Emmanuel Macron, der Präsident der Republik Frankreich. Ein Land, das zu den vier Siegermächten des Zweiten Weltkriegs zählt [sic], Atommacht ist und einen dauerhaften Sitz im UNO-Sicherheitsrat hält. Er hatte etwas Beachtenswertes gesagt: Frankreich sei kein Vasall der USA und dass sein Land das Recht habe, für sich selbst zu denken. Bravo. Manchmal möchte man Franzose sein.
Gastbeitrag von Sascha von Aichfriede
Frankreich ist kein Vasall der USA und Frankreich hat das Recht, für sich selbst zu denken. Diese Aussagen tätigte Macron kürzlich1 – sie sind in den Kontext der derzeit prägenden geopolitischen Konflikte zu setzen: Taiwan (Proxykonflikt USA vs. China) und Ukraine (Proxykonflikt USA vs. Russland). Aber nicht nur: Im Inland kommen solche markigen Ansagen bei den Franzosen auch gut an. Derzeit steht Macron wegen der (zugegeben notwendigen) Rentenreform nämlich stark in der Kritik.
Kein Populismus
Das käme unseren Mainstream-Medien aber gerade recht, Macrons Aussagen in eine solche populistische Ecke zu rücken. Nein, dahinter steckt mehr. Nämlich dass Europa im Würgegriff der Amerikaner ist, die unter dem Deckmantel von Demokratieverteidigung (Schlagwort „Freie Welt“) in und um Europa herum Pulverfässer aufstellen und auch gleich anzünden: Palästina, Syrien, Libyen, Ukraine – hinter allem stehen mittelbar die Amerikaner. Und die Franzosen hatten sich immer schon gegen eine zu starke Vereinnahmung durch Washington gesperrt – 1966 traten die Gallier aus der integrierten NATO-Führungsstruktur aus, der amerikanischen Dominanz wegen2. Die NATO musste deswegen von Paris nach Brüssel umziehen.
Weiterführende Informationen:
Interview mit Front-National-Gründer Jean-Marie Le Pen
Bundeskanzler erleichtert: Ab jetzt erhalten wir unsere Befehle wieder direkt aus Washington
Deutschland und Frankreich: Gekaufte Freundschaft

Macron trifft Nagel auf den Kopf
Macron hat es beim Namen genannt: Die geopolitischen Zündeleien der USA überall auf der Welt schaden vorrangig Europa. Das ist auch kein Kollateralschaden, sondern volle Absicht. Die EU soll geschwächt werden, denn die USA wollen keinen Spieler EU, sondern eine Schachfigur EU. Korrekterweise definiert Macron, dass ein Verbündeter kein Vasall sein muss, der jeder Verrücktheit seines Verbündeten auf Gedeih und Verderb folgen muss.
Historisches Beispiel: Wäre das deutsche Kaiserreich besser nicht in falscher „Nibelungentreue“ seinem Verbündeten Österreich-Ungarn in den Ersten Weltkrieg gefolgt. General Franco tat seinerseits gut daran, seinem Verbündeten Hitler nicht in wahnsinnige Kriegsunternehmen wie die Kriegserklärungen gegen die Sowjetunion und die USA zu folgen. Denn Verbündete sind ihrerseits auch nicht immer Freunde. Sie sind Zweckpartner, Partner auf Zeit.
Die Deutschen träumen aufgrund ihrer Natur immer von romantischer, ehrlicher, selbstloser Freundschaft, aber das ist naiv. So naiv wie die Deutschen eben sind. Politik ist ein Drecksgeschäft und die internationale erst recht. Die Amerikaner haben immer wieder bewiesen, dass sie auch in der Zusammenarbeit mit Verbündeten letztlich immer auf ihren eigenen Vorteil bedacht sind und auch keine Skrupel haben, Verbündete fallen zu lassen oder sie zu verheizen. Die Ukraine wird auch verheizt, denn die US-Zielstellung ist nicht die Verteidigung der Ukraine, sondern die Destabilisierung Russlands. Deswegen muss man immer erst für und an sich selbst denken, denn von den Amerikanern darf man sich keine pflegliche Behandlung erhoffen.
Deutschland kein Vasall, sondern Pausenclown und Lastenesel
Das ist ja klar, dass der dummdeutsche Mainstream das nicht versteht oder verstehen will. Unsere transatlantisch versifften Leitmedien bekommen sofort Schnappatmung, wenn an den USA Kritik geübt wird, vor allem wenn sie unter der Führung von Interventionisten und Globalisten wie Biden stehen (unter Präsident Trump hätte es keinen Anschlag auf Nord Stream gegeben).
