Macrons Bodentruppenvorstoß: Ist der Krieg bald zu Ende?

Am Ende einer Ukraine-Hilfskonferenz in Paris schloss Frankreichs Präsident Emmanuel Macron den Einsatz von Bodentruppen in der Ukraine nicht aus. „Nichts sei ausgeschlossen, um einen russischen Sieg in der Ukraine zu verhindern“, sagte er. Einen Krieg zwischen NATO und Russland wegen der Ukraine? Wohl kaum. Es geht viel mehr um eine Verbesserung der strategischen Lage der Ukraine. Die ist nämlich am Ende.

Gastbeitrag Sascha von Aichfriede

Der Westen hat die Russen (wie so oft) unterschätzt: Man dachte sich in Washington, der Ukrainekrieg ließe sich ein Jahr oder vielleicht zwei am Leben halten, und ihn für die Russen unwirtschaftlich machen. Mit Sanktionen und Militärhilfe. Ein Rückzug aus dem Krieg hätte den russischen geopolitischen Ambitionen ein Ende gesetzt. Endlich hätten die Amerikaner wieder in Ruhe ihre Regime Changes durchführen können, wie den in Libyen oder Syrien, den die Russen durchkreuzten. Einer weniger, der ihnen beim blutigen Handwerk dazwischenfunkt. Bleiben nur noch die Chinesen – die Europäer sind ohnehin nur Handlanger. Am Ende könnte sogar das Putin-Regime zusammenbrechen und Russland sich in einem Bürgerkrieg selbst zerfleischen. Blaupause Afghanistankrieg – an diesem rieb sich das Sowjetregime auf. So weit der Plan der Amerikaner.

Russische Resilienz besser als erwartet

Die Russen haben sich aber hervorragend an das ohnehin verlogene Sanktionsregime des Westens angepasst, haben sich neue Handelspartner gesucht. Sie haben Zulieferer gewonnen, die sich selbst vom Westen gegängelt fühlen oder mit ihm konkurrieren: China, Iran, Nordkorea und andere. Russland ist langsam in der Anpassung, aber stetig.

Geldgrab Ukraine

Dem IfW Kiel nach haben die EU, USA und sonstige Länder zusammen etwa 250 Mrd. Euro Hilfen an die Ukraine geleistet. Dazu kommt der volkswirtschaftliche Schaden durch Sanktionen. Für Deutschland dürfte dieser ebenfalls im dreistelligen Milliardenbereich liegen. Und dennoch ist kein Ende des Krieges in Sicht.

Strategische Lage der Ukraine hat sich verschlechtert

Die übliche Rede westlicher Kriegshetzer ist, dass die Unterstützung der Ukraine deren Widerstand gegen Russland stärken würde, dass diese zu einem für die Ukraine vorteilhafteren Ende führen würde. Aber das ist eine Fehleinschätzung. Die Verhandlungsposition der Ukraine wird jeden Tag schlechter und die der Russen besser. Die Friedensbedingungen, die in Istanbul im März 2022 erreichbar gewesen wären, sind nun in weite Ferne gerückt. Jetzt kann die Ukraine den Krieg nicht mehr teuer machen – er ist es schon. Im März 2022 war es noch ein Verhandlungspfund.

Weiterführende Informationen:

Der Winterkrieg 1939/40: Die Parallelen zum Ukrainekrieg

DS 2016: NATO verschärft Eskalationsstrategie gegen Moskau

Ukraine mehr Opfer der NATO als Russlands

Strategische Lage der Ukraine hat sich verschlechtert

Der Westen müsste in den nächsten Wochen Unsummen an Finanzmitteln mobilisieren, sicherlich weitere 100 Milliarden Euro, um die Ukraine wieder in die Offensive zu bringen; ganze Geschwader an Jagdflugzeugen, der Luftverteidigung und Panzerdivisionen müssten an die Ukraine überstellt werden. Und das wäre erst der Anfang.

Das könnte sogar so weit gehen, dass die Ukraine mit dem Geld Söldner in der Zweiten und Dritten Welt einkauft, weil der Westen männliche ukrainische Flüchtlinge nicht zwangsweise an die Ukraine überstellen will, der Ukraine aber die Soldaten ausgehen. Aber das alles wird nicht passieren. Es wäre kein Freiheitskampf der Ukrainer mehr, sondern ein Schlachtfeld komplexer Blockinteressen, ähnlich dem Dreißigjährigen Krieg auf deutschem Boden. Unterstützungsmüde ist der Westen allemal; gerade die USA haben das Interesse verloren. Trump wird das Geldgrab Ukraine im Wahlkampf ausschlachten. Und die EU-Länder möchten das Geld nicht alleine ausgeben, haben es auch nicht.

Macrons Vorstoß

Vor diesem Hintergrund ist Macrons Vorstoß zu sehen, den Einsatz von NATO-Bodentruppen in der Ukraine ins Spiel zu bringen. Es geht gar nicht darum, dies tatsächlich zu erwägen. Dieser Einsatz wäre nicht vermittelbar, weder militärisch noch rechtlich. Die NATO ist gut darin, Bananenrepubliken zu bomben, wenn sie nicht spuren. Aber Russland? Nein. Hier könnte das Kalkül der Franzosen sein, der Ukraine rhetorisch den Rücken für Verhandlungen zu stärken. Das heißt: Es wird möglicherweise bald zu Verhandlungen kommen. Und weil die Ukraine durch die Fehleinschätzungen des Westens zu lange im Krieg gehalten wurde (also durch die Biden-Regierung), werden diese kein Siegeszug für Kiew sein. Daher sollen sie mit dem Gefühl in die Verhandlungen gehen, dass, wenn die Russen zu gierig werden, es sich die NATO noch einmal überlegen könnte.

