Ist Deutschland souverän?

Karen Miosga fragte Sahra Wagenknecht in ihrer Sendung vom 08.09.2024 nach Äußerungen über die Souveränität unseres Landes und den Vasallenstatus gegenüber den USA. Miosga machte es sich zur Aufgabe, die Bundesregierung in jeder Hinsicht zu verteidigen. Ein rhetorischer Kniff begegnete uns in der Sendung, nämlich das erstaunte Fragen:

„Sie behaupten, Deutschland wäre nicht souverän. Ist das ihr Ernst?“

Damit sollen Menschen, die sich entsprechend äußern, in eine Ecke mit Verrückten gestellt werden. Tatsache ist aber: Menschen wie Miosga wollen die Wahrheit nicht erkennen – oder können es nicht. Faktische Souveränität korreliert nämlich mit Macht – und die hat Deutschland nicht.

Gastbeitrag von Sascha von Aichfriede

Screenshot; Quelle

Wenn (äußere) Souveränität im Völkerrecht bedeutet „(von jeglicher Fremdherrschaft freie) Unabhängigkeit und (ohne Rücksicht auf wirtschaftliche, militärische oder sonstige Stärken und Schwächen) Gleichheit der Staaten1, dann ist kein Land dieser Welt souverän. Kein Staat kann machen, was er will. Auf Aktion erfolgt Reaktion. Ein Staat, der sich nicht wehren kann, mit dem wird etwas gemacht. Selbst eine ehemalige Siegermacht des 2. Weltkriegs kann nicht einfach in ein anderes Land einmarschieren, ohne dass es Konsequenzen nach sich zieht, wie das Embargoregime des Westens gegen Russland zeigt. Als sich souveräne Staaten in Chile oder Vietnam Regierungen zulegen wollten, die den USA nicht passten, mischten diese sich dort gewaltsam ein.

Rechtliche Einschränkungen der äußeren Souveränität durch NATO und EU

Deutschland ist in das „Verteidigungsbündnis“ NATO eingebunden. Schon allein diese Mitgliedschaft bringt die Notwendigkeit mit sich, die eigene Sicherheitspolitik mit den Bündnisverpflichtungen in Einklang zu bringen. Und was war die Ursprungsidee der NATO: Sie solle „die Amerikaner drinnen, die Russen draußen halten – und die Deutschen am Boden.“2

Gleiches gilt für die Europäische Union und die in Maastricht beschlossene Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik – oder jeden anderen Aspekt souveränen staatlichen Handelns. Deutschland ist in nahezu allen staatlichen Handlungsfeldern bereits durch EU- und NATO-Verpflichtungen nicht mehr souverän, sondern zur Abstimmung verpflichtet.

Auch die Mitgliedschaft in den Vereinten Nationen und anderen Organisationen, wie der KSZE/OSZE, zählen zu diesen Einschränkungen. Nun könnte man argumentieren, dass wir uns diesen Einschränkungen freiwillig unterwerfen. Einspruch: Deutschland ist diesen Bündnissen beigetreten, als es noch nicht souverän war, also vor dem Zwei-plus-Vier-Vertrag von 1991. Die wesentlichen politischen Weichenstellungen sind also vorgenommen worden, als Deutschland unter der rechtlichen Fuchtel seiner Besieger stand.

Die rechtlichen Schmuddelkinder: Feindstaatenklausel und Kanzlerakte und anderes Sonderrecht

Kommen wir ins Reich der angeblichen und echten Verschwörungen und Themen, über die das Establishment ungern spricht. Sind EU, NATO, Vereinten Nationen oder KSZE/OSZE internationale Organisationen, die sich nicht unbedingt und ausschließlich gegen Deutschland richten, so gibt es dennoch explizit antideutsche Regelungen:

