushmore National Memorial, Martin-Luther-King-Rede | Siehe Punkt 5. | Zitiert Worte von Golda Meir; erwähnt das Grab von Rabbi Nachman von Brazlaw in Uman (Ukraine), eine Art Wallfahrtsort der Juden. |
3 | Demokratie, Unabhängigkeit, Verantwortung, Ehrlichkeit, Fleiß | „Babyn Yar that President Steinmeier visited last year.“ Er spricht also NS-Verbrechen an. Wiedergutmachung ist uns wichtig. Und er bringt auch das NS-Schlüsswort „Lebensraum“ („living space“), dass Russland (wie NS-Deutschland) eine Lebensraumpolitik verfolge. | Wunsch nach Sicherheit, Angst vor Genozid. Er arbeitet also mit der Grundangst der Israelis, von Feinden umzingelt zu sein. So, wie die Ukraine. |
4 | „We in Ukraine want the same for ourselves.“ | „I appeal to you on behalf of everyone who has heard politicians say: ‚Never again.‘ And who saw that these words are worthless.“ | „Our people are now scattered around the world. They are looking for security. They are looking for a way to stay in peace. As you once searched.“ |
5 | „Remember Pearl Harbor.“ „Remember September 11th.“ | Er spielt mit dem Analogien nach der Teilung Deutschlands in West und Ost, also Berliner Mauer und Luftbrücke, schürt also Ängste vor dem „bösen Iwan“. Auch die Maueranalogie wird permanent bemüht. | Vergleicht die Gründung der NSDAP mit dem Einmarsch der Russen in die Ukraine. Verwendet auch den Begriff Endlösung analog. |
6 | „Russia has attacked more than just our land and our cities. It went on a brutal offensive against our values. Basic human values.“ | „Russian troops do not distinguish between civilians and military. They don’t care where civilian objects are, everything is considered a target.“ | „You saw Russian missiles hit Kyiv, Babyn Yar. You know what kind of land it is. More than 100,000 Holocaust victims are buried there. There are ancient Kyiv cemeteries. There is a Jewish cemetery. Russian missiles hit there.“ Damit möchte er sagen, dass die Russen nicht wirklich Israels Freunde sind. |
7 | Fordert Waffen, Flugverbotszone, Embargos etc. | Will die Aufnahme in NATO und EU sowie ein Ende deutscher Wirtschaftsbeziehungen mit Russland. | Stellt die rhetorische Frage, warum die Ukraine keine israelischen Waffen bekommt, warum die Sanktionen gegen Russland ausbleiben. |
8 | Spielt ein emotionales Video ab, mit den Bildern vom Krieg. | Das berühmte Theater (Mariupol) wird zum Symbol für die bösen Russen. Kultur (Ukraine) vs. Krieg (Russland). | Sagt, dass die russische Invasion keine reine militärische Operation ist, sondern darauf abzielt, Kinder, Familien und die ganze Kultur auszulöschen. |
9 | „I wish you [Joe Biden] to be the Leader of the world. Being the Leader of the world means to be the Leader of Peace.“ | „Chancellor Scholz! Tear down this wall.“ Eine Anspielung auf Ronald Reagans Rede in Berlin. „Give Germany the leadership you deserve. And what your descendants will be proud of.“ Also wieder die Schuldkomplex-Wiedergutmachungsmasche. | Behauptet zum Schluss, dass die Ukrainer die Juden während des 2. Weltkriegs gerettet hätten. Damit wären die Ukrainer die Gerechten unter den Völkern. Auch hier die Botschaft: „Ihr schuldet uns was!“ |
10 | „Ukraine is grateful to the United States for its overwhelming support” … „Thank you.“ | Bedankt sich allgemein beim deutschen Volk, nicht aber bei den politisch Verantwortlichen. | Bedankt sich für bisher geleistete Unterstützung. |
Weiterführende Informationen:
Giffey-Rede zu Ukraine-Flüchtlingen: Das große Bullshit-Bingo
Wer rot-grün wählte, wählte den Krieg
Verhängnisvolle Verzweiflungstaten
Diese computergenerierten Serienreden Selenskyjs zeigen, wie schlecht es um harte Argumente für die Ukraine steht. Letztendlich kann Selenskyj nur damit aufwarten, dass die Ukraine der Angegriffene ist. Alles dreht sich darum. Natürlich müssen dabei viele Gegenargumente übertüncht werden: Kein Wort also über die eigene Verantwortung für die jetzige Situation, wie die Festlegung auf einen NATO-Beitritt in der Verfassung und die Nichtumsetzung der Minsker Abkommen; kein Wort darüber, dass die Ukraine wegen Korruption und Misswirtschaft ein Failed State ist, der aus genau diesen Gründen nichts in der EU zu suchen hat; kein Wort über die korrupten Beziehungen zwischen der Ukraine und dem Clan von Joe Biden (wir erinnern uns an den Fall Hunter Biden). Das sind nämlich alles Argumente dafür, das eigene Schicksal nicht mit dem der Ukraine zu verbinden.
