Die Meinungsfreiheit ist weltweit so gefährdet wie nie. Es ist fast schon unheimlich, wie schnell das Gedächtnis nachlässt. Kaum hat man uns in den letzten Jahren eine ganze Reihe von Grundrechten gestutzt, da wird schon fleißig an der nächsten Kürzung gearbeitet – und zwar global. Die Meinungsfreiheit, einst das heiligste Gut der westlichen Demokratien, scheint zur Verhandlungsmasse für Regierungen und Tech-Giganten geworden zu sein.
Die Ironie: es scheint kaum jemanden zu stören. Schließlich haben wir jetzt ja Wichtigeres zu tun – so etwa, uns über den neuesten Trend auf TikTok zu informieren oder die nächste Netflix-Serie zu bringen. Ist die Möglichkeit, die Freiheit, seine eigene Meinung ungehindert äußern zu dürfen, vielleicht ohnehin überschätzt?
Schauen wir nach Frankreich, jenem Leuchtturm der Aufklärung, wo man sich so gern als Vorreiter für Freiheit und Menschenrechte sieht. Dort hat man neulich den Gründer von Telegram, Pavel Durov, kurzzeitig hinter Gittern verschwinden lassen – natürlich nur zum Wohle der öffentlichen Sicherheit. Durovs Vergehen? Er hat es gewagt, seine Plattform nicht den Launen der Regierenden anzupassen und verschlüsselte Kommunikation zu schützen. Jeder Normaldenkende wird jetzt einwerfen, das sei sein gutes Recht. Doch wenn heutzutage jeder Verdacht erregt, der seine Chats nicht auf Facebook teilt, ist das wohl ein trügerischer Gedanke.
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Aber bevor jemand denkt, Frankreich würde sich hier zu einer autoritären Diktatur entwickeln – keine Sorge! Schließlich wurde Durov nach ein paar Tagen und unter strengen Auflagen wieder freigelassen. Die Botschaft dürfte dennoch angekommen sein: Wer sich nicht fügt, den holt man eben am Flughafen ab. Und das nennt sich dann „europäische Werte verteidigen“.
Tech-Giganten und staatliche Zensur: Wer gibt nach, wer wehrt sich?
Nicht nur Durov, auch andere Schwergewichte der Tech-Welt spüren den Druck. Google und Facebook, die einst stolz ihre Unabhängigkeit proklamierten, haben längst begriffen, dass es besser ist, sich der Zensur durch die EU zu beugen, als ständig gegen den Strom zu schwimmen. Man will schließlich auch weiterhin Geschäfte machen und dabei möglichst wenig Ärger mit den Behörden haben.

Aber nicht alle sind bereit, sich so einfach zu fügen. Das gilt in Teilen auch für Mark Zuckerberg, der sich nach Jahren der massenhaften Datenverwertung nun plötzlich als Verteidiger der Meinungsfreiheit inszeniert. Er hat gegen die gewünschten Kontrolleingriffe seine Stimme erhoben – wohl wissend, dass es nicht mehr lange dauert, bis ihm auch die letzten unpopulären Meinungen auf seiner Plattform um die Ohren fliegen. Doch ob das wirklich ein Aufstand der Gerechten oder eher ein taktischer Zug ist, bleibt abzuwarten.
Und dann wäre da noch Elon Musk, der Mann, der hofft, er könne mit seinen Tweets die Welt retten. Doch selbst er hat inzwischen gelernt, dass es einfacher ist, Raketen ins All zu schießen, als die Meinungsfreiheit auf Erden zu verteidigen. In Brasilien, einem Land, das unter dem Deckmantel der Demokratie immer mehr in autoritäre Gefilde abdriftet, hat man kurzerhand beschlossen, seine Plattform X (ehemals Twitter) zu sperren. Der Grund? Musk weigerte sich, regierungskritische Accounts zu sperren. Jetzt sitzt er in der Falle: Entweder er kuscht, oder seine Plattform bleibt in einem der größten Märkte der Welt dauerhaft offline.
Musk reagiert wie immer: großspurig und mit einer ordentlichen Portion Kampfeswillen. Er kündigt an, Verbrechen und Gesetzesbrüche des brasilianischen Richters öffentlich zu machen, der das Urteil gegen X gefällt hat. Die Tatsache, dass dieser Richter als treuer Verbündeter des sozialistischen Präsidenten gilt und Musk in den sozialen Medien als „Diktator“ bezeichnet, verleiht der Sache zusätzliche Dramatik.
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Doch nicht nur Musk und Durov stehen im Visier der neuen Zensurwelle. Auch der kanadische Video-Portal-Betreiber Rumble hat die harte Hand der europäischen Bürokraten zu spüren bekommen. Chris Pavlovski, der CEO von Rumble, hat sich unter massiven Drohungen aus Europa zurückgezogen. Sein Vergehen? Rumble hat sich geweigert, Inhalte zu zensieren, die den französischen Behörden nicht in den Kram passten.
Man stelle sich vor: ein Unternehmen, das tatsächlich an die freie Meinungsäußerung glaubt. Das musste natürlich unterbunden werden. Also setzte Frankreich noch einen drauf und drohte mit der Verhaftung von Pavlovski. Die Botschaft ist klar: Widerstand wird nicht toleriert, egal aus welchem Land er kommt.
Pavlovski, der nun sicher außerhalb Europas sitzt, kündigte an, mit allen rechtlichen Mitteln gegen die Bedrohungen vorzugehen. Ob er damit Erfolg haben wird? Zweifelhaft, wenn man bedenkt, wie sehr sich die Gerichte inzwischen als verlängerter Arm der Regierung betätigen.
Der Westen im Zwiespalt: Reaktionen und Widersprüche
Und wie reagiert der Westen auf all das? Ach ja, die guten alten Doppelstandards. Während man in Washington, Berlin und Brüssel gerne über die bösen Diktaturen in Russland und China schimpft, schweigt man eisern, wenn es um die eigenen Zensurbestrebungen geht. Es ist ja auch viel einfacher, mit dem Finger auf andere zu zeigen, als vor der eigenen Tür zu kehren.
NGOs, die sonst keine Gelegenheit auslassen, um ihre Besorgnis über die Menschenrechte in fernen Ländern auszudrücken, verhalten sich plötzlich ganz still, wenn es um Fälle wie Durov oder Pavlovski geht. Könnte es sein, dass westliche Regierungen ihre schützende Hand über diese Praktiken halten? Aber nein, das wäre ja geradezu verschwörungstheoretisch.
Und so schlittern wir immer weiter in eine Welt, in der die Meinungsfreiheit nur noch auf dem Papier existiert. Die großen Demokratien, die sich einst rühmten, für Freiheit und Menschenrechte zu stehen, sind heute die eifrigsten Verfechter der Zensur – solange es ihnen in den Kram passt. Die Frage, die bleibt, ist, wie lange das noch gutgehen kann. Denn wenn wir eines aus der Geschichte gelernt haben sollten, dann dass Freiheit immer zuerst still und leise stirbt, bevor der große Knall kommt. Aber wer hört schon noch hin, wenn die Stille einkehrt?
Arno Feinlist