  • Feindstaatenklausel: In der Charta der Vereinten Nationen, u. a. Art. 53, steht es: auch ohne Resolution des Sicherheitsrats darf gegen Staaten wie Deutschland oder Japan vorgegangen werden. Alliiertes Sonderrecht, gültig bis heute.
  • Die „Kanzlerakte“ ist ein Begriff, der von Faktencheckern3 und der etablierten Politik4 gerne zurückgewiesen wird. Willy Brandts rechte Hand Egon Bahr bestätigte gegenüber der „Jungen Freiheit“ 2011, dass es diese Akte gab5. Im Gespräch bestätigte er seine Ausführungen in der Zeitung „Zeit“ aus dem Jahr 2009, dass dem gewählten Bundeskanzler Willy Brandt bei Amtsantritt (1969) „drei Briefe“ an die Botschafter der Westmächte zur Unterschrift vorgelegt wurden. Brandt bezeichnete sie als „Unterwerfungsbriefe“, die „unkündbare Siegerrechte“ bestätigen sollten. Damit waren die Einschränkung von staatlichen oder Bürgerrechten durch die Siegermächte gemeint, die das Grundgesetz gewährte.
  • Trotz der Pariser Verträge galt bis zum Zwei-plus-Vier-Vertrag von 1991 das alliierte Vorbehaltsrecht. Darunter kann man nach 1954 Stationierungsrechte und seit 1968 das berühmte G10-Gesetz, das die geheimdienstliche Überwachung Deutschlands durch Großbritannien und die USA regelte, also offiziell freigab. Erst 2013 wurde diese Regelung offiziell aufgehoben6.
  • Dass aber auch der Zwei-plus-Vier-Vertrag keine vollständige rechtliche Souveränität bedeutete, ergibt sich aus dem Vertrag selbst: Reduzierung der Truppenstärke; keine ABC-Waffen; Festschreiben der Ostgrenze. Auch sind Elemente des alliierten Besatzungsrechts Teil des Rechts von Bund und Ländern geworden und gelten fort.

Weiterführende Informationen:

Kriegsgefahr durch mangelnde Souveränität

Abschiebungen bedürfen der Souveränität!

Ohne Souveränität ist man ein Spielball fremder Mächte!

Das Establishment argumentiert dagegen: Dass sich Deutschland freiwillige Selbstverpflichtungen auferlegt, wie die NATO-Mitgliedschaft, nie wieder einen Angriffskrieg zu führen oder das Verbot der NSDAP, begründe keinen Souveränitätsverlust. Hier wieder das Gegenargument: Wenn diese Selbstverpflichtung freiwillig zustande kam und jederzeit aufgelöst werden kann, dann wäre dem so. Dem ist aber nicht so. Die meisten „Selbstverpflichtungen“ kamen in einer Situation zustande, in der Deutschland rechtlich nicht souverän war; ihre Auflösung könnte eine Intervention unserer „Freunde“ auslösen.

Faktische Beschränkungen der Souveränität

Von der rechtlichen Souveränität ist die faktische zu unterscheiden. Wir schrieben es oben: Am Ende ist kein Staat faktisch souverän. Er kann souverän handeln und muss dennoch die Konsequenzen dafür tragen. Ein Land kann einen Krieg gegen ein anderes beginnen und wird von Dritten, eigentlich Unbeteiligten, dafür mit Embargos belegt. Ein Land kann einen Schutzwall von Einfuhrzöllen um sich herum aufbauen und wird dafür von anderen mit Gegenzöllen bestraft.

Die USA achten die Souveränität anderer Staaten nicht und führen geheime und offen kriegerische Operationen durch, beeinflussen nachweislich Wahlen oder stürzen unliebsame Regime; ähnlich agieren die Israelis unter anderem im Libanon oder Syrien. Auch Russland macht es. China baut sich seine eigenen Vasallen mit der „Neuen Seidenstraße“ auf. Rechtliche Souveränität ist leider ein Papiertiger. Die eigene Souveränität hängt von den Mitteln ab, sie verteidigen oder andere unter Druck setzen zu können. Hier ist militärische und wirtschaftliche Macht gefragt. Der Gipfel der Souveränität ist der Status als Atommacht. Wer die hat, der verhandelt anders.