Und so auch gleich der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius: Er findet Macrons Äußerungen „unglücklich“ und Europa müsse natürlich eine eigene Außenpolitik finden, aber diese in Abstimmung mit dem transatlantischen Verbündeten, den USA. Er meinte, es helfe nicht, Spaltpilze zwischen die verschiedenen Positionen zu treiben oder treiben zu lassen – das würde nur der chinesischen Außenpolitik helfen. Klartext: Äußerungen, die die Treue zu den USA infrage stellen, sind nicht erwünscht.
Eine derart hündische Ergebenheit den USA gegenüber ist zum Fremdschämen. Ein Land, das solche Politiker hat, braucht keine Feinde mehr. Aber bei einer Sache hat Pistorius recht: Deutschland war tatsächlich nie auf dem Weg, ein Vasall der USA zu sein3. Ein Vasall zieht aus seiner Dienstverpflichtung seinem Herrn gegenüber auch Vorteile. Für Deutschland ist die Ergebenheit gegenüber den USA mittlerweile existenzgefährdend: die US-Interventionen und -Proxykriege fluten Deutschland mit Flüchtlingen und die Amerikaner verteuern die Energiekosten in Deutschland, was wiederum zu Abwanderungen von Unternehmen in die USA führt. Deswegen ist Deutschland auch kein US-Vasall, sondern ein amerikanischer Pausenclown und Lastenesel. Eine Kolonie eben.
Manchmal möchte man Franzose sein
Deutschland ist ein Land ohne Selbstbewusstsein. Das bedeutet nicht chauvinistisches Gehabe, sondern sich seiner selbst bewusst zu sein, sich anzunehmen, die eigenen Interessen und Möglichkeiten zu erkennen und dann im Eigeninteresse zu handeln. Das sind alles Dinge, die sind für andere Länder normal, aber für Deutschland nicht. Es schwankt zwischen Selbstvergöttlichung und Selbstverteufelung. Dazwischen gibt es nichts.
Das erkannte auch Winston Churchill, als er sagte, dass die Deutschen einem entweder zu Füßen liegen oder man sie an der Gurgel hätte. Dieses Schwanken zwischen Extrempolen wirkt wie eine kollektive Borderline-Erkrankung. Es ist ein Schwanken zwischen dem Leben in der Illusion (zu Füßen) und der Desillusionierung (an der Gurgel), Autoaggression und Aggression. Es gibt keinen Grund Frankreich zu überhöhen, denn die weltgeschichtliche „Performance“ dieses Landes war in den vergangenen 150 Jahren nicht so besonders, aber ein gesundes Nationalbewusstsein haben sie. Eine (richtige) Äußerung, wie sie Macron tätigte, wird man aus den Mündern unserer politischen Führung nicht vernehmen.
Es ist Zeit, diese Führung auszutauschen.
Weiterführende Informationen:
Emmanuel Macron: Schlafwandler in einem erschlafften Europa?
Frankreichs „Gelbwesten“: Vorbild für Deutschland?
Macron: Ein »Wahlsieger« mit 72 Prozent Gegenstimmen!

1 https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/macron-betont-unabhaengigkeit-frankreichs-wirbel-um-taiwan-aussagen-18816898.html (Aufruf: 14.04.2023).
2 https://www.deutschlandfunk.de/hollande-prueft-frankreichs-rueckkehr-in-die-nato-100.html (Aufruf: 14.04.2023).
3 https://www.berliner-zeitung.de/news/verteidigungsminister-boris-pistorius-zu-emmanuel-macrons-taiwan-aussagen-eu-und-deutschland-waren-nie-in-gefahr-vasallen-der-usa-zu-werden-li.337734 (Aufruf: 15.04.2023).
Eine Antwort
1.) Für den Austrittaus der NATO waren die Russen verantwortlich. Also eine Geheimdienstoperstion. Bei anderen Ländern wurde es ergebnislos versucht.
2.) Was die Kriegserklärung Deutschlands an die Sowjets betrifft, so kam man deren Angriff nur paar Wochen zuvor. Das ist schon seit langem bewiesen. Siehe Bücher von Bernd Schwipper. Die Vergrößerung der Territoriums bis 6/1941 ist Inndiz genug, Wenn der Aufmarsch von denen fertig gewesen wäre, hätten die Deutschen noch weniger Chancen gehabt. Was die Kriegserklärung an die USA betrifft, so hatten die Amerikaner schon vorher ohne Kriegserklärung deutsche Schiffe angegriffen. Auch waren sie schon inoffiziell Kriegsgegner, da sie den Engländern wieder halfen. Die Kriegserklärungen von den „Auserwählten“ sollte man auch nicht vergessen. Es steht also die Frage im Raum, wie hätte man Deutschland erfolgreicher schützen sollen ? Nachträgliche Kritik am Vorgehen ist leichter. Hätte man warten sollen, bis man ene deutsche Sowjetrepublik geworden wäre ?