Sekretär seines Jahrhunderts – Vor 125 Jahren wurde Ernst Jünger geboren

Ernst Jünger hat nicht, wie Honoré de Balzac, erklärt, »le secrétaire de son époque« sein zu wollen, sein Werk hat ihn jedoch im Rückblick zum Sekretär eines ganzen Jahrhunderts, nämlich des 20., werden lassen.

Arne Schimmer

Sein Lebensbogen reichte vom Kaiserreich und den großen Schlachten des Ersten Weltkriegs bis zur Zeit unmittelbar vor der Jahrtausendwende, und seine Autorschaft von seinem im Jahre 1920 erschienenen Erstling In Stahlgewittern bis zu dem letzten, im Jahre 1997 erschienenen, fünften Band seiner Alterstagebücher Siebzig verweht. In seiner ganzen, langen Schaffensperiodehat Jünger unablässig versucht, die Kräfte, die sein Jahrhundert bewegten, zu ergründen. Doch wer war dieser Mann, dessen Zeitzeugenschaft von Erich Ludendorff bis Helmut Kohl reicht?

Der Große Krieg

Ernst Jünger wird am 29. März 1895 als ältestes von sieben Kindern, von denen zwei allerdings kurz nach der Geburt sterben, in Heidelberg geboren. Sein Vater konnte durch seine Tätigkeit als Apotheker und eine Beteiligung am Kali-Bergbau beträchtliche Einkünfte erzielen und der großen Familie ein Leben in einem relativen Wohlstand ermöglichen. Die bürgerlichen Umstände sagen Ernst Jünger allerdings wenig zu. In der Schule lassen seine Leistungen – sicherlich auch bedingt durch eine hohe Zahl von Schulwechseln und Umzügen – zu wünschen übrig und schon der Junge träumt unentwegt von Abenteuern und einer Flucht aus den geordneten Verhältnissen. Im Jahr 1913 reißt Jünger dann nach Frankreich aus und schreibt sich in Verdun bei der Fremdenlegion ein. Sein Traumziel Afrika erreicht er dann auch tatsächlich in Form des algerischen Ausbildungslagers Siddi bel Abbès, von dem aus Jünger einen neuen Ausbruchsversuch startet, der von der Fremdenlegion allerdings schnell beendet wird. Nur mit großer Mühe gelingt es Jüngers Vater, seinen Sohn nach sechswöchiger Legionärszeit über eine Intervention des Auswärtigen Amtes nach Deutschland zurückzuholen; eine Episode, über die Jünger später in seiner Novelle Afrikanische Spiele berichten wird. Nur ein Jahr später meldet sich Jünger kurz nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges als Freiwilliger beim traditionsreichen Füsilier-Regiment 73 in Hannover, und wird nach Notabitur und kurzer militärischer Ausbildung an die Champagne-Front in Frankreich abkommandiert. Nach einer ersten Verwundung beschließt Jünger auf Anraten seines Vaters, die Offizierslaufbahn einzuschlagen, nimmt als Leutnant an der Somme-Schlacht (24. Juni bis 26. November 1916) teil, erhält nach seiner dritten Verwundung das EK I und wird mit der Bildung eines Stoßtrupps für besonders kühne Aktionen zur Aufsprengung feindlicher Reihen beauftragt. Jüngers Einheit wird im Sommer 1917 nach Flandern verlegt, wo Jünger auf dem Schlachtfeld von Langemarck durch einen unglaublichen Zufall auf seinen schwer verwundeten Bruder Friedrich Georg trifft und dafür sorgt, dass dieser in ein Lazarett zurücktransportiert wird. Nach einer weiteren Verwundung ín der Doppelschlacht von Cambrai wird Jünger das Ritterkreuz des Hausordens von Hohenzollern verliehen, im März 1918 nimmt er an der großen Michael-Offensive teil, mit der Ludendorff den Sieg für das Deutsche Reich erzwingen will und die Jünger später in dem Buch Feuer und Blut – Ein kleiner Ausschnitt  aus einer großen Schlacht schildern wird. Beim Vorrücken verliert Jünger am 19. März 1918 durch einen Granateinschlag fast seine gesamte Kompanie und wird drei Tage später selbst durch zwei Schüsse verletzt. Jünger schilderte die Szene später wie folgt: »Ich glaubte, ins Herz getroffen zu sein, doch empfand ich bei der Erwartung des Todes weder Schmerz noch Angst. Im Stürzen sah ich die weißen, glatten Kiesel im Lehm der Straße. Ihre Anordnung war sinnvoll, notwendig wie die der Sterne und verkündete große Geheimnisse.« Fünf Monate später, als Jünger in der Schlacht von Baupaume wieder einmal an vorderster Stelle nach vorne stürmt, trifft ihn ein Lungenschuß, und er verliert so viel Blut, dass er in wenigen Minuten verblutet sein würde. In seinem Kriegstagebuch In Stahlgewittern schildert er: »Nun hatte es mich endlich erwischt … Als ich schwer auf die Sohle des Grabens schlug, hatte ich die Überzeugung, dass es unwiderruflich zu Ende war. Und seltsamerweise gehört dieser Augenblick zu den ganz wenigen, von denen ich sagen kann, dass sie wirklich glücklich gewesen sind.« Doch Angehörige seiner Kompanie, bei denen Jünger als der »ruhige Leutnant« mittlerweile in höchstem Ansehen steht, bringen ihn zu einem Verbandplatz, wobei ein Sanitäter, der ihn tragen hilft, und danach ein anderer Soldat, der ihn auf die Schulter nimmt, durch Kopfschüsse getötet werden.

