Wird Kasachstan zum Schlachtfeld der USA und Russland?
Die Welt blickt auf Kasachstan – doch ist sie sich auch der weitreichenden überregionalen Bedeutung der dortigen Vorgänge bewusst oder lässt sie sich nur von einem weiteren medialen Empörungsblitzlicht über ein für die meisten fernes Land berieseln? Beunruhigenderweise könnte ein nicht auszuschließender »Almaty-Maidan« gefährlichere sicherheitspolitische Kollateralschäden anrichten als der Ukraine-Russland-Konflikt, und zwar in globalem Ausmaß.
Sascha A. Roßmüller
Kasachstan ist zweifelsohne alles andere als eine reife Demokratie, zumal nach westlichen Vorstellungen, jedoch weisen die dortigen Proteste auch einige dubiose Aspekte auf, die sich nicht einfach mit einem unreflektierten Verweis auf ein undefiniertes Freiheitsverlangen der Bürger unter den Teppich kehren lassen. Und wäre der Gedanke eines weiteren potenziellen US-gesteuerten Regime-Change-Versuches denn tatsächlich so abwegig, angesichts der geopolitisch seit Spykeman dominierenden Rimland-Doktrin der USA und ihrer NATO-forcierten Einkesselungspolitik gegenüber Russland?
Wusste die US-Botschaft vorab von den Protesten?
Ausgelöst wurden die Proteste aufgrund von Preissteigerungen beim Flüssiggas, in regelrechte Gewaltorgien arteten diese aber aus, nachdem bzw. obwohl die Regierung eine Senkung der Preise bewerkstelligte, diese mit einer Obergrenze belegte und zudem gewissen Forderungen nach einer Regierungsumbildung stattgab. Plötzlich wurden auch Forderungen gegen wirtschaftliche und militärische Allianzen mit Russland laut, sowie erstaunlicherweise, die Proteste trotz Unterbindung der Internetkommunikation seitens der Regierung dennoch »hochprofessionell« flächendeckend anschwollen.

Zwei Dinge sollte man sich diesbezüglich vor Augen führen: Wieso kam es denn eigentlich im enorm rohstoffreichen Kasachstan plötzlich zu den Gaspreissteigerungen für die heimische Bevölkerung, war dies doch aufgrund gesetzlicher Deckelung früher nicht der Fall? Nun, Letzteres war seitdem Flüssiggas auch in Kasachstan dem elektronischen Handel auf dem neoliberalen Weltmarkt unterworfen wurde (2019), nicht mehr so problemlos als zuvor möglich. Wurde womöglich das globalkapitalistische System als Trojanisches Pferd exportiert? Eine wasserdichte Beweisführung wird man hierfür vermutlich schuldig bleiben müssen, jedoch ist es verwunderlich, dass die amerikanische Botschaft bereits Mitte Dezember vor Massenprotesten in Kasachstan warnte…
Neuralgische Bedeutung im „Great Game“
Denkt man an den zunehmenden politischen, wirtschaftlichen und militärpolitischen Druck, den die USA seit geraumer Zeit gegenüber China und vor allem Russland aufbauen, lässt sich die höchst neuralgische Bedeutung Kasachstans im geostrategischen »Great Game« der Weltmächte leicht erklären. Seine Lage macht es zum hauptsächlichen Transitlandweg zu den anderen ehemaligen Sowjetrepubliken Zentralasiens, insbesondere dem für Russland wichtigen Handelspartner China. Für China wiederum ist Kasachstan von herausragender Relevanz für sein Neue Seidenstraße-Projekt.
Weiterführende Informationen:
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Seit Jahren war die Regierung von Kasachstan bestrebt, in geopolitisch bedeutsamen Regionalkonflikten eine Vermittlerrolle einzunehmen – ob im Syrienkonflikt oder bezüglich des iranischen Atomprogramms – sowie Verbindungszentrum für wirtschaftliche Allianzen zu sein, ob Seidenstraße oder Eurasische Wirtschaftsunion (EAEU). Jeweils handelte es sich allerdings bei dieser »multivektoralen Außenpolitik« – so die Eigenbeschreibung Kasachstans – um Projekte, die nicht der US-hegemonialen Kontrolle unterliegen. In Anbetracht all dessen sollte es durchaus legitim sein, nach der hinreichend bekannten Handschrift Washingtons bezüglich der Proteste Ausschau zu halten. Immerhin soll es nach Angaben des Ministeriums für öffentliche Entwicklung in Kasachstan 53 internationale Organisationen, 30 ausländische Regierungsorganisationen und 77 ausländische NGOs und Stiftungen geben, wobei 70 Prozent aller Mittel aus den USA fließen sollen.