Weiterführende Informationen:

Lithium als Grund für den Ukrainekrieg? Eher nicht.

Kriegsgewinnler USA – Rezession und Inflation für den Rest der Welt

Jahreswirtschaftsbericht und Rezession: die FDP als Retter der Nation?

Es wird Zeit für ein Ende

Der Krieg muss enden. Selbst in der Ukraine haben die Menschen nicht mehr das Gefühl, für sich selbst zu kämpfen. Auch dort macht sich Kriegsmüdigkeit breit. Die „Berliner Zeitung“ schreibt:

„Die Unterstützung für den ukrainischen Präsidenten schwindet; nach Umfragen sind es noch circa 20 Prozent. Es fehlt an Soldaten, Waffen und Munition. Vor allem: Sehr viele Ukrainer fühlen sich inzwischen von der Nato in den Krieg hineingetrieben und dann hängen gelassen. Das gilt naturgemäß nicht für die Regierung selbst, die Geheimdienste und die radikalen Nationalisten, die an Schaltstellen von Kultur und Politik sitzen. […]

Die Müdigkeit zeigt sich an den vielen, die sich dem Kriegsdienst entziehen. Allein in Deutschland befinden sich an die 200.000 Ukrainer. Sie wollen nicht Kanonenfutter für einen Krieg sein, der – wie sie erkennen müssen – so nicht hätte geführt werden brauchen und den man hätte früh beenden können. […] Die ukrainischen Verhandlungsführer betonen inzwischen offen, dass es im März und April 2022 in Istanbul sehr weit gediehene Friedensverhandlungen zwischen Ukrainern und Russen gegeben hatte und dass es nicht an ihnen oder an Selenskyj gelegen habe, wenn es damals nicht zu einer Einigung kam. Sondern an der Haltung der Briten und der Amerikaner, denen sich dann die anderen in der Nato angeschlossen hätten.“1

Dieses Fazit können wir unterschreiben. Interessant ist nur, warum gerade die ressourcenreichen USA permanent Kriege oder kriegsähnliche Interventionen organisieren, die meist anders ausgehen als gedacht? Afghanistan, Irak, Syrien, Libyen … Ukraine. Dafür gibt es einen ganzen Blumenstrauß an Gründen:

  • Selbstüberschätzung/Fehleinschätzung anderer
  • Unerwartete Stärke geopolitischer Rivalen
  • Interesse der einflussreichen Rüstungsindustrie und ihrer Berater- und Lobbyorganisationen an bewaffneten Konflikten (der Krieg an sich ist wichtig, nicht der Sieg, weil Rüstungsgüter verkauft werden können)
  • Glaube, dass historische Erfahrungen repliziert werden können … die Modelle Deutschland, Japan und Südkorea möchten die Amerikaner auf andere Länder ausrollen: Land komplett zerstören und nach eigenem Bauplan neu aufbauen
  • Demokratie: Kosten eines Krieges müssen sich vor einem Wahlvolk rechtfertigen und das setzt budgetäre und zeitliche Grenzen, die im Falle der Ukraine überschritten sind

Sascha von Aichfriede:


1  https://www.berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/ukraine-krieg-eine-politische-loesung-ist-ueberfaellig-li.2188599

Anmerkung der Redaktion: Die Analyse des Autors unterstellt ein rationales Handeln der Akteure. Leider aber handeln Menschen nicht immer rational und die politischen Entscheider des Westens sind auch nur Menschen. Die machen Fehler und schätzen Lagen falsch ein. Dass sie zu einer Fehleinschätzung fähig sind, haben sie ja mit Russland bewiesen, das auch nach zwei Jahren Krieg nicht im Ansatz schwächelt. Entgegen der permanenten Propaganda, die sich lange Zeit über Russland lustig machte. Das Lachen ist dem Westen mittlerweile vergangen. Macrons Äußerungen können ein Verhandlungskalkül sein, genauso aber auch ein Zeichen der Ratlosigkeit.

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Eine Antwort

  1. Man sollte das nicht zu „negativ“ sehen. Die Ukraine soll doch in der nächsten Zeit etliche F16 Flugzeuge bekommen. Natürlich werden die ihr praktisch nicht viel nützen, wie zu lesen ist, aber die Lieferstaaten brauchen dann nun neue Ersatz-Flugzeuge. Wo werden sie die bestellen ? Natürlich in den USA…

    Daher sollte man das Handeln von Russland vielleicht nicht ganz so negativ sehen. Es ist doch die alte Frage: Wer hat einen Nutzen davon. In einem früheren Kommentar las ich mal, das keine anderer russischer Staatschef so viel für die Entwicklung der NATO getan hat, wie Putin… Wie schon erwähnt, profitiert auch die US-Waffenindustrie davon – natürlich bekommen die westlichen Herstellerfirmen einen kleinen Teil von dem „Kuchen“ ab und es sichert Arbeitsplätze da..

    Übrigens Macron hatte sich doch auch über Israel empört – da könnte man doch mal auch den Vorschlag machen, da NATO Bodentruppen hinzuschicken oder die Palästinenser militärisch zu unterstützen… Natürlich ist klar, das deutsche Truppen dabei nur auf Seiten von Israel kämpfen (können) werden / müssen…