»Pour le mérite«

Jünger, der nach dieser schweren Verwundung im Hannoverschen Clementinenstift gepflegt wird, ahnt nicht, dass sein Divisionskommandeur Generalmajor von Busse ihn schon vor der Schlacht von Baupaume für die höchste preußische Kriegsauszeichnung »Pour le mérite« vorgeschlagen hatte: »Jünger ist in der ganzen Division bekannt als rücksichtslos tapferer Führer, der von seinen Füsilieren alles verlangen kann, dem seine Kompanie unbedingt folgt, wohin er sie führt. Er war sechsmal verwundet und jedesmal, wenn neue Kämpfe bevorstanden, wieder bei der Truppe…Das leuchtende Beispiel, das er unzählige Male gegeben hat, ist in den schweren Zeiten, die die Division durchgemacht hat, von so großer Bedeutung, dass ich diesen jungen Offizier, der auch den erfolgreichsten Fliegern wohl gleichwertig zu achten ist, zu der hohen Auszeichnung mit dem Orden ›Pour le mérite‹ in Vorschlag bringe.« Jünger wird der letzte und jüngste Träger dieses von Friedrich dem Großen gestifteten Ordens sein und auch sein Kriegstagebuch In Stahlgewittern schließt mit den Zeilen: »An einem dieser Tage, es war der 22. September 1918, erhielt ich vom General von Busse folgendes Telegramm: ›Seine Majestät der Kaiser hat Ihnen den Orden Pour le mérite verliehen. Ich beglückwünsche sie im Namen der ganzen Division.‹«

Jüngers Überleben kann nur als Wunder aufgefasst werden. Von seinem Jahrgang 1895 blieben etwa 35 Prozent der jungen Männer auf den Schlachtfeldern, bei der Infanterie waren die Verluste nochmals weitaus höher. Weitere Millionen von Männern wurden schwer verwundet und kehrten als Krüppel oder entstellt nach Hause zurück. Jüngers Kompanie wurde zweimal, Anfang September 1916 bei Guillemont und im März 1918 bei Cambrai, fast völlig vernichtet. Die Gefallenen ehrte Jünger mit einem der größten Bücher, die je über den Krieg geschrieben wurden, den Stahlgewittern, die wohl nur noch mit Homers Illias oder Ariosts Rasendem Roland verglichen werden können. Auch Pazifisten wie der französische Nobelpreisträger André Gide und Erich Maria Remarque waren von Jüngers Darstellung des Krieges tief berührt. Gide erklärte: »Es ist unstreitig das schönste Kriegsbuch, das ich kenne; völlig glaubwürdig, wahrheitsgemäß, ehrlich.«Bemerkenswert sind die Stahlgewitter weniger als äußerer Bericht, sondern als Schilderung des Krieges als inneres Erlebnis und der Wandlungen eines Menschen durch den Krieg. Seit den Grabenkriegen und Schlachten des Weltkrieges begriff sich Jünger als Überlebender der Moderne, deren Erscheinungen er nun philosophisch entschlüsseln wollte. Die Technik und das Material waren die neuen, alles bestimmenden Mächte, deren Aufstieg Jünger im Ersten Weltkrieg miterlebt hatte. Im Takt der »Webstühle von Manchester« hört er das »Rattern der Maschinengewehre von Langemarck« und den »Rhythmus einer neuen Zeit«.

