85 Jahre ist es her, dass die deutsche Wehrmacht das angeblich so unschuldige Polen überfiel. Bis heute wird der Schuldanteil der Zweiten Polnischen Republik am Kriegsausbruch verschwiegen, um an der Behauptung der Alleinschuld des Dritten Reiches festhalten zu können. In der Mainstream-Darstellung ist Deutschland der ruchlose Aggressor, der am 1. September 1939 Polen angriff und damit völlig unprovoziert den Weltenbrand ausgelöst habe.
Jürgen Gansel
Die Zeit davor nennt der Historiker Stefan Scheil »Polens Zwischenkrieg«. Er meinte damit – dokumentiert in seinem gleichnamigen Buch Polens Zwischenkrieg. Der Weg der Zweiten Republik von Versailles nach Gleiwitz (2022) – die aggressiven Großmachtambitionen der polnischen Eliten, die sich selbst mit den beträchtlichen Gebietsgewinnen auf deutsche Kosten infolge des Versailler Vertrages nicht zufriedengeben wollten. In Versailles bekam Polen fast die gesamte deutsche Provinz Posen und weite Teile Westpreußens zugesprochen.
Als schwere Hypothek für die Zukunft erwies sich die Bildung des »polnischen Korridors« im größten Teil Pommerellens und des Kulmerlandes. Damit verschafften die Westalliierten Polen einen direkten Zugang zur See und schnitten Ostpreußen vom Reichsgebiet ab. Das südliche Ostpreußen durfte nach Volksabstimmungen 1920 bei Deutschland verbleiben. Im selben Jahr erklärten die Siegermächte die Hafenstadt Danzig trotz ihrer fast ausschließlich deutschen Einwohnerschaft zum autonomen Freistaat unter dem »Schutz« des Völkerbundes. Großmacht-Getöse sprach aus den Worten von Ministerpräsident Ignaz Paderewski, der im April 1919 in Paris erklärte:
»Wenn Polen nicht Danzig erhält, war der Krieg vergebens. Danzig in den Händen der Deutschen zu belassen, würde die Niederlage aller Armeen bedeuten, die an diesem Weltkrieg teilgenommen haben.«
Empörung über Gebietsraub
Die landgierigen Polen hatten es auch auf Oberschlesien abgesehen. Bei einer Volksabstimmung im März 1921 votierten rund 60 Prozent der Bevölkerung für die staatliche Zugehörigkeit zu Deutschland. Trotzdem entschieden sich die Weltkriegssieger im Oktober 1921 für die Teilung der preußischen Provinz und die Abtretung Ostoberschlesiens an Polen.
In Deutschland war die Empörung über diesen Gebietsraub parteiübergreifend riesig. Dass es zur Abtrennung des großen Kohle- und Industriereviers kam, war nicht zuletzt blanker Gewalt geschuldet. Im Mai 1921 zettelten polnische Chauvinisten den dritten oberschlesischen Aufstand an, weil sie ihre Abstimmungsniederlage nicht hinnehmen wollten. Deutsche wurden von polnischen Freischärlern terrorisiert und zu Tausenden in die sicheren oberschlesischen Großstädte vertrieben. Schon im August der Jahre 1919 und 1920 hatte die »Polnische Militärorganisation« (POW) Aufstände vom Zaun gebrochen, um Oberschlesien völkerrechtswidrig vom Deutschen Reich abzutrennen.
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Aggressive Polonisierungspolitik
Der 1918 wiedergegründete polnische Staat betrieb eine aggressive Polonisierungspolitik in den Gebieten, die 1918 noch zum Deutschen Reich gehört hatten. Die dort seit Jahrhunderten ansässige deutsche Bevölkerung wurde systematisch schikaniert und entrechtet, um sie zur Auswanderung zu bewegen.
Was in der Zwischenkriegszeit in Westpreußen, Posen und Ostoberschlesien geschah, war ein Vorspiel für die schweren Vertreibungsverbrechen nach 1945. Durch Ächtung ihrer Muttersprache, behördliche Schikanen und schonungslose Enteignungen wurden in den 1920er-Jahren Hunderttausende Deutsche aus ihrer Heimat verdrängt. Das Bonner Zentrum gegen Vertreibungen nennt diese Zahlen:
»Die deutsche Bevölkerung des Gebiets der Woiwodschaft Pommerellen ging von 421 000 (1910; 42,5 Prozent) auf 176 000 (1921) und schließlich auf 105 000 (1931; 10 Prozent) zurück, die des Gebiets der Woiwodschaft Bromberg (mit dem Norden der ehemaligen Provinz Posen) von 316 000 (1910; 45,2 Prozent) auf 162 000 (1921), dann auf 96 000 (zehn Prozent) zurück.«
Die schlimme Lage der Volksdeutschen im neuen polnischen Staat trieb alle Politiker der Weimarer Republik um.
Weiterführende Informationen:
Umso überraschter war die Weltöffentlichkeit, dass ausgerechnet der neue Reichskanzler Adolf Hitler den Polen einen zunächst für 10 Jahre geltenden Nichtangriffspakt anbot, den Warschau und Berlin im Januar 1934 tatsächlich unterzeichneten. Dabei hatten die Polen noch im Vorjahr versucht, die Franzosen für einen gemeinsamen Präventivkrieg gegen das Reich zu gewinnen.
