Die Wildbirne (Pyrus pyraster) wird im Volksmund oft Holzbirne genannt. Sie zählt wie der Apfelbaum zum Kernobst und somit zur Familie der Rosengewächse. Beide gelten der Überlieferung nach als »das Paar« im Obstgarten: der Apfelbaum wird mit dem Weiblichen, der Birnbaum mit dem Männlichen in Zusammenhang gebracht. Die Birne wurde bereits bei den Griechen als Kultbaum und Gabe der Götter in Heldensagen erwähnt. Den Römern sollen schon zwischen 30 und 40 Sorten bekannt gewesen sein.
Ines Schreiber
Steckbrief
Die Wildbirne ist ein sommergrüner Baum, der eine Höhe von 8 bis 20 Meter erreichen kann, aber auch als Busch vorkommt. Er hat eine kleinschuppige graue Rinde, seine Äste sind mit Dornen besetzt. Die von April bis Mai – vor dem Blattaustrieb – weiß blühenden Wildbirnen sind an Waldrändern nicht zu übersehen. Die bräunlich-gelben, holzigen Früchte erreichen eine Größe von 4 bis 6 cm. Genießbar sind sie erst, wenn sie überreif sind oder einen Frost überstanden haben. Obwohl sie wegen ihres Gerbsäuregehalts recht herb schmecken, waren sie für unsere Vorfahren in Notzeiten als Dörr- oder Backobst eine willkommene Speise.
Medizinische Wirkung und Verwendung
Aus den Blüten lässt sich ein Tee bereiten, der bei Nierenbeckenentzündungen hilft. Aus den jungen, noch geschlossenen Blütenknospen kann eine schmackhafte Salatbeilage bereitet werden. Auch zur Herstellung von kleinen Leckereien können sie verwendet werden. Hierfür werden sie einfach mit Zuckerwasser besprüht und anschließend bei geringer Hitze auf dem Backblech im Ofen kandiert.
Die Früchte sind sehr gesund. Sie enthalten Flavonoide, Mineralstoffe, Pektin, Vitamine und Fruchtsäuren und können bis in den Winter hinein gepflückt oder aufgesammelt werden. Daraus kann man einen Saft herstellen, der als Kur zur allgemeinen Entgiftung des Körpers dienen kann.
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Aus Birnenkernen wurde früher ein Speiseöl gewonnen. Dafür waren allerdings große Mengen notwendig: für einen Liter Öl brauchte man acht Kilogramm Kerne. Bei der heutigen Preisentwicklung könnte es sich also bald wieder rentieren!
Das Holz der Wildbirne lässt sich gut bearbeiten und kann für Tischler-, Drechsel- und Schnitzarbeiten verwendet werden. Mit schwarz gebeiztem Birnbaumholz wird Ebenholz imitiert. Die Musikindustrie schätzt diese Holzart sehr, sei es zur Herstellung von Blockflöten, Griffen der Mundharmonika oder Klavieren. Man könnte es auch zu Bauzwecken verwenden, wovon jahrhundertealte Birnenholzbalken in alten Holzhäusern zeugen – das wäre allerdings heute kaum bezahlbar.
Die Wildbirne hat zudem wegen ihrer für viele Insekten wichtigen Blüten und als Futter für Igel, Marder, Siebenschläfer oder Dachse einen hohen ökologischen Nutzen.
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Überlieferung
In der Mythologie wurde der Birnbaum häufig als Ort von Drachen, Hexen und Dämonen beschrieben. Auch sprach man ihm die Fähigkeit zu, dem Menschen wirksam Schmerzen und Krankheiten abnehmen zu können, insbesondere bei Zahnschmerzen, Gicht und Schwindsucht.
Da Apfel und Birne als »das Paar im Obstgarten« galten, sollten junge Männer für ein Liebesorakel unter einen Apfelbaum gehen, Mädchen unter einen Birnbaum. In den Rauhnächten zwischen Weihnachten und Neujahr holten sie sich Auskünfte in Liebessachen für das kommende Jahr: Blieben ins Geäst geworfene Holzpantinen in den Zweigen hängen, so galt dies als positives Omen. Ob es funktioniert hat?