Der Krieg der Russen gegen die Ukraine läuft nicht gut. Er dauert viel zu lange. Die Schwächen der russischen Armee verleiten manche im Westen zu Abenteuern. Vor achtzig Jahren lief ein anderer Krieg der Russen (damals Sowjetunion) schlecht – und die Deutschen zogen daraus die falschen Schlüsse.
Gastbeitrag von Sascha von Aichfriede
Der Krieg in der Ukraine läuft für Russland nicht nach Plan. Viele offizielle und inoffizielle Medien des Westens halten Russland für einen Schwächling, der seinen Ruf als ernst zu nehmende Militärmacht in den letzten Jahren gegen kleine Aufbaugegner erarbeitete, wie den IS in Syrien. Das drohende Scheitern in der Ukraine sehen viele westliche Politiker als Anlass, noch engagierter an der Seite der Ukraine aufzutreten.
Weiterführende Informationen:
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Ukraine mehr Opfer der NATO als Russlands
Jens Pühse: »Solidarität mit dem ukrainischen Volk – Das Gebot der Stunde«

Parallelen zum Winterkrieg 1939/40
Die Situation trägt Parallelen zum Winterkrieg 1939/40: Damals überfiel Stalins Sowjetunion das Nachbarland, weil die Finnen bei Verhandlungen über Grenzkorrekturen nicht kooperativ war. Der Hitler-Stalin-Pakt verleitete die Sowjetunion, eine militärische Lösung zu suchen. Und die war ein Desaster.
Die Finnen wehrten sich sehr effektiv gegen die zahlenmäßig weit überlegene Rote Armee. Im Westen stand die öffentliche Meinung an der Seite der Finnen, die mit Waffen, Geld, Nahrungsmitteln und auch ausländischen Freiwilligen unterstützt wurden. Über den UNO-Vorläufer Völkerbund stießen die USA Sanktionen gegen die Sowjetunion an, die aber wirkungslos blieben. Die Situation war also nahezu identisch: Was heute die Ukrainer sind, waren damals die Finnen. Dennoch suchten die Finnen bei Stalin um Frieden nach, da die finnische Armee erschöpft war. Sie errang jedoch einen Achtungserfolg – der Friedensschluss im März 1940 resultierte in den von der Sowjetunion gewünschten Grenzkorrekturen.
Weiterführende Informationen:
Nord Stream: Ein unglaublicher Anschlag
US-Denkfabrik: Wie die Ukraine schöngeredet wird
Ukraine: Die „Freunde“ sind zurück
Kriegsgefahr durch mangelnde Souveränität

Deutsche Fehleinschätzung als Folge
Und noch eine Parallele: Die militärischen Misserfolge der Sowjetunion in Finnland sowie der Mangel an Fachpersonal nach den stalinistischen Säuberungen verleiteten Adolf Hitler und seine Gefolgsleute zu einer Fehleinschätzung, nämlich dass sie ein leichter Gegner sei. Das Unternehmen Barbarossa unterstellte, dass die Sowjetunion spätestens nach siebzehn Wochen mit der Einnahme Moskaus fallen würde. Eine unserer grandiosen Fehleinschätzungen, gleich nach „die Atombombe kann man nicht bauen“ und „Enigma ist nicht zu knacken“. Heinrich Himmler hierzu in seiner berühmten Posener Rede am 4.10.1943:
„Als – ich glaube, es war 1937 oder 1938 – in Moskau die großen Schauprozesse stattfanden und der ehemals zaristische Fähnrich und spätere bolschewistische General Tuchatschewski und andere Generäle erschossen wurden, da waren wir in ganz Europa, auch wir in der Partei und in der SS der Ansicht, dass damit das bolschewistische System, dass damit Stalin einen seiner größten Fehler begangen hätte. Wir haben uns in dieser Beurteilung der Lage absolut getäuscht. Das können wir wahrheitsgetreu einmal feststellen. Ich glaube, Russland hätte die zwei Jahre Krieg – und es steht jetzt im dritten Kriegsjahr – nicht durchgehalten, wenn es die früheren zaristischen Generäle behalten hätte.“
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Hybris immer noch vorhanden
Und heute haben wir die Kriegstreiber wieder in unseren Reihen, und sie sitzen im Falle Deutschlands vor allem in der grünen Partei. Leute, die meinen, ein Krieg sei durchaus zu gewinnen und man könne ihn riskieren.
Eines darf man nicht vergessen – der Kampf ist eine mentale Sache. Wir wissen nicht, welche Kräfte geweckt werden, wenn es für die Russen nicht mehr gegen ein ukrainisches Brudervolk geht, sondern wenn die NATO einen Osterweiterungsfeldzug führt. Ja, die Sowjetunion konnte sich in den Jahren 1941–1945 nur dank der amerikanischen Militär- und Wirtschaftshilfe gegen das Deutsche Reich über Wasser halten. Und dennoch entwickelten sie auch aus sich selbst heraus Fähigkeiten – auch dies musste Heinrich Himmler in seiner Rede eingestehen. Man darf einen Gegner nie unterschätzen. Der Ukrainefeldzug funktioniert derzeit nicht in den Köpfen der russischen Massen. Hinzu kommt eine russische Wirtschaft, die technologisch nicht autark ist und einen Abnutzungskrieg nicht abbilden kann. Aber diese Parameter können sich ändern, vor allem mithilfe der Zweckbündnisse mit Rotchina, Indien und dem Iran.
Zurückhaltung bleibt geboten.