Die Frage nach dem einzigen direkt vom Volk gewählten deutschen Staatsoberhaupt kann heute kaum noch jemand beantworten. Es war Paul von Hindenburg (1847-1934)!
Moritz Altmann
Die Bundespräsidenten der BRD werden von der Bundesversammlung gewählt und haben damit keine direktdemokratische Legitimation. Die hatte auch der erste Präsident der Weimarer Republik, Friedrich Ebert, nicht. Der Sozialdemokrat wurde 1919 von der Nationalversammlung und nicht vom Volk zum Reichspräsidenten gewählt und bekam seine Amtszeit im Jahr 1922 vom Reichstag bis Mitte 1925 verlängert. Nach Eberts frühem Tod 1925 siegte Hindenburg für das rechte Lager im zweiten Wahlgang der Reichspräsidentenwahl. 1932 bestätigten ihn die Deutschen in einer Direktwahl im Amt. Damit war und ist er das einzige volksgewählte deutsche Staatsoberhaupt.
Bevor es Hindenburg aus nationaler Verantwortung in die Politik trieb, war sein Name mit einer glänzenden militärischen Laufbahn verbunden. Sie trug ihm Verehrung ein, als er zum Retter Ostpreußens vor den Russen wurde. Seinen inneren Kompass beschrieb er so: »Als Mensch habe ich gedacht, gehandelt und geirrt. Maßgebend in meinem Leben und Tun war für mich nicht der Beifall der Welt, sondern die eigene Überzeugung, die Pflicht und das Gewissen.«
Weiterführende Informationen:
Paul von Hindenburg: Erinnerung an den Helden von Tannenberg
Konservativer Revolutionär in Opposition zu Weimar und Hitler: Edgar Julius Jung
Seit Jahrzehnten bewährt: Kasse machen mit Hitler
Paul von Beneckendorff und von Hindenburg, so der vollständige Name, kam am 2. Oktober 1847 in der preußischen Provinzhauptstadt Posen zur Welt. Als Sohn eines Offiziers und Gutsbesitzers nahm er an den Kriegen von 1866 und 1870/71 teil und stieg 1903 zum Kommandierenden General des IV. Armeekorps in Magdeburg auf. 1911 nahm er seinen Abschied. Bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges ließ er sich reaktivieren und wurde im August 1914 Oberbefehlshaber der 8. Armee in Ostpreußen. Zusammen mit seinem Generalstabschef Erich Ludendorff konnte er die im Osten des Reiches eingefallenen russischen Armeen bei Allenstein und an den Masurischen Seen vernichtend schlagen. Der deutsche Sieg in der »Schlacht bei Tannenberg« Ende August 1914 gilt unter Militärexperten als Meisterleistung des Bewegungskrieges und als früher Wendepunkt an der Ostfront.
Direkt nach der zaristischen Mobilmachung drangen zwei Armeen ins Reichsgebiet ein. Von Osten näherte sich die Njemen-Armee der Stadt Gumbinnen, und die Narew-Armee marschierte von Süden auf die Weichsel zu, um Ostpreußen vom Reich abzuschneiden. Das Ostland schien verloren, als die Deutschen bei Gumbinnen unterlagen. Der Oberbefehlshaber der 8. Armee wollte schon den Rückzug antreten. Deshalb bekam Hindenburg sein Kommando übertragen, um das Blatt noch zu wenden. Mit einer kühnen Umfassungs- und Vernichtungsschlacht konnte Hindenburg die Narew-Armee pulverisieren. Das und weitere Siege gegen die Russen förderten einen regelrechten Hindenburg-Kult.
Der »Sieger von Tannenberg«
Im November 1914 zum Generalfeldmarschall ernannt, übernahm der »Sieger von Tannenberg« Ende August 1916 zusammen mit Ludendorff die Oberste Heeresleitung (OHL). Als Chef des Generalstabs des Feldheeres hatte Hindenburg erheblichen Einfluss auf die Reichsregierung. Im Juli 1917 trug er entscheidend zur Entlassung des führungsschwachen Reichskanzlers Theobald von Bethmann Hollweg bei. Im Innern richtete sich die 3. Oberste Heeresleitung auf die Mobilisierung aller Kräfte für die Kriegsführung. Dazu gehörten etwa das Hilfsdienstgesetz und das Hindenburg-Programm zur Ankurbelung der Wirtschaft und der Rüstungsproduktion. Im November 1918 riet der Generalfeldmarschall Kaiser Wilhelm II., ins niederländische Exil zu gehen, um die Monarchie zu retten, was sich freilich als illusionär erwies.