Spezialfall Deutschland

Wir müssen uns überhaupt nicht mit der Frage der rechtlichen Souveränität beschäftigen. Am Ende ist die faktische entscheidend. Das rechtlich unsouveräne Deutschland handhabte manche Reparationsforderungen restriktiver als das heute angeblich souveräne; Willy Brandt versagte Israel, als es mehrere Kriege mit seinen Nachbarn führte, jegliche militärische Unterstützung – das Deutschland von heute unterstützt sogar israelische Aggressionspolitiker wie die Mitglieder der Netanjahu-Regierung.

Weiterführende Informationen:

Merkel und Generalbundesanwalt Range demonstrieren fehlende deutsche Souveränität

TTIP – Souveränität geht anders!

Das Ende der alten Welt …

Als in den 1970ern das deutsch-sowjetische Gasgeschäft im großen Stil angebahnt wurde – ein Wohlstandsgarant – opponierten die Amerikaner wie heute massiv dagegen, aber die Politik in Bonn hatte noch einen Sinn für deutsche Interessen. Die Ampel, speziell Olaf Scholz und die Grünen, zerstören Deutschland und liefern es amerikanischen Interessen aus. Die Entwicklung von der Vermittlungspolitik in der Ukrainefrage unter Angela Merkel, über die Rolle als Embargobremser in den ersten Kriegsmonaten bis zum jetzigen Status als zweitgrößter Finanzier der Ukraine, spricht Bände. Gerhard Schröder, ebenfalls SPD-Politiker, drückte Nord-Stream-1 durch; sein SPD-Kollege Olaf Scholz nimmt seine Zerstörung hin. Es hängt also auch hier vieles von den agierenden Personen ab. Souveränität will auch wahrgenommen werden.

Fazit

Faktisch aber ist Deutschland kein souveräner Staat. Es hat weder die Machtmittel militärischer und wirtschaftlicher Natur, noch eine starke Lobby für eigene Interessen. Es fehlen die Mittel, das Personal und die politische Kultur, um Souveränität leben zu können. Und eines ist sonnenklar: Wenn in Deutschland eine nationale Bewegung an Einfluss gewinnt, die ein starkes Deutschland durchsetzen will, frei von fremden Lobbys, das die Stationierungsvereinbarung über amerikanische Soldaten kündigt, dann werden sich die Regierungen dieser Welt nicht um unsere angebliche Souveränität kümmern. Und Washington wird ganz vorn dabei sein, im Gefolge London, Paris und Warschau.

In der Sendung von Caren Miosga zeigte sich noch eine weitere rhetorische Technik, nämlich die des „Worte Wegnehmens“. Ähnlich dem Orwellschen Neusprechansatz werden Begriffe aus dem politischen Diskurs gelöscht, wenn sie der Systemgegner AfD benutzt. Hier: der Vasall. Das sehen wir uns aber in einem anderen Beitrag an.

Sascha von Aichfriede:


1  https://www.bpb.de/kurz-knapp/lexika/politiklexikon/18212/souveraenitaet/ [15.09.2024].

2  https://www.spiegel.de/politik/ausland/die-nato-wird-70-was-man-ueber-das-buendnis-wissen-muss-a-1261001.html [15.09.2024].

3  https://dpa-factchecking.com/germany/220401-99-762220/ [15.09.2024].

4  Siehe Bundestagsdrucksache 16/12025, vom 20.02.2009, https://dserver.bundestag.de/btd/16/120/1612025.pdf [15.09.2024].

5  https://jungefreiheit.de/wissen/geschichte/2011/lebensluege-der-bundesrepublik/ [15.09.2024].

6  https://www.auswaertiges-amt.de/de/newsroom/130802-g10gesetz/256984 [15.09.2024].

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