Mehrere Anläufe zur Lösung der Danzigfrage
Nach dem Münchner Abkommen und der Lösung der Sudetenkrise strebte die Reichsregierung im Oktober 1938 eine »Generalbereinigung aller bestehenden Reibungsmöglichkeiten zwischen Deutschland und Polen« an. Berlin schlug vor, dass die deutsche Stadt Danzig wieder ins Mutterland eingegliedert und durch zwei exterritoriale Verkehrswege eine direkte Landverbindung zu Ostpreußen geschaffen wird. Im Gegenzug wollte das Reich die wirtschaftlichen Interessen Polens in Danzig anerkennen und ihm dort einen ungehinderten Zugang zu einem Freihafen garantieren. Außerdem bot man Warschau die endgültige Anerkennung der übrigen deutsch-polnischen Grenzen und einen Nichtangriffspakt mit 25 Jahren Laufzeit an. Laut dem Historiker Hellmut Diwald unternahm die Reichskanzlei vier Anläufe, um die Danzig- und Korridorfrage in ihrem Sinne zu lösen.
Weil die polnische Regierung in ihrer Unnachgiebigkeit von Großbritannien bestärkt wurde, reagierte sie auf ein nochmaliges Vermittlungsangebot Hitlers im März 1939 mit einem gefährlichen Affront. Am 23. März 1939 ordnete sie die Teilmobilmachung an und brachte ihre Truppen an der Westgrenze auf Kriegsstärke. Polens Außenminister Józef Beck erklärte eine deutsche »Änderung des Status von Danzig« zum Casus belli und hatte bereits in der ersten Märzhälfte von Großbritannien den bedingungslosen Beistand zugesichert bekommen. Nachdem Warschau Berlin eine Absage erteilt hatte, gab London am 31. März 1939 die berühmte »Garantieerklärung« ab, die Polen noch kompromissloser auftreten ließ. Großbritannien sicherte ihm jede »in seiner Macht stehende Hilfe« zu, sollte sich Polen von Deutschland in seiner Unabhängigkeit militärisch bedroht fühlen.
Britische Garantieerklärung bestärkt Polen in kompromissloser Haltung
Erst nach der polnischen Teilmobilisierung und der britischen Beistandserklärung ließ Hitler die Pläne für den »Fall Weiß« ausarbeiten, also den Feldzug gegen Polen. Am 28. April 1939 erklärte er den deutsch-polnischen Nichtangriffspakt von 1934 wegen der polnisch-britischen Vereinbarungen für nichtig. »Trotz Freundschaftsabkommen hat in Polen immer die innere Absicht bestanden, jede Gelegenheit gegen uns auszunutzen«, beklagte Hitler im Mai 1939 vor der Wehrmachtsführung. Im August zitierte die britische Daily Mail den polnischen Marschall Edward Rydz-Śmigły mit der Aussage:
»Deutschland wird den Krieg mit Polen nicht vermeiden können, selbst wenn es das will.«
Am 10. August drohte Polens Regierung der Reichskanzlei schriftlich mit Krieg, und am 25. August 1939 wurde ein weiterer britisch-polnischer Beistandspakt unterzeichnet. Hitler versuchte zu deeskalieren und Großbritannien davon zu überzeugen, dass es einen deutschen Waffengang gegen Polen nicht als Bündnisfall ansehen müsse. Letzte deutsche Verhandlungsvorschläge wies Polens Botschafter in Berlin, Józef Lipski, noch kurz vor dem großen Knall zurück. Am 30. August 1939 ordnete Polen die allgemeine Mobilmachung an, und tags darauf erteilte Hitler den Angriffsbefehl für die Morgenstunden des 1. September.
Erinnerungswürdig ist zudem eine Aussage des britischen Historikers Hugh Seton-Watson:
»Die Tatsache, dass das wahre Ziel der herrschenden polnischen Klasse keineswegs nationalistisch, sondern imperialistisch war, dass es die Herrschaft über große Bevölkerungsgruppen fremder Abstammung einschloss, ist in Westeuropa niemals genügend verstanden worden.«
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USA setzen auf Polen: Ein neues Lieblingsziehkind in Europa
Eine Heimat für alle Deutschen
Polen weiterhin gegen Nord Stream 2
Obwohl der britische Premier David Lloyd George ein Deutschlandhasser war, hielt er von den Polen ziemlich wenig. Im Falle der Schaffung des polnischen Korridors schwante ihm:
»Der Vorschlag, dass wir 2,1 Millionen Deutsche der Autorität eines Volkes unterstellen sollen, das abweichender Konfession ist und im Laufe seiner Geschichte niemals gezeigt hat, dass es sich selbst zu regieren versteht, dieser Vorschlag würde uns früher oder später zu einem neuen Kriege im Osten Europas führen.«
Vor 85 Jahren erlebten die großmäuligen und zur militärischen Selbstüberschätzung neigenden Polen ihr Trauma des deutschen Blitzsiegs. Nach nur zwei Wochen war ihre Armee geschlagen, und nach vier Wochen kapitulierte Warschau.