Kampf um Rohstoffe
Die Rohstoffvorkommen an Erdöl, Gas, Uran, Eisen, Kupfer, Zink, Chrom, Vanadium, Wismut, Fluor sowie sonstigen Metallen und Mineralien wecken wohl jedermanns Begehrlichkeiten des wirtschaftlichen Zugangs, jedoch stellen der russische Staatsbetrieb Gazprom als Eigentümer einiger Pipelines sowie auch der auf kasachischem Territorium liegende russische Weltraumbahnhof Baikonur und das russische Raketentestgelände in Sary-Shagan bereits rechtlich konkret bestehende Interessen dar.
Moskau dürfte sich überdies im Konfliktfall als Interessenvertreter der nach der Ukraine weltweit größten russischsprachigen Gemeinschaft – ca. 3,5 Millionen Menschen – außerhalb des eigenen Staatsgebiets verstehen. Und abgesehen von alledem wird Russland Uncle Sam ebenso wenig in einem direkten Nachbarland, mit dem es eine etwas 7600 km lange Grenze verbindet, dulden, wie umgekehrt Washington keine Freude über Russlands Anwesenheit beispielsweise in Mexiko oder Kanada hätte. 51 Prozent der Bürger in Kasachstan sprechen übrigens Russisch.
CSTO entsendet Friedenstruppe
Ist die Lage bislang nur angespannt oder bereits potenziell explosiv? Dies können mit Gewissheit wohl nur die entsprechenden Akteure beurteilen, jedoch sollte man seitens des Westen nicht unterschätzen, dass am 06. Januar die Collective Security Treaty Organisation (CSTO), ein Zusammenschluss der sechs ehemaligen Sowjet-Republiken Russland, Armenien, Weißrussland, Kirgistan, Tadschikistan und Kasachstan, beschloss, eine militärische Friedenstruppe zur Aufrechterhaltung der Ordnung in Kasachstan zu entsenden.
Weiterführende Informationen:
Münchner Sicherheitskonferenz: Was die Medien verschweigen

Davon wurde bislang, beispielsweise betreffend der Konflikte in Kirgistan oder Armenien, Abstand genommen, da – und dies ist entscheidend – explizit aufgrund des als intern (!) angesehenen Charakters ein Eingreifen des Bündnisses für nicht erforderlich erachtet. Offenbar gewann die CSTO im vorliegenden Fall Kasachstans einen gänzlich anderen Eindruck. Interessanterweise erklärte sich inzwischen auch der nach Paris geflüchtete Ex-Banker Mukhtar Ablyazov zum Anführer der Proteste. Ablyazov wird des Diebstahls in Höhe von sechs Millionen Dollar von einer kasachischen Bank beschuldigt.
Man darf nun gespannt sein, inwiefern die Vorgänge in Kasachstan die für den 12. Januar in Genf angesetzten Gespräche des NATO-Russland-Rats belasten, doch möglicherweise ist dies von manchen Akteuren sogar gewollt… Wer weiß all dies derzeit schon mit Sicherheit – doch ist man wohl gut beraten, mit Blick auf Kasachstan selbstdenkend genau hinzusehen, um nicht in eine noch größere, weil militärische Katastrophe unter Beteiligung politischer Großmächte zu schlafwandeln. Bekanntlich ist die Wahrheit das erste Opfer des Krieges.
Eine Antwort
Es wäre ratsam wenn man sich über Geschehnisse in Kasachstan aus der russisxch-sprachigen Online-Welt, z.B. über Twitter oder anderen Seiten informiert, dann erfährt man viel mehr. Was die Militanten betrifft, so wurde von der Opposition dementiert, das die zu ihnen gehören. Es wird noch gerätselt woher oder von von wem die kamen. Die sog. „Friedenstruppen“ werden von den Kasachen eher als Besatzungstruppen gesehen.
Im Übrigen sind es doch nicht nur die Preise für Flüssiggas gewesen. Der natürliche Reichtum des Landes ging doch bisher ebenso wie in Russland, in private Taschen, wie z.B. des EX-Präsidenten. Das Geld wurde auch in Luxusimmobilien im Ausland angelegt. Vor paar Tagen sah ich eine Liste mit Bildern dazu.