Um die kommunistischen Unruhen im Land zu bekämpfen und für eine reibungslose Rückführung der Fronttruppen zu sorgen, stellte sich Hindenburg in preußischer Pflichterfüllung auch der neuen Reichsregierung zur Verfügung. Nachdem deutsche Regierungsvertreter den Versailler Diktatfrieden unterzeichnet hatten, legte er Mitte 1919 sein Kommando nieder. Seinen Ruhestand verbrachte er in Hannover, von wo aus er viele Reisen durchs Reich unternahm, insbesondere nach Ostpreußen.
1920 erschienen seine Memoiren Aus meinem Leben***. Das Buch widmete er all jenen, »die mit mir im Feld und in der Heimat für des Reiches Größe und Dasein kämpften«. Im Vorwort schrieb Hindenburg im Brustton nationalen Zukunftsglaubens: »Inmitten der schwersten Zeit unseres Vaterlandes niedergeschrieben, entstanden die folgenden Erinnerungsblätter doch nicht unter dem bitteren Drucke der Hoffnungslosigkeit. Mein Blick ist und bleibt unerschütterlich vorwärts und aufwärts gerichtet.« Aus dieser Haltung heraus hielt er sich trotz seines hohen Alters und seiner republikkritischen Einstellung auch zu Weimarer Zeiten für höchste Aufgaben bereit.
Weiterführende Informationen:
Berlin: Kaiser-Wilhelm-Platz umbenannt
Über Zusammenbruch und Wiedergeburt Deutschlands
Franz Joseph I.: Ein Kaiser als Mythos
Nach dem Tod von Reichspräsident Friedrich Ebert (SPD) im Februar 1925 und einer ersten Runde der Reichspräsidentenwahl ohne absolute Mehrheit, konnten die nationalen Parteien den Parteilosen für eine Kandidatur gewinnen. Im April 1925 siegte der 77-Jährige im zweiten Wahlgang gegen den Zentrumspolitiker Wilhelm Marx und wurde Reichspräsident.
Obgleich Anhänger der Monarchie, übte Hindenburg sein Amt im Rahmen der Verfassung sehr korrekt aus. Erst im März 1930 wurde ihm das von politischen Gegnern abgesprochen, als er den Finanzexperten und Zentrumspolitiker Heinrich Brüning zum Kanzler machte, ohne das Parlament einzuschalten. Die Weimarer Reichsverfassung gestand dem Staatsoberhaupt aber das Recht zu, in Notlagen sogenannte Präsidialkabinette zu bilden. Und nach Ausbruch der Weltwirtschaftskrise 1929 befand sich Deutschland in einer wirtschaftlichen Notlage, die es auch politisch destabilisierte. Mit dem Fachminister-Kabinett von Brüning hoffte der Reichspräsident auf eine parteipolitisch unabhängige und damit weniger störanfällige Regierung. Gestützt auf das Notverordnungsrecht gemäß Artikel 48 konnte Hindenburg ohne Einschaltung des Reichstages mit Notverordnungen regieren.
1932 gewann er – diesmal sogar von der SPD unterstützt – die Reichspräsidentenwahl gegen Adolf Hitler und Ernst Thälmann. Nach der Entlassung Brünings blieb Hindenburg beim System der Präsidialkabinette und ernannte im Juni 1932 Franz von Papen, im Dezember 1932 den General Kurt von Schleicher und im Januar 1933 schließlich nach langem Zögern Hitler zum Reichskanzler.
Unsere Empfehlung:
Nach dem Tod Hindenburgs auf Gut Neudeck am 2. August 1934 übernahm der NSDAP-Führer selbst das Amt des Staatsoberhaupts. Die Beisetzung erfolgte im Tannenberg-Nationaldenkmal bei Hohenstein in Ostpreußen. Bei Anrücken der Roten Armee rettete die Wehrmacht die Särge der Eheleute Hindenburg, die heute in der Marburger Elisabethkirche ihre letzte Ruhestätte gefunden haben.
In Anlehnung an ein Gedicht Friedrich Schlegels, das zur soldatischen Aufopferung in den Befreiungskriegen gegen Napoleon aufrief, wählte Hindenburg dieses Lebensmotto: »Die Treue ist das Mark der Ehre.« Tatsächlich galt er den Zeitgenossen als Inbegriff deutscher Treue, als jemand, der seinem Vaterland in Kriegs- und Friedenszeiten sowie im Kaiserreich wie auch in der Weimarer Republik diente.