Krieg und Politik

Nach dem Ersten Weltkrieg war Jünger zunächst bei der Reichswehr untergekommen, die er aber 1923 verließ, um sich ganz seiner Arbeit als freier Schriftsteller widmen zu können. Jüngers Autorschaft in den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts ist stark von zwei Themen geprägt: Dem Krieg und der Politik. Den tiefsten Grund für die Kriegsniederlage sah Jünger in dem Unvermögen des Kaiserreichs, auch noch die letzten ökonomischen und materiellen Ressourcen zu mobilisieren und eine zum Sieg befähigende Idee vorzugeben. Aus diesen Überlegungen formt Jünger einen »Neuen Nationalismus«, der gegenüber der Moderne nicht mehr in eine Abwehrhaltung geht, sondern sogar noch »Dampf hinter die Erscheinungen« setzen will. Ernst Jünger wird zum Vordenker und wichtigsten Autor des »Neuen Nationalismus« und schreibt zahlreiche Artikel für nationalrevolutionäre, teilweise selbst von ihm herausgegebene Publikationsorgane wie Die Standarte, Arminius, Der Vormarsch oder Ernst Niekischs Widerstand. Zeitschrift für nationalrevolutionäre Politik. Bis 1933 verfaßt er schätzungsweise 140 Artikel. Als »die vier tragenden Grundpfeiler des modernen Nationalismus« benennt Jünger »den nationalen, den sozialen, den kriegerischen und den diktatorischen Gedanken«.

Neuer Nationalismus

In dem Aufsatz »Das Sonderrecht des Nationalismus«, der im Januar 1927 in der Zeitschrift Arminius erschien, gelingt ihm eine der bis heute besten Definitionen des Nationalismus: »Wir Nationalisten glauben an keine allgemeinen Wahrheiten. Wir glauben an keine allgemeine Moral. Wir glauben an keine Menschheit als an ein Kollektivwesen mit zentralem Gewissen und einheitlichem Recht. Wir glauben vielmehr an ein schärfstes Bedingtsein von Wahrheit, Recht und Moral durch Zeit, Raum und Blut. Wir glauben an den Wert des Besonderen.«

Obwohl Jünger seinen ersten politischen Aufsatz aus dem Jahr 1923 noch im Völkischen Beobachter veröffentlicht, setzt schon im Laufe der zwanziger Jahre eine Entfremdung Jüngers von der Politik der NSDAP ein. Dies liegt nicht nur daran, dass Jünger im Frontsoldaten den legitimen Träger einer neuen Ordnung sieht und er deswegen den Legalitätskurs der NSDAP und ihre Strategie der Machteroberung über die Parlamente ablehnt, sondern auch daran, dass er zwar auch Begriffe wie »Blut« und »Rasse« verwendet, diese bei Jünger aber nicht für biologische Gegebenheiten, sondern für ethische Qualitäten oder Ränge stehen. Das »Blut« ist für ihn, der hierin dem französischen Nationalismus eines Maurice Barrès folgt, ein Metaphysicum, das sich nicht mit naturwissenschaftlichen Methoden ergründen läßt.

