Die zweite Runde der Wahlen zur Nationalversammlung in Frankreich ist gelaufen. Noch steht die Zahl der Sitze nicht endgültig fest. Dennoch kann man jetzt schon sagen, dass es interessante Ergebnisse gibt, die von den deutschen Mainstreammedien allerdings höchst einseitig interpretiert werden.
Peter Schreiber
Während diese Medien die als rechtsextrem verunglimpfte Partei Rassemblement National (RN) als weit abgeschlagen darstellen, zeigt eine genauere Betrachtung der Wahlergebnisse ein anderes Bild.
Mit etwa 35 Prozent der Stimmen ist die RN die stärkste Partei in Frankreich, vergleichbar mit der AfD im Osten der Republik. Vorläufige Informationen deuten darauf hin, dass die RN ihre Sitze in der Nationalversammlung fast verdoppeln konnte. Dies wirft die Frage auf, ob die Sitzverteilung im Parlament den tatsächlichen Wählerwillen korrekt widerspiegelt, was zu verneinen ist.
Die RN wird voraussichtlich 135 bis 140 Sitze (zuvor: 89) in der Nationalversammlung erhalten. Bei einem Verhältniswahlrecht wären es über 192 Sitze gewesen. Doch nach dem Mehrheitswahlrecht, das in Frankreich gilt, hätte die RN angesichts der Schwäche der konkurrierenden Parteien sogar die absolute Mehrheit erreichen können, was 289 Sitze von insgesamt 577 bedeutet.
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In der ersten Runde landete die Partei von Präsident Macron mit etwa 20 Prozent auf Platz 3. Sozialisten, Kommunisten und Grüne kamen zusammen auf etwa 28 Prozent und die RN auf etwa 33 Prozent der Stimmen. Die Republikaner lagen mit circa 15 Prozent deutlich hinter der Macron-Partei. Ein korrektes und manipulationsfreies Mehrheitswahlrecht hätte eine relative Mehrheit der RN in den einzelnen Wahlkreisen und damit mindestens 50 Prozent der Sitze in der Nationalversammlung bedeuten müssen.
Jedoch war die Wahl durch taktische Absprachen der politischen Eliten geprägt. Schwächere Kandidaten zogen ihre Kandidatur zugunsten aussichtsreicherer zurück, um die RN zu schwächen. Diese strategischen Rückzüge verhinderten eine absolute Mehrheit der RN. Manche sehen darin einen Wahlbetrug, da zentrale Entscheidungen in kleinen Führungskreisen dem Wähler wesentliche Wahlmöglichkeiten nahmen. Dadurch wird der Wähler gezwungen, einen Kandidaten zu wählen, um einen anderen zu verhindern, was dem Mehrheitswahlsystem die Legitimation entzieht.
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Unabhängig davon, ob die RN als Sieger oder Verlierer der Wahl betrachtet wird, bleibt zu fragen, ob die Annäherung von Marine Le Pen an das Establishment, einschließlich des Bruchs mit der AfD im EU-Parlament, ihr Ziel nähergebracht hat, Regierungsverantwortung zu übernehmen. Dies scheint nicht der Fall zu sein. Die Selbstverharmlosung der Rassemblement National und der Versuch, breitere Wählerschichten zu erreichen, haben wenig an der Isolation der RN und gar nichts an den Machtspielen, die gegen ihn gespielt werden, verändert. Jean-Marie Le Pen hätte sich wahrscheinlich nicht verbogen oder seine Verbindungen geopfert, wie es seine Tochter tat, um wenige Prozentpunkte mehr zu erzielen, nur um am Ende doch wieder vor den verschlossenen Toren zur Macht zu stehen.
Trotz der guten Ergebnisse bleibt die RN isoliert und kann ihre Erfolge nicht in politische Macht umwandeln, solange sie unter 51 Prozent bleibt. Diese Situation zeigt, dass das politische System in Frankreich und die strategischen Manöver der etablierten Parteien die wahre Stärke und den Wählerwillen der RN-Anhänger nicht vollständig widerspiegeln. Die RN benötigt weitere Partner – und zwar auf der rechten Seite des politischen Spektrums, die nicht dem etablierten Parteienkartell angehören, um zu echter Gestaltungsmacht zu gelangen. Eine Parallele zur Situation der AfD im Osten der Republik.
Unsre Empfehlung:
Zurück zu den Mainstreammedien: Warum führen sie diese Spielchen auf? Es geht – wie so oft – den Bürgern den Blick zu vernebeln und zugleich eigene Erfolge vorzutäuschen. Im Vorfeld der Wahlen und nach Bekanntwerden der Ergebnisse der ersten Runde wurde maßlos dramatisiert. Le Pen – eben noch gelobt für ihre Abgrenzung von der AfD – bekam das bildliche Hitler-Bärtchen angeklebt. Nun haben die „Demokraten“ die Wahl gewonnen, wurde scheinbar überraschend die „Machtübernahme“ der RN verhindert. Ganz leise dringt aber auch schon die Wahrheit durch: Frankreich ist praktisch unregierbar!