Mit dem virtuellen G20-Gipfel war erstmals, seitdem der Ukraine/Russland-Konflikt militärisch eskalierte, der russische Präsident Wladimir Putin an einem internationalen Treffen zugeschaltet, an dem auch westliche Staatschefs teilnahmen. Einlader war Indien, das derzeit den G20-Vorsitz innehat. Demnächst geht der Vorsitz auf Brasilien über, das ebenfalls Mitglied der BRICS-Allianz ist, zu der auch Russland zählt. Weniger Aufmerksamkeit als der die G20 erhielt das ebenfalls virtuell abgehaltene außerordentliche BRICS-Gipfeltreffen, das am Vortag zur G20 stattfand.
Sascha A. Roßmüller
Beim physischen Anwesenheitstreffen im September war Russland noch durch Außenminister Sergei Lawrow vertreten, doch beim virtuellen Gipfel der G20 am 22. November aus Anlass des Abschlusses der indischen Präsidentschaft schaltete sich der russische Präsident höchstpersönlich zu.
Wenngleich es auch vordringlich um wirtschaftliche Belange gehen sollte, überraschte es nicht, dass die westlichen Vertreter Putin zuallererst mit Blick auf deren (acht Jahre Donbass ausblendenden) Alleinschuldthese bezüglich des Ukraine-Krieges konfrontierten. Der russische Staatschef erinnerte in diesem Zusammenhang daran, dass in der Ukraine Friedensgespräche per Präsidialdekret verboten worden seien, während Russland solche nie abgelehnt habe, und führte u.a. weiter aus:
„Ja, natürlich sind Militäraktionen immer eine Tragödie […] Und der blutige Umsturz in der Ukraine im Jahr 2014, gefolgt vom Krieg des Kiewer Regimes gegen sein Volk im Donbass? Erschüttert das nicht? Die Vernichtung von Zivilisten in Palästina, im Gazastreifen, heute, erschüttert die nicht? […]“
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Doppelmoral des Westens
Auch mit Blick auf den Nahen Osten scheiden sich die Geister zwischen dem Westen und den multipolaren Machtzentren. So erklärte Dr. Anuradha Chenoy, Professorin an der Jawaharlal Nehru Universität:
„Amerikas ungezügelte Unterstützung für die israelische Aggression in Gaza hat den globalen Süden an die „Doppelmoral“ des Westens bei der Bewertung internationaler Konflikte und die Bedeutungsleere von Washingtons Rhetorik über eine „regelbasierte internationale Ordnung“ erinnert.“
Zum eigentlichen Thema der G20 der Wirtschaft äußerte Putin seinerseits Kritik in Richtung Westen, indem er feststellte: „Der kolossale Stress, den die Weltwirtschaft erlebt, ist eine direkte Folge der schlecht durchdachten makroökonomischen Politik einiger Staaten. Unter anderem derjenigen, die mit dem Kampf gegen die Pandemie gerechtfertigt wurden. Die Injektion von Billionen von Dollar und Euro in die Wirtschaft, in das Bankensystem, hat zweifellos einen Anstieg der weltweiten Inflation, einen rapiden Anstieg der Lebensmittel- und Energiepreise ausgelöst.“
„Waffenverkauf an Israel einstellen“
Südafrika, das im Jahr 2023 den BRICS-Vorsitz führt, hatte bereits für den Vortag, dem 22. November, eine virtuelle außerordentliche Sitzung einberufen, um konkret die Lage im Nahen Osten und insbesondere in Gaza zu erörtern. Besonders scharfe Kritik an Israel kam von Südafrikas Staatspräsident Cyril Ramaphosa und dem ebenfalls teilnehmenden Iran, der dem BRICS-Bündnis voraussichtlich zum Jahreswechsel beitreten wird. Der iranische Präsident Ebrahim Raisi forderte seine Amtskollegen auf, Israel als „Terrororganisation“ zu brandmarken. Der ebenfalls zugeschaltete saudische Kronprinz Mohammed bin Salman appellierte seinerseits an die internationale Gemeinschaft, den Waffenverkauf an Israel einzustellen.
Überdies nahmen Argentinien, Ägypten, Äthiopien, sowie die Vereinigten Arabischen Emirate am BRICS-Sondergipfel teil. Russlands Präsident Wladimir Putin erklärte, die BRICS-Gruppe könne zu einer „politischen Lösung“ des Konflikts beitragen. Eine Haltung, die sich mit der Chinas deckt, forderte doch Xi Jinping in Einklang mit zahlreichen UN-Resolutionen erneut die Zwei-Staaten-Lösung:
„Ohne eine gerechte Lösung der Palästina-Frage kann es keine Sicherheit im Nahen Osten geben. Ich habe bei vielen Gelegenheiten betont, dass der einzige gangbare Weg, den Kreislauf des palästinensisch-israelischen Konflikts zu durchbrechen, in einer Zweistaatenlösung, in der Wiederherstellung der legitimen nationalen Rechte Palästinas und in der Errichtung eines unabhängigen Staates Palästina liegt.“
US-Monopolisierung von Verhandlungsprozessen
Die ununterbrochene Gewalt sei das Ergebnis der „Monopolisierung“ des Verhandlungsprozesses durch Washington und der Blockade des Nahost-Quartetts internationaler Vermittler – zu dem neben den USA auch Russland, die UNO und die EU gehören – sich nicht einzubringen und Friedenslösungen vorzuschlagen, analysierte Wladimir Putin auf der BRICS-Konferenz.
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„Die BRICS-Staaten verfügen über erheblichen wirtschaftlichen und politischen Einfluss auf der Weltbühne“, erklärte der Politikwissenschaftler und Generaldirektor der Programme für strategische Studien und nationale Sicherheit an der Naif Arab University for Security Sciences, Dr. Hesham Alghannam, und führte weiter aus:
„Ihr Hauptziel ist es, die klare Botschaft zu vermitteln, dass die Feindseligkeiten gegen den Gazastreifen eingestellt werden müssen, und zu betonen, dass der langjährige Konflikt zwischen Palästinensern und Israelis im Einklang mit der arabischen Friedensinitiative gelöst werden sollte.“
Immer deutlicher zeigt sich, dass das weltpolitische Kartenspiel nicht mehr nur aus US-amerikanischen Trümpfen besteht, sondern mehrere Spieler an der globalen Tafel ein interessantes Blatt in der Hand haben. Es bleibt nur zu hoffen, dass sich die Akteure ihre Karten so zuspielen, dass am Ende eine konfliktfreie Zufriedenheit herrscht.
Eine Antwort
Ob man annehmen muß, das Russland Sanktionen gegen Israel erlassen wird ? Ich vermute eher nicht. Man möchte doch die guten Beziehungen nicht zerstören… Die Kritik von Russland ist doch mehr Show, um sich weltpolitisch zu profilieren. Auch die Israelis machen das, was sie am Besten könne: Unschuldiges Opfer spielen, dem die Vernichtung droht. Die irre gemachten christlich Gläubigen fallen darauf natürlich auch darauf rein.