Kolonialverbrecher oder Kulturbereicherer?
Deutsche Verbrechen oder deutsche Errungenschaften: In Namibia bedient man sich der Narrative, wie man sie braucht – Hauptsache, es fließt deutsches Geld. Entweder reichen die Reparationszahlungen nicht oder man sieht einfach nur eine gute Gelegenheit? Doch interessant ist es allemal, was im Zuge des sog. Nomaden-Visums, das Namibia den Deutschen schmackhaft machen will, zum Vorschein kommt. Als Hilfe in der Energiekrise verpackt will Namibias Präsident, Hage Gottfried Geingob, Deutsche anlocken: „Das ist eure zweite Heimat hier.“
Sascha A. Roßmüller
Das Gebiet des heutigen Namibia wurde im Jahre 1884 ein Schutzgebiet des Deutschen Reiches, wobei weite Gebiete käuflich erworben wurden, und blieb bis zum Ende des Ersten Weltkrieges eine deutsche Kolonie mit dem Namen Deutsch-Südwestafrika. 1885 ernannte Reichskanzler Bismarck Heinrich Göring, den Vater des späteren nationalsozialistischen Ministers, zum Reichskommissar. Dieser schloss weitere Schutzverträge mit den einheimischen Stämmen ab.
Aber da ja bekanntlich seit Ende des Zweiten Weltkrieges die deutsche Geschichte in ihrer Gesamtheit nur einem Verbrecheralbum entsprechen darf, und bereits seit Ende des Ersten Weltkrieges jeder Reparationen fordert, befleißigte sich auch Namibia dieser Praxis. Im Mai des vergangenen Jahres war eine Einigung der damaligen Bundesregierung und der namibischen Regierung auf ein Versöhnungsabkommen bekannt gegeben geworden, das als Wiedergutmachung für die angeblichen deutschen Kolonialverbrechen im heutigen Namibia Wiederaufbauhilfen in Höhe von 1,1 Milliarden Euro vorsieht. Natürlich reichte dies einigen Stammesgenossen dennoch nicht aus.
Weiterführende Informationen:
Der deutsche Suppenkaspar – schuld am Elend der Welt
Südafrika: Chaostage in der Rainbow Nation
Sonder-Visa zum Überwintern
Allerdings zeigt sich Namibia flexibel und ist sich durchaus gewisser teutonischer Errungenschaften bewusst, die sicherlich nicht ganz ohne Grund beibehalten wurden. Errungenschaften längst vergangener deutscher Regierungen, auf die man sich gerade jetzt geschäftstüchtig bezieht, weil die gegenwärtige deutsche Regierung auf ganzer Linie versagt. Denn speziell die hierzulande galoppierende Inflation sowie der energiepolitische Notstand veranlassen das ehemalige Deutsch-Südwestafrika, Deutschen sechsmonatige Sonder-Visa zum Überwintern in Afrika anzubieten.
Nangula Uuandja, CEO des an das Präsidentenbüro angegliederten „Namibian Investment Promotion and Development Board“ wirbt nicht allein mit dem Heizkosten-Argument, sondern auch damit, dass anders als in der Bundesrepublik auch kein Blackout drohe. „Wir haben immer Strom!“, preist Uuandja ihr Land an. Auffällig und bemerkenswert ist dabei, dass sich Namibia in einem sehr deutlich von Deutschland unterscheidet: Es lässt nicht einmal hinsichtlich nur temporärer Aufenthalte eine unkontrollierte Einreise zu. Als Bedingung müssen besagte Visum-Bewerber nachweisen, dass sie über einen Arbeitsplatz sowie rund 2000 Euro Einkommen monatlich verfügen, um für ihren eigenen Lebensunterhalt aufkommen zu können.
Deutsche Prägung Teil der Identität Namibias
Als Attraktionen werden unter anderem solche „Kolonialverbrechen“ angepriesen, wie deutschsprachige Tageszeitungen und Radiosender, zahlreiche deutsche Orts- und Straßennamen sowie Staatsschulen, an denen die deutsche Sprache gelehrt wird. In vielen Restaurants, wie beispielsweise „Joe’s Beerhouse“ in Windhuk, werden Eisbein, Nürnberger Rostbratwürste, Weißwürste und Leberkäse geführt. Zu deutschen Brötchen und Laugenbrezeln kann man sich einen halben Liter Windhoek Lager vom Fass für gerade einmal 1,60 Euro gönnen.
Der „Deutsche Turn- und Sportverein Windhoek“ bietet sich nach wie vor zur körperlichen Ertüchtigung an und das deutschsprachige „Südwesterlied“ als Quasi-Nationalhymne der etwa 15.000 Deutschstämmigen kann durchaus von Heino höchstpersönlich vorgetragen genossen werden, der nicht nur einmal in Namibias Hauptstadt auftrat.
Weiterführende Informationen:
Entschädigungsangebot abgelehnt: Namibia will mehr deutsches Geld!
In der Küstenstadt Swakopmund, von BILD als eine Art deutsches Ostseebad im Südwesten Afrikas beschrieben, hört man noch heute vielfach die deutsche Zunge. Clemens von Doderer, Länderrepräsentant der Hanns-Seidel-Stiftung in Namibia, erklärte gegenüber BILD sogar, dass die deutsche Prägung eine der Strömungen im Land darstelle, die Teil der Identität Namibias sei. „Wer hier ankommt, fühlt sich schnell zu Hause“, versichert von Doderer.
Da stellt sich schon die Frage, ob wir Deutsche uns generationenübergreifend als Kolonialverbrecher oder doch Kulturbereicherer betrachten dürfen. Zumindest darf man sich nicht wundern, wenn sich diejenigen, die es sich leisten können, für das Winter-Homeoffice in Namibia entscheiden, zumal arbeitstechnisch gesehen die Zeitverschiebung von gerade einmal einer Stunde kein Problem darstellt. Deren Geld wäre dann allerdings dem deutschen Wirtschaftskreislauf entzogen: Danke, Herr Habeck!