Bürgerräte – ein trojanisches Pferd?

Ob Klima, Ernährung oder andere Gegenwartsprobleme – immer häufiger werden Bürgerräte als Allheilmittel ins Gespräch gebracht. Den Start machte ein Prototyp unter dem Motto »Mehr Demokratie«. Ein weiterer, der sich mit »Deutschlands Rolle in der Welt« beschäftigt, folgte ab Januar 2021. Dabei hatten 160 zufällig ausgewählte Bürger den Abgeordneten des Bundestages Vorschläge zum jeweiligen Thema unterbreitet.

Stefan Paasche

»Bürgerlotterie im Bundestag«

Heute ist es soweit: Bundestagspräsidentin Bas lost 160 vorausgewählte Personen für einen vom Bundestag beschlossenen Bürgerrat zum Thema »Ernährung im Wandel: Zwischen Privatangelegenheit und staatlichen Aufgaben« aus. Im Ergebnis der Diskussionen soll ein Gutachten mit Handlungsempfehlungen einstehen. Zum Ablauf des Verfahrens:

»Bas hatte Mitte Juni knapp 20.000 zufällig ausgeloste Bürgerinnen und Bürger aus 82 ebenfalls per Zufall bestimmten Gemeinden zur Teilnahme eingeladen. Gut 2000 zeigten Interesse. Ein Algorithmus ermittelte 1000 mögliche Zusammensetzungen eines Bürgerrates, die den vorgegebenen Kriterien entsprechen. Bas zieht nun aus diesen 1000 möglichen Varianten einen Bürgerrat.«

Quelle

Weiterführende Informationen:

Horrorszenario in grün

Post an die DS: Robert Habecks Pläne

Graichen-Clan im Wirtschaftsministerium: Das grüne Ding aus dem Compliance-Sumpf

Vorspiel zum Heizungsverbot

Mitte 2022 mündeten die Beratungen eines solchen Bürgergremiums zum Thema »Wie gestalten wir Klimapolitik: Gut für uns, gut für unsere Umwelt und gut für unser Land?« in einem Podiumsgespräch mit dem damaligen Staatsekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz Dr. Patrick Graichen, das unter der Überschrift »Wie viel Bürgerrat steckt in der Klimapolitik der Bundesregierung?« lief.

Große Wellen hat diese Sendung nicht geschlagen. Und dies, obwohl darin bereits das Verbot des Einbaus von Heizungen auf fossiler Grundlage für 2024 angekündigt wurde. Ab 12:40 wird eine der Forderungen des Rates vorgestellt:

»Die Bürger wollen viel stärker, dass es den fossilen Energieträgern an den Kragen gehen soll, und zwar ein Einbauverbot für Öl- und Gasheizungen für 2024 und 2026. Warum machen Sie das nicht?«

Dr. Patrick Graichen antwortete:

»Ich will mal sagen, da sind wir nah dran, weil im Koalitionsvertrag stand noch zum 01.01.2025 muss jede neue Heizung 65 Prozent Erneuerbaren-Anteil haben. Das haben wir jetzt im Zuge der Energiekrise, die der Russland-Ukraine-Krieg ausgelöst hat, noch mal um ein Jahr nach vorne gezogen. Das heißt, ab 01.01.2024 soll jede neue Heizung, die eingebaut wird, mindestens 65 Prozent Erneuerbare haben. In aller Praxis heißt das, das das dann eine zu 100 Prozent Erneuerbaren-Heizung sein muss. Das ist dann die Wärmepumpe in der Regel im Einfamilienhaus.«

Zu den weiteren Empfehlungen des Bürgerrates zählten das Verbot von Verbrenner-Motoren ab 2027, Tempolimits innerorts 30 km/h, auf der Autobahn 120 km/h, ein Abbau der Subventionen wie der Kilometerpauschale, die Senkung des Fleischkonsums um 50 Prozent und die Unterstützung von »Bürgerenergien«, womit die Beteiligung an der Gewinnung »erneuerbarer Energien« gemeint ist.

Wer es nicht glauben mag, hier eine Aufzeichnung der Sendung:

Der »Bürgerrat« also war es, der die unrealistische, ja kriminelle Vorgehensweise dieser grün geführten »Fortschrittskoalition« vorantreiben wollte. Dr. Graichen ist übrigens später über ganz andere Dinge gestolpert.