Distanziertes Verhältnis zur NSDAP

Ab April 1927 schließt er sich zudem zunehmend Ernst Niekischs »Widerstand«-Kreis an und schreibt für dessen gleichnamige Zeitschrift, in der an einer Synthese von Nationalismus, Sozialismus, Kommunismus und Preußentum gearbeitet wird, was seine Distanz zum Nationalsozialismus noch erhöht. Zweimal lehnt er Angebote der NSDAP zur Annahme eines Reichstagsmandats sowie eine ihm angebotene Aufnahme in die Dichterakademie im Jahr 1933 ab. Die wohl wichtigste Frucht seiner philosophischen Überlegungen ist sein im Jahre 1932 erschienener Großessay Der Arbeiter – Herrschaft und Gestalt,in dem Jünger konstatiert, dass sowohl in den marxistisch-leninistischen, faschistischen und liberalen Systemen ein gleichgerichteter Prozeß in der Beziehung abläuft, als in der modernen Welt alles Tun mehr und mehr zu Produktions- und Konsumtionszusammenhängen, also zu »Arbeit«, wird und die Modernisierung der Welt durch die totale Mobilmachung der Technik diese auch immer einheitlicher mache. Dieser Prozess ist nach Jünger notwendig, da die Technik eine Erscheinung ist, die aus dem Urgrund des Seins selbst auftaucht, und damit ein neuer Zyklus beginnt und ein alter abgeschlossen wird: »Hinter dem Verkehr steht der Typus des Arbeiters, hinter dem Duell der des Ritters; und beide empfangen ihren Auftrag aus Dimensionen, die ihnen letzthin verschlossen sind.« Aber Jünger schlägt in seinem Werk auch ganz neue Seiten auf: In seiner im Jahre 1929 erschienenen Schrift Das abenteuerliche Herz. Aufzeichnungen bei Tag und Nacht verbindet Jünger Traumnotate, autobiographische und politische Fragmente mit Naturbeobachtungen und kleinen Prosastücken zu einem neuen Genre und wird damit zu einem der Vorreiter des Surrealismus in Deutschland. Jünger beschreibt im Abenteuerlichen Herzen die Moderne als faszinierend, aber auch als bedrohlich und schockierend.

Strahlungen

Im Jahr 1939 streift Jünger sich ein zweites Mal den Soldatenrock über, obwohl es für ihn Möglichkeiten gegeben hätte, auf einen sicheren diplomatischen Posten zu wechseln, und nimmt am Frankreichfeldzug teil. 1941 kommt er in den Stab des Militärbefehlshabers von Frankreich nach Paris, wo er auch zahlreiche Kontakte zu französischen Intellektuellen knüpfen kann. Unter anderem besucht Jünger auch Pablo Picasso in seinem Atelier, der zu ihm sagt: »Wir beide, wie wir hier zusammensitzen, würden den Frieden an diesem Nachmittag aushandeln. Am Abend könnten die Menschen die Lichter anzünden.« Solche Begegnungen hält Jünger in seinen während des Zweiten Weltkriegs geführten Tagebüchern fest, die später unter dem Titel Strahlungen erscheinen werden. Das Jahr 1944 wird aber auch zur größten Zäsur in Ernst Jüngers Leben, denn es bringt den Tod seines jüngeren Sohnes Ernstel mit sich, der in den Marmorbergen von Carrara in Italien fällt. Jünger erhält für einige Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg Publikationsverbot und wechselt deshalb in die in politischen und künstlerischen Dingen liberalere französische Besatzungszone. Nach zahlreichen Umzügen und Ortswechseln, die ihn nach 1920 nach Hannover, Leipzig, Berlin, Goslar und Neapel, ins sächsische Leisnig und ins niedersächsische Kirchhorst, nach Überlingen am Bodensee und nach Ravensburg geführt hatten, findet Jünger im Jahr 1950 einen Ort, an dem er bis zu seinem Lebensende seßhaft bleiben wird, nämlich das kleine oberschwäbische Dörfchen Wilflingen im Landkreis Biberach.

Pessimistischer Blick auf die Moderne

Seine Deutung der Moderne nähert sich nun eher der seines Bruders Friedrich Georg an und wird immer pessimistischer, insbesondere die Zerstörung der Natur erfüllt Jünger mit besonderer Wehmut. Auf langen Reisen in den Nahen und Mittleren Osten, nach Afrika und in den Mittelmeerraum beobachtet Jünger den Schwund der historischen und ökologischen Bestände, der durch die erste Welle der Globalisierung ausgelöst wird. Diesen Schwund versucht er nun in die Metapher der »Herrschaft der Titanen« zu fassen, so seine mythologische Begründung für die Technisierung und Ökonomisierung und die damit einhergehende Vereinheitlichung der Welt. Jünger bleibt aber seiner im Ersten Weltkrieg gewonnenen Überzeugung treu, dass jeder große Verlust mit einem großen Gewinn verbunden ist, und erwartet für das 21. Jahrhundert, auf das sein Sinnen sich mehr und mehr richtet, einerseits große, umwälzende, vielleicht nie dagewesene Katastrophen, danach aber eine Vergeistigung und eine »Wiederkehr der Götter«. Für Jünger schließt sich ein Kreis, als er im Jahr 1986 nach Malaysia reist und dort im Hochland über dem Urwald ein zweites Mal den Halleyschen Kometen sieht, den er noch als Kind zusammen mit seinem Vater im Jahre 1910 beobachtet hatte, worüber er in seinem Reisetagebuch Zwei Mal Halley berichtet. Jüngers Denken ist insofern heidnisch, als er dem Phänomen der »Wiederkehr« historischer, naturwissenschaftlicher und astronomischer Phänomene größte Bedeutung beimisst und in ihnen einen Hinweis auf eine große, letzthin sinnvolle, Ordnung des Universums sieht.

