Kein Wirtschaftswachstum; keine sportlichen Erfolge; keine Nobelpreise; eine verhunzte Energiewende, die ohnehin den Namen nicht verdient hat. Hinzu kommen Pleiten, Pech und Pannen, über die sich das Ausland schlapp lacht: Berliner Flughafen oder die Ausfälle der Flugbereitschaft. „Nichts funktioniert mehr“, titeln zahlreiche Zeitungen. Aber zwischendurch dringen Stimmen durch, die keine Krise sehen wollen. Es wäre doch immer schon so gewesen. Ein Fall von Re-Framing.
Sascha von Aichfriede
Erinnert sich noch jemand an das „Berkeley International Framing Institute“ und Frau Dr. Elisabeth Wehling? Die ARD bezahlte 2017 für ihr „Framing Manual“ 120.000 €, um den Mitarbeitern des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (ÖRR) manipulative Kommunikationstechniken beizubringen, die Rundfunkgebühren und den damit verbundenen Luxus zu rechtfertigen.
Beim Framing geht es darum, Deutungsmuster zu analysieren und zu verändern. Damit lässt sich steuern, welche Ereignisse aus dem Rahmen (Frame) fallen und als störend wahrgenommen werden. Der ARD schlug Wehling vor, Rundfunkgebühren nicht mehr im Rahmen der Belastung durch Kosten zu deuten, sondern den ÖRR in den Rahmen eines gemeinschaftlichen Wohlfühlprojekts zu setzen, der jeden Cent wert ist. Und noch viel mehr.
Framing ist eine übliche Verhaltensweise, die jedermann anwendet. Das Ausbleiben von „weißer Weihnacht“ wegen des Klimawandels wird von vielen nicht mit mehr mit Traurigkeit quittiert, sondern mit der Feststellung, dass es warme Weihnachten auch schon früher gab. Der Rahmen wird also umgesetzt von der Normalität weißer Weihnacht zu grüner Weihnacht als vorherrschendes Deutungsmuster – und schon ist die Welt wieder in Ordnung.
Unsere Empfehlung:
Framing während der Flüchtlingskrise
Framing passiert vielen als unterbewusster Prozess, aber man kann Framing auch bewusst betreiben, also manipulativ. Als 2015 die Flüchtlingskrise begann, schickte sich der ÖRR mit zahlreichen Dokumentationen an, Migration als historische Normalität zu verkaufen oder umzudeuten, was deutsch ist. Da wurde eine Brücke geschlagen zwischen heute und der Völkerwanderung und wie toll das alles gewesen wäre – dass die großen Migrationen der Geschichte immer ein Verdrängungswettbewerb waren, passte nicht ins positive Framing. Der Bewertungsrahmen von Massenmigration wurde bewusst verschoben, von einem disruptiven Ereignis zu einer Normalität.
Nichts geht mehr in „Schland“
Die Debatte um die zunehmende Unfähigkeit Deutschlands bricht immer wieder aus, wenn es mal wieder allgemein sichtbar schlecht gelaufen ist. Die sportlichen Misserfolge deutscher Nationalmannschaften beispielsweise oder Pannen wie die der Flugbereitschaft sind beliebte Anlässe dafür. Davor war es der Berliner Flughafen und die Deutsche Bahn funktioniert auch immer als Symptom des Niedergangs.
Das ist so falsch nicht, denn der sportliche Wettbewerb sagt schon viel darüber aus, in welchem physisch-psychologischen Zustand ein Land ist und wie motiviert die Jugend ist, sich einem rigiden Leistungssystem zu unterwerfen. Das macht man nur, wenn erstens eine Infrastruktur vorhanden ist, die einen Leistungsaufbau ermöglicht, zweitens man selbst davon überzeugt ist und drittens, Erfolge quittiert werden.
Weiterführende Informationen:
Wie entkommen wir dieser Narrenrepublik?
DS September/Oktober 2022: Habecks Gaskrieg gegen Deutschland
Ein Land, das ohne Bauchschmerzen seine Selbstauflösung in den Vereinigten Staaten von Europa diskutiert wie ein Erlösungserlebnis, braucht keine Erfolge mehr. Es wäre ein Anachronismus. Und natürlich sind sportliche Erfolge und der Fortschritt in Wissenschaft und Technik keine notwendigen Bedingungen füreinander – die Sportförderung und die olympischen Erfolge des Ostblocks sind dafür ein anschauliches Beispiel. Dennoch sind die Symptome des Niedergangs unübersehbar.
Re-Framing: Wir waren immer schon scheiße
Aber so richtig bewusst scheint das Ausmaß der Krise noch keinem zu sein. Dafür sorgen zwei Gattungen: die Schönredner und die Re-Framer. Die Re-Framer tauchen im deutschen Blätterwald auch aktuell auf und behaupten, es wäre alles nicht so schlimm. Man müsse das positiv sehen, denn die Zeiten des unendlichen Erwartungsdrucks wären vorbei. Auch der deutsche Sonderweg, immer alles besser machen zu wollen, wäre endgültig verlassen. Und: Eigentlich waren wir doch schon immer irgendwie scheiße. Mindestens so scheiße wie alle anderen auch.
