Es wäre DIE Gelegenheit gewesen – ja, genau: „wäre“, im Konjunktiv. Die Erwartungshaltung, nicht zuletzt durch die Ankündigungsgewichtigkeit, war groß, doch die Enttäuschung dürfte nicht minder groß sein. Elon Musk und Alice Weidel blieben weit hinter ihren Möglichkeiten, und so bleibt einzig, sich darüber zu freuen, dass sich das Establishment dennoch fürchterlich allein nur über das Zustandekommen dieses Gesprächs ärgert. Alles in allem war es jedoch eine nahezu schon „parteischädigend“ vertane Chance für AfD-Frontfrau Alice Weidel so kurz vor der Bundestagswahl.
Sascha A. Roßmüller
Das Establishment zitterte wie Espenlaub vor diesem Gespräch, doch dann blieb der erhoffte eloquent-rhetorische Blattschuss aus, und das Plauderstündchen plätscherte seicht und oberflächlich vor sich hin. Natürlich war es zwar immer noch besser anzuhören, als wenn Maybrit Illner, Sandra Maischberger oder Bettina Schausten mit Trampolin-Baerbock, „Ich kann mich nicht erinnern“-Scholz oder Blackrock-Merz „habecken“, doch Führungsstärke und Regierungsanspruch wurden auch bei Alice Weidel schmerzlich vermisst.
Hier sprach nicht nur keine potenzielle Kanzlerin, sondern nicht einmal eine angriffslustige Oppositionspolitikerin, vielmehr erlebte man eine konfliktscheu-harmoniesüchtige Schwärmerin. Wüsste man nicht um ihre Neigung, wäre man nicht überrascht gewesen, hätte sie eine „Elon ich will ein Kind von Dir“-Parole losgelassen.
Versäumnisse und Zahnlosigkeit
Eine Oppositionspartei, die bei über 20 Prozent gehandelt wird, darf nicht nur quasi-weinerlich Missstände beklagen, sondern hat fordernd ein Regierungsprogramm, einen Maßnahmenkatalog zu formulieren, was Weidel sträflich versäumte.
Das Versagen des Parlamentarismus anhand der Ausgrenzung sogar von Wahlsiegern, wie man es in Thüringen und anfänglich in Österreich erlebte, kam mit keiner Silbe zur Sprache. Vom Problemkomplex EU und der damit verbundenen mangelnden nationalen Souveränität war dem Gespräch nichts zu entnehmen. Immerhin ist Musk in der neuen Trump-Administration als Co-Leiter des „Department of Government Efficiency“ (DOGE) vorgesehen, weshalb es sich doch geradezu aufgedrängt hätte, diesbezüglich eine Brücke zur EU-Bürokratie und der auch in Europa grassierenden Schuldenkrise zu schlagen.
Die Migrationsproblematik wurde lediglich etwas angeschnitten, aber kein klares Konzept skizziert, keine verbindliche Aussage in Richtung Re-Migration getätigt. Trotz des jüngsten Magdeburg-Anschlags und Musks aktueller Kritik der britischen Politik im Zusammenhang mit den massenhaften Gang-Rape-Skandalen – bezüglich derer tags zuvor das britische Parlament einen Untersuchungsausschuss ablehnte – ging Weidel mit keiner Silbe auf die sicherheitspolitische Dimension islamistischer Immigration ein.
Über supranationale Institutionen, wie beispielsweise die WHO wurde nicht gesprochen, obwohl auf diese eine zunehmende Beschneidung der bürgerlichen Freiheitsrechte zurückzuführen ist. Auch das Themenfeld Meinungsfreiheit, zensuraffine Medienlandschaft, woke-Doktrin und Hatespeech-Cancel Culture kamen viel zu kurz, wenn man schon den selbsternannten „Free Speech-Absolutist“ und X-Inhaber vor sich hat.
Weiterführende Informationen:
Hayali, Kaddor und Badenberg: Frauengeschütze gegen die AfD
Elon-Musk-Beitrag in der Welt am Sonntag: Viel Lärm und noch mehr Heuchelei
Wannseekonferenz 2.0 – die Fakten zur Correctiv-Ente
Marslandung statt Naher Osten
Nicht nur, dass man sich angesichts tektonischer Verschiebungen in der geostrategischen Architektur und damit einhergehender militärischer Krisen- sowie Eskalationspotenziale mehr über eine Mars-Expedition unterhielt als über die Frage, wie man am Verhandlungstisch statt im Schützengraben landet, bleibt unverständlich. Mit Blick auf den Nahen Osten betonte die Chefin der angeblichen Alternative geradezu, ratlos zu sein. Doch auch wenn man eingestandenermaßen keine Ahnung hat, wusste Weidel natürlich, dass man Israels Existenzrecht pauschal, sprich völlig bezugslos zu dessen expansionistischem Charakter, zuzusichern hat.