Das Jünger-Haus in Wilflingen

Auch in seinen letzten Lebensjahren findet Jünger noch Zeit für seine Lieblingsbeschäftigung, das Sammeln von Käfern, und für die Fortführung seiner großen Korrespondenz, die er unter anderem mit dem Staats- und Völkerrechtler Carl Schmitt, dem Maler Rudolf Schlichter und Autoren wie Rolf Schilling und Helmut Krausser führt. In Wilflingen besuchen ihn Schriftsteller wie Jorge Luis Borges und Heiner Müller, aber auch Polit-Größen wie der deutsche Bundeskanzler Helmut Kohl, der spanische Ministerpräsident Felipe González und der französische Staatspräsident François Mitterrand. Mitterrand äußert bei seinem letzten Besuch in Wilflingen den von Jünger gerne erfüllten Wunsch, dessen Orden »Pour le mérite« zu sehen. Er ist erstaunt, über die seiner Ansicht nach zu geringe Würdigung, die Jünger in Deutschland erfährt, und sagt beim Abschied zu diesem, dass er in Frankreich in die Akademie aufgenommen oder Feldmarschall geworden wäre.

Dank an Freunde und Feinde

An seinem hundertsten Geburtstag ist Ernst Jünger von Dankbarkeit für sein erfülltes und langes Leben erfüllt: »Dank meinen Freunden, und meinen Gegnern auch. Beide gehören zum Karma – ohne sie kein Profil« ruft Jünger den Gästen seiner Geburtstagsfeier in dem Saulgauer Restaurant »Zum Löwen« zu. Erst in der Zeit nach seinem hundertsten Geburtstag stellt Jünger seine Reiseaktivitäten ein und empfängt kaum mehr Gäste. Am Nationalfeiertag beschleicht ihn bei der Zeitungslektüre das Gefühl, »der letzte Deutsche zu sein« und zum 8. Mai 1995 zitiert er in seinem Tagebuch Siebzig verweht kommentarlos eine Anzeige aus der Zeitung Die Welt, in der ein Leser an jene Landsleute erinnert, die am 8. Mai 1945 von ihrem Leben »befreit« wurden. Vor dem Tod, den er einmal »die letzte und unangreifbare Burg aller Freien und Tapferen« genannt hat, hat Jünger, wie auch schon als junger Soldat, keine Angst. Er verstirbt am 17. Februar 1998, vierzig Tage vor seinem 103. Geburtstag. Er war der Chronist, Mythologe, Philosoph und Dichter eines Jahrhunderts voller Spannungen und Katastrophen und die einzigartige Synthese von Dichtung und Philosophie, die sein Werk durchzieht, läßt ihn zu einem der großen geistigen Leitsterne des 21. Jahrhunderts werden.

Das Grab Ernst Jüngers in Wilflingen

Buchempfehlungen:

Ernst Jünger: In Stahlgewittern, Klett-Cotta, 324 S.

Ernst Jünger: Politische Publizistik: 1919 bis 1933, Klett-Cotta, 898 S.

Ernst Jünger: Das Abenteuerliche Herz. Erste Fassung. Aufzeichnungen bei Tag und Nacht, Klett-Cotta, 156 S.

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Eine Antwort

  1. Arne Schimmer hat eine kompetente Würdigung dieses großen Schriftsteller des 20. Jahrhundert verfasst. Sein Denken und Wirken wird deutlich, auch das Nennen der wichtigsten Zeitgenossen ist gelungen. Vermisst habe ich eine Bewertung seines Werkes „Auf den Marmorklippen“ und dessen Wirken zum Zeitpunkt der Veröffentlichung auf die verbliebene Intelligenz in Deutschland. Auch „der Waldgang“ hätte eine Erwähnung verdient zumal er in den heutigen Zeiten höchste Aktualität hat.