Das Schöllkraut (Chelidonium majus) gehört zur Familie der Mohngewächse, der aus nachvollziehbaren Gründen mit Argwohn begegnet wird. Dennoch bildet es wie seine Verwandten eine der Basispflanzen für traditionelle Arzneimittel.
Vieles am Schöllkraut erinnert an seine Familie: die Blüten mit vier Blütenblättern, die Kapselfrüchte in länglicher Schotenform sowie der reichlich vorhandene Milchsaft, der bei dieser Art gelb-orange, bei Klatsch- oder Schlafmohn jedoch weiß ist. Sein Name geht auf mittelhochdeutsch Schëlkrūt, genannt auch Schëlwurz, zurück. Neuere Namen sind Nagelkraut, Schindwurz oder Warzenkraut.
Ines Schreiber
Steckbrief
Die krautige Pflanze wirkt zierlich, sie wächst in Büscheln und bildet 30 bis 50 cm lange, verzweigte Stiele und bildet eine mehrjähriger Wurzel aus. Die Blätter erscheinen in blassem grün-grau mit abgerundeten und tief eingeschnittenen Fiederblättchen. Die leuchtend gelben Blüten stehen in kleinen Dolden.
Vorkommen
Ursprünglich war Schöllkraut in den gemäßigten Gebieten Eurasiens sowie im Mittelmeerraum weit verbreitet. Nach Nordamerika wurde es von Siedlern mitgenommen, die es als Heilmittel bei Hautkrankheiten verwendeten.
Als stickstoffliebende Art wächst es verbreitet in der Nähe menschlicher Wohnstätten, etwa auf Schuttplätzen, an Wegesrändern und sogar in Mauerspalten, jedoch auch im Gebirge.
Für viele Insekten ist Schöllkraut eine willkommene Pflanze und ist daher als Bienenweide zu empfehlen. Darüber hinaus verspeisen Ameisen gerne die angehängten Öltropfen der Samen. Dazu verschleppen sie die Samen bis zum Ameisenbau und tragen somit zur Verbreitung der Pflanzen bei.
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Auf manche Tiere wirkt frisches Schöllkraut stark giftig. Vergiftungsfälle seien wegen des unangenehmen Geschmacks der Pflanze jedoch selten.
Wundermittel oder Gift?
Das Schöllkraut enthält eine Reihe von Alkaloiden, von denen über zwanzig chemisch identifiziert wurden. Sie sind sowohl in den oberirdischen Teilen der Pflanze als auch in der Wurzel vorhanden. Im Herbst konzentrieren sie sich in der Wurzel, die dann hochgiftig wird. Ferner enthält Schöllkraut proteolytische (Eiweiß abbauende) Enzyme im Milchsaft. Weitere Inhaltsstoffe der Pflanze sind organische Säuren wie Apfel-, Zitronen- und Chelidonsäure sowie Kaffeesäureester und Flavonoide.
In der Volksmedizin wird der Saft der Pflanze äußerlich zur Bekämpfung von Warzen verwendet, was auf zytotoxische (bewirkt bei bestimmten Zielzellen einen Zelltod) Benzophenanthridinalkaloide zurückzuführen ist. Die Blätter sollen zur Heilung von Nagelgeschwüren beitragen. Als Saft gilt das Schöllkraut ein Mittel gegen Darmwürmer.
Die Legenden, die um das Schöllkraut und seinen Milchsaft existieren, sind teilweise abenteuerlich. Für Alchemisten war das Schöllkraut eine Gabe des Himmels, mit dessen Hilfe sie den Stein der Weisen finden wollten.
Der lateinische Name Chelidinium geht auf einen anderen Glauben zurück: Er leitet sich vom griechischen Begriff chelidon (Schwalbe) ab. Diese gaben den ätzenden Safttropfen angeblich auf die Augenlider ihrer Jungen, damit diese die Augen öffneten. Seither rühmte man das Schöllkraut dafür, den Blick klarer zu machen. Die mittelalterliche Medizin leitete die heilende Wirkung des Schöllkrauts bei Lebererkrankungen von der ähnlichen Farbe seines Milchsafts und den Hautsymptomen der Gelbsucht ab.
Der Volksglaube griff diese Ansicht auf und Schöllkraut wurde häufig derart unüberlegt verwendet, dass es schwere Leber-Zirrhosen auslöste. Daraus zogen einige moderne Autoren den Schluss, der Milchsaft des Schöllkrauts könne bei Einnahme sogar zum Tod führen, was die Heilpflanze in Verruf brachte.
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Zweifellos bergen die im Milchsaft enthaltenen Alkaloide ein gewisses Risiko, das aber, wie so häufig, von der falschen Dosierung ausgeht – wovor schon Paracelsus warnte:
»Alle Dinge sind Gift, und nichts ist ohne Gift; allein die Dosis machts, dass ein Ding kein Gift sei.«
Die medizinischen Eigenschaften sollten in diesem Sinne objektiv behandelt werden. Dennoch ist – von der äußerlichen Anwendung bei Warzen abgesehen – von einer Selbstbehandlung abzuraten. Beim Umgang mit der Pflanze sollten vorsorglich Handschuhe getragen werden – die Milch könnte allergische Reaktionen auslösen!