Was wäre denn dabei gewesen, dieses Existenzrecht an gewisse von UN-Resolutionen eingeforderte völkerrechtskonforme Grenzen zu knüpfen? Allgemein verlegte sich Alice Weidel anstatt offensiv anzugreifen und vor allem auch Verantwortliche beim Namen zu nennen, wie es wenige Wochen vor einer entscheidenden Wahl zu erwarten gewesen wäre, darauf, sich von ausgelutschten Klischees, die ohnehin zunehmend unwirksam werden, zu distanzieren, um die Verortung „libertär konservativ“ als die politische Alternative darzustellen.
Keinerlei kritische Aspekte
Indem es sich um ein Gesprächsformat handelte, wo nicht allein Alice Weidel einseitig interviewt wurde, sondern man sich wechselseitig befragte, ist es umso unverständlicher, warum Weidel keinerlei Mut zu auch nur ansatzweise kritischen Fragen aufwies. Keine Frage zur geopolitischen Rolle Amerikas angesichts multipolarer Entwicklungen, keine Frage zur US-getriebenen EU-Sanktionspolitik gegenüber Russland, keine Frage zu den US-Stützpunkten in Deutschland, keine Frage zu Elon Musks migrationspolitisch fragwürdigen Haltung hinsichtlich der sogenannten H1B-Visas. Ja, nicht einmal völlig konfliktfreie Fragen, die von prioritärer Relevanz wären, brachte Alice Weidel an, die durchweg den unverbindlichen Small Talk vorzog:
Keine Frage zum „Lawfare“ des Washingtoner Deep State oder „January 6“, keine Fragen zu Bidens Amnestierung seines Sohnes, keine Fragen zum künftigen handelspolitischen Leitbild der USA, keine Fragen zu Black Lives Matter und Critical Race Theory? Dafür wartete Alice Weidel – wenn sie einmal nicht von Moderatorenseite damit konfrontiert wird – mit Adolf Hitler auf. Dies wäre zwar im Grunde völlig belanglos, doch diesen glattweg zum Kommunisten zu erklären, ist nicht allein bloß als mangelnde ideengeschichtliche Reflexion zu konstatieren, sondern vielmehr als plumper Versuch, auch von nicht linker Seite mit der nicht vergehen dürfenden Vergangenheit punkten zu wollen.
Von zahlreichen deutschsprachigen Auftritten Weidels in Talkshows oder im Bundestag weiß man, dass sie es eigentlich besser können müsste. Vor ihrem früheren beruflichen Hintergrund des international operierenden Investmentbankings lässt sich schwerlich argumentieren, es habe allein an der Schwierigkeit gelegen, englischsprachig in die gewohnte Rhetorik zu finden. Allerdings bleibt der Eindruck haften, dass beiderseits – sowohl Elon Musk als auch Alice Weidel – gedanklich völlig unvorbereitet in dieses Gespräch gegangen wurde, was zumindest aus Weidels Sicht, ein sträfliches Versäumnis darstellen würde.
2 Antworten
Im letzten Absatz wird begonnen die richtigen Fragen zu stellen.
Eben weil man Frau Weidel rhetorisch ganz anders aufgestellt kennt, verwundert der Verlauf des Gesprächs doch sehr.
Dass sie und ihr Team (natürlich ebenso Musks Team) es schlicht versäumt haben sollen diese Riesen Bühne ohne adäquate Vorbereitung bespielen zu wollen, kann ich mir kaum vorstellen.
Viel eher frage ich mich was Musk/Trump/die Amis mit der öffentlichen Pöbelei in Richtung Europa bezwecken und inwieweit eine Alice Weidel, respektive eine scheinbar doch in weiten Teilen unterwanderte, gelenkte und zerstrittene AfD in deren Drehbuch eingeplant ist.
Ohne auch nur im Besitz eines Hauches eines handfesten Beweises zu sein, würde es mich dennoch nicht wundern wenn das Gespräch von seinem Verlauf und in groben Zügen auch von seinem Inhalt her, genau so vorher geplant gewesen wäre!
Dem kann man sich nur anschließen. Herr Rossmüller trifft den Nagel auf den Kopf.