Doch wie ist die Idee, Bürgerräte einzurichten, überhaupt entstanden? Im Januar 2021 hatte sich die DS warnend mit diesem Thema beschäftigt:

Vorgeschichte

Zur Vorbereitung des ersten Bürgerrates wurden 1000 Personen über vier Einwohnermeldeämter (Chemnitz, Freising, Lübeck, Völklingen) »zufällig ausgelost« und offiziell angeschrieben. 140 sagten ab und nur 115 bekundeten »starkes Interesse« an den insgesamt 24 Plätzen. Die anderen 745 meldeten sich nicht zurück – kein Wunder, hielten auch spätere Mitglieder des Rates das Anschreiben zunächst für einen Scherz!

In mehreren europäischen Nachbarländern gibt es diese Gremien schon länger, so u.a. in Frankreich, wo sie Präsident Macron als Reaktion auf die Proteste der Gelbwesten einberief: »Der Bürgerrat muss unbedingt eine dritte Kammer zum Parlament werden!« Bekommt die Demokratie damit endlich den Anschub, den sie schon lange braucht?

Ein Feigenblatt etablierter Politik

Ein Blick auf die Politiker, die hierzulande das Projekt unterstützen, lässt Skepsis aufkommen. So begründet Bundestagspräsident Schäuble sein Engagement mit der Sorge: »Überall, wo in Europa und in Nordamerika unsere westliche Demokratie existiert, erleben wir eine abnehmende Bindekraft dieses Modells.« Das stimmt – für einen Abgeordneten, der seit 1972 im Bundestag sitzt und dessen Biographie zahlreiche Ministerposten (und Skandale) aufweist, gab es genug Gelegenheiten – wie den Einigungsvertrag – um einzugreifen. Nichts davon ist geschehen!

Wie zu erwarten macht sich auch eine Katrin Göring-Eckardt (Grüne) für die Bürgerräte stark, möchte »mehr Leute in politische Entscheidungen« einbeziehen. Ihre eigentliche Stoßrichtung wird klar, wenn sie anschließend moniert, dass an Bürgerversammlungen bislang »meist ältere Herren« teilnähmen.

Noch lieferbar:

Organisiert wurde der erste bundesweite Bürgerrat von der Schöpflin Stiftung (»Wir setzen uns ein für kritische Bewusstseinsbildung, eine lebendige Demokratie und eine vielfältige Gesellschaft.«), dem Beteiligungsunternehmen IFOK (»Wie bringen wir mehr Menschen in Baden-Württemberg aufs Fahrrad?«) und dem Nexus-Institut, dass sich auch um Themen wie »Transport und Logistik in der Stadt der Zukunft grün und nachhaltig gestalten« kümmert. Zufall?

Es ist schließlich auch kaum vorstellbar, dass die Auswahl der Kandidaten wirklich zufällig vonstatten geht. Das beginnt mit der Gestaltung des Anschreibens, welcher Personenkreis es wahr- und ernstnimmt. Die gegenderte Schreibweise stößt bei vielen Menschen auf Befremden und erweckt den Eindruck: »Die wollen doch Leute wie mich nicht!« Es ist auch kaum damit zu rechnen, dass konservativ oder national ausgerichtete Bürger in die Auswahl gelangen – dafür gibt es einfach zu wenige. Und wenn sich doch einer meldet – was dann?

Solange die Aussage Horst Seehofers (CSU) »Diejenigen die entscheiden, sind nicht gewählt und diejenigen die gewählt werden, haben nichts zu entscheiden!« (Pelzig) gilt, können neuartige Gremien, seien sie auch noch so gut gemeint, wenig an den herrschenden Zuständen ändern.

Weiterführende Informationen:

Die Grünen und die Globalisten – ein eigenartiger Schulterschluss

Wochenrückblick: Grün, grün, grün sind alle Ihre Lügen

Grüne an der Macht: Von Größenwahn und Symbolpolitik

Fazit

Laut Bas sei ein entscheidender Vorteil eines Bürgerrats dessen »repräsentative Zusammensetzung«. Dort kämen Menschen zusammen, die sich vorher nicht kennen würden.

Wir müssen nach den bisherigen Erfahrungen ergänzen: Die angeblich unabhängigen Bürgerräte liefern letztlich genau die Empfehlungen ab, die von den Herrschenden auch gewollt sind. Beim heute angeschobenen Rat zum Thema »Ernährung im Wandel« dürfte das nicht anders werden.

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