Genau genommen sind es sogar 72,4 Prozent der Wähler, die gegen den amtierenden Präsidenten gestimmt haben. Wie erwartet ist Marine Le Pen mit 23,4 Prozent auf Platz 2 gekommen. Knapp dahinter mit 22 Prozent liegt der Linkspopulist Jean-Luc Mélenchon.
Ein Kommentar von Stefan Paasche
Es gibt in zwei Wochen (wie vor fünf Jahren) eine Stichwahl zwischen Emmanuel Macron und Le Pen. Ist es auch diesmal klar, dass Macron als das vermeintlich »kleinere Übel« gewinnen wird? Dafür spricht, dass Mélenchon seine Wähler aufgerufen hat, »keine Stimme« für Le Pen abzugeben. Anders Éric Zemmour, der im ersten Wahlgang mit 7,1 Prozent der abgegebenen Stimmen auf Platz 4 kam. In der Wahlnacht gab der von den Medien als »extrem rechts« apostrophierte Politiker seinen Anhängern eine Wahlempfehlung für Marine Le Pen ab. Das dürfte aber nicht reichen.

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Es bleibt also abzuwarten, wie sich die Wähler tatsächlich entscheiden. Radikale Veränderungen hat es schon gegeben. Die acht weiteren Kandidaten landeten allesamt unter 5 Prozent, was eine Wahlkampfkostenerstattung ausschließt. Darunter Valérie Pécresse, die für die einst mächtigen Republikaner (LR – Les Républicains) nur 4,8 Prozent holte und nun vor der Pleite steht. Die Sozialisten (PS – Parti Socialiste) schmierten mit Anne Hidalgo gar auf 1,7 Prozent ab und spielen praktisch keine Rolle mehr.
Ein wichtiger Faktor ist die allgemeine Unbeliebtheit des amtierenden Präsidenten. Das liegt vor allem daran, dass er Menschen am Rande der Gesellschaft zu wenig beachtet hat. Im Gegenteil: er schränkte soziale Rechte ein und fiel mit verächtlichen Kommentaren auf. Als »Präsident der Reichen«, wie er im Redaktionsnetzwerk Deutschland bezeichnet wurde, entfachte er einen »regelrechten Hass auf den Präsidenten mit dem Image des nervtötenden Klassenbesten«.
Es könnte also durchaus sein, dass die Wähler Mélenchons diesmal Le Pen als ihr »kleineres Übel« betrachten. Die Libération sprach in diesem Zusammenhang von einer »Entteufelung« Marine Le Pens.
Links-und Rechtspopulisten haben zusammen 52,5 Prozent der Stimmen erhalten. Wer glaubt, so eine Kombination sei unmöglich, sollte sich an das Jahr 2015 erinnern, als in Griechenland die Linkspartei Syriza mit den Unabhängigen Griechen ein Regierungsbündnis einging. Diese Koalition hielt immerhin vier Jahre.
In Frankreich ist man noch nicht so weit. Dennoch gehen Umfragen von einem Kopf-an-Kopf-Rennen bei der Stichwahl aus. Inwieweit diese Einschätzung zutrifft oder eher Kalkül ist, die Gegner Le Pens zu sammeln, wird man am Wahlabend sehen.
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Eine Antwort
Macron wird wahrscheinlich leider wieder gewinnen. Ich hoffe aber, ich irre mich und Le Pen gewinnt.