Man sieht: Der Deutungsrahmen wird verändert. Es wäre nicht so, dass die deutschen Pleiten, Pech und Pannen Symptome des Niedergangs seien. Nein, es war immer schon so und wir wollten es vielleicht nicht sehen.
Die Schönredner
Auch diese Gattung gibt es in Deutschland und leider zuhauf. Das ist die Art von Leuten, die dem Führer im Bunker im April 1945 noch darin bestärkten, dass alles gut wird; dass das Wunder noch kommen würde. Und das zieht sich bis heute durch. Tatsache ist aber auch, dass diese Leute oft gute Karrieren hinlegen, weil sie ihrer Führung immer das sagen, was sie hören will. Und gute Nachrichten sind eine Aufstiegswährung. Deswegen sitzen auch heute an allen Schaltstellen dieses Landes die Schönredner.
Grundlagen des Erfolgs
Das Ende des Schönredens können sich viele politischen Akteure gar nicht leisten. Es wäre ein Eingeständnis, dass die Konsenspolitik der letzten fünfundzwanzig Jahre falsch war.
Deutschland hatte spätestens um die Jahrtausendwende mit der rot-grünen Regierung Schröder das Ende der Leistungsgesellschaft eingeleitet und den „Wertewandel“ tatkräftig vorangetrieben. Credo: Deutschland müsse lockerer, toleranter und sympathischer werden. Die 68er waren am Ziel. Und wie die Deutschen so sind, wenn sie eine Aufgabe gestellt bekommen, widmen sie sich voll und ganz dieser. Sie werden dann zu locker, zu tolerant und zu sympathisch. Weil sie es nicht anders können. Es gibt keine goldene Mitte – nur das Total.
Was das für den Wirtschaftsstandort bedeutet, definierten die amerikanischen Professoren Borman und Motowidlo in den 1990ern. Sie beschäftigen sich mit dem Konzept der Leistung, der „Performance“. Sie haben zwei Typen der Leistung definiert:
1) „Task Performance“ und 2) „Contextual Performance“.
Task Performance beschreibt die Art und Weise, mit welcher Güte man eine Aufgabe erledigt, das technische Wissen, das man hat und die Fertigkeiten (Fachkompetenz). Übertrieben gesprochen: Eine Organisation, die nur darauf Wert legt, besteht aus lauter Fachidioten. Dem gegenüber steht die Contextual Performance, also das Miteinander. Wie gut passt man sich der Organisationsphilosophie an, ist man auf der gleichen Welle, passt man sich den Gepflogenheiten und so weiter – Sozialkompetenz. Legt eine Organisation nur darauf Wert, hat man am Ende eine Truppe voller angepasster, konformistischer Pfuscher.
Weiterführende Informationen:
Bundesregierung will „Skeptiker“ effektiver bekämpfen
Abteilung Märchenstunde: Bundesregierung startet Aufklärungskampagne gegen „Schleuser-Gerüchte“
Reportage aus dem Ahrtal: »Nach oben gucken, Sterne sehen.«
Deutschland war in diesem Raster immer mehr auf der Seite der Task Performance: schwierige Prüfungen, harte Anforderungen, ein gewisser Perfektionismus. Für die 68er war der Leistungsgedanke auch eine Ursache von Faschismus und Autoritarismus. Dieses System erodiert daher seit fast drei Jahrzehnten zugunsten „zufriedenerer“ Menschen, die sich „inkludiert“ fühlen. Abschlüsse werden verschenkt, Fehlleistungen akzeptiert.
Das Ergebnis ist ein Land, dass die Dinge nicht mehr so auf die Reihe bekommt, wie das einmal war. Gleichzeitig bemerken wir, wie die Betonung der Contextual Performance zu einem unglaublichen Konformitätsdruck führt, wie abweichende Meinungen „gecancelt“ werden. Das Zielbild Deutschlands: Eine bunte, konformistische Menge, die völlig harmlos ist, weil sie nichts kann und nichts weiß und auch nichts infrage stellt.
„Made in Germany“ nicht ohne Grund
Diejenigen, die das neue, mittelmäßige Deutschland nun zur neuen Normalität re-framen, vergessen etwas Wichtiges. Es war eben nicht immer schon so. Das Markenzeichen „Made in Germany“ kommt nicht von ungefähr. Es hatte sich über Jahrzehnte aufgrund von ausgezeichneten und überdurchschnittlichen Produkten herausgebildet. Deutsche Autos haben weltweit einen legendären Ruf. Auch den Beinamen als „Land der Dichter und Denker“ hatte das Ausland mitverliehen.
Deutschland war vor dem Ersten Weltkrieg die führende Wissenschaftsnation. Winston Churchill bewunderte in seinen Geschichtsbüchern die Leistungsfähigkeit Deutschlands, die nur mit mehrfacher Überlegenheit niedergerungen werden konnte1. Diese Wahrnehmungen zeugen von einem Deutschland, das den wahren Bewertungsrahmen für das heutige Deutschland bilden sollte – die Bewertung ist eine klare Sechs. Das heutige Deutschland ist historisch ungenügend. Aber für das Ausland akzeptabler, und das reicht den herrschenden Eliten.
1 Natürlich darf der Leistungsnachweis einer Nation nicht darin bestehen, sich mit möglichst vielen anzulegen, nur um zu zeigen, wie lange es dauert, um am Ende doch besiegt zu werden.