Während in Deutschland und den USA mit Schuld (böse Deutsche) bzw. Schmeichelei (gute Weltpolizei USA) etwas zu bewegen ist, ging die Holocaust-Analogie bei den Israelis nach hinten los. Und das, obwohl Selenskyj selbst jüdische Vorfahren hat. Seine Vergleiche und Gleichsetzungen zwischen dem russischen Einmarsch und dem Holocaust werden von der jüdischen Gemeinschaft als Anmaßung verstanden2. Ab jetzt könnte es für Selenskyj abwärts gehen – das österreichische Parlament lehnt eine Rede Selenskyjs ab3.
Unsere Empfehlung:
Um die Gunst Israels wirbt die Ukraine schon lange. Der vorherige ukrainische Präsident Petro Poroschenko sagte in einer Ansprache vor der Knesset (23.12.2015): „Ich hörte einmal einen Reisenden am Flughafen in Kiew scherzen: ‚Ist Kiew-Tel Aviv ein internationaler oder ein Inlandsflug?‘ Man sagt, in jedem Witz steckt ein Körnchen Wahrheit. Es gibt so vieles, was unsere Völker verbindet!“4 Die Anbiederungsversuche gehen noch weiter:
„Eine ukrainisch-jüdische Zusammenarbeit wollte der Kreml nicht. Aber, während der Inhaftierung in den GULAG-Slums, kämpften ukrainische und jüdische Dissidenten gemeinsam für Freiheit und Befreiung vom Sowjet-Totalitarismus. Es gab gute Gründe, warum die Moskauer Propaganda sowohl Zionisten als auch sogenannte ukrainische bürgerliche Nationalisten beschuldigte, zusammen und im Geheimen die Zerschlagung der UdSSR zu betreiben.“
Damals schon mochten sich viele Israelis gedacht haben, ob dieser Mann die Geschichte nicht kennt, und wie wichtig und verdienstvoll Juden am Aufbau des Sowjetkommunismus mitgewirkt haben. Wir wissen es nicht genau – aber die Israelis waren klug genug, eher auf einen Ausgleich mit Russland zu achten, als mit dem Pulverfass Ukraine. Und wir würden auch gut daran tun, die Ukraine nicht künstlich zum futuristischen Idealstaat hochzuloben, in dem die Helden geboren werden, sozusagen ein „lohnendes Investment“.
1 https://www.president.gov.ua/en/news/speeches (Aufruf: 21.03.2022).
2 https://www.juedische-allgemeine.de/israel/zustimmung-und-kritik/ (Aufruf: 22.03.2022).
3 https://www.spiegel.de/ausland/oesterreich-will-wolodymyr-selenskyj-nicht-im-parlament-sprechen-lassen-aus-neutralitaetsgruenden-a-352fee2b-36f1-48d9-947d-6f5444017bd9 (Aufruf: 22.03.2022).
4 https://ukrainianjewishencounter.org/en/news/speech-of-the-president-of-ukraine-in-the-israeli-knesset/ (Aufruf: 22.03.2022).