Beginnen wir zunächst mal mit einer Sache, die bei der AfD gut gelaufen ist. Konkret geht es um Doris von Sayn-Wittgenstein. Sie ist seit dem 15. April 2021 wieder AfD-Mitglied. Und das ist schon mal etwas Gutes, denn Frau von Sayn-Wittgenstein ist tatsächlich eine aufrechte, engagierte Patriotin, die sich für unser Land und Volk engagiert. »Dann ist ja alles gut«, möchte so manch ein Leser nun vielleicht sagen, aber gut ist nur der juristische Sieg der Dame.
Christian Schwochert
Sie war nämlich juristisch gegen ihren völlig unberechtigten Ausschluss aus der AfD vorgegangen. Das ist freilich ihr gutes Recht und war auch völlig richtig so, aber hilfreich war der Streit für die AfD natürlich ganz und gar nicht. Denn die Wähler mögen parteiinterne Streitereien, die nach außen getragen werden, überhaupt nicht. Das ist nachvollziehbar, doch war es nicht von Sayn-Wittgensteins Schuld, dass man sie aus fadenscheinigen Gründen weghaben wollte.
Schiedsrichter Wikipedia
Geliefert wurden diese fadenscheinigen Gründe übrigens nicht von den Linken, welche die Fürstin auf »Wikipedia« mit unbewiesenen Behauptungen versehen, sondern von den eigenen Parteikollegen. Sie soll angeblich für den »Verein Gedächtnisstätte e. V.« im thüringischen Guthmannshausen um Unterstützung geworben haben. [Anmerkung der Redaktion: Was ist daran so verwerflich?]. Das reichte offenbar schon als Begründung. In Wahrheit dürfte es jedoch darum gegangen sein, dass sie 2017 beinahe in den Bundesvorstand gekommen wäre. Zwar gewann sie die Wahl damals nicht, verhinderte aber den fragwürdigen Berliner AfD-Chef Georg Pazderski, den Wikipedia als »gemäßigt« bezeichnet.
Überhaupt liest sich Pazderskis Wikipediaeintrag verdächtig wohlwollend, anders als der von Doris von Sayn-Wittgenstein. Vermutlich wurde das die causa Guthmannshausen als Ausrede benutzt, um jemanden loszuwerden, der dem Meuthen-Lager, zu dem in gewisser Weise auch Pazderski gehört, im Wege war. Zudem von Wittgenstein auch noch Landessprecherin der AfD Schleswig-Holstein. Ohne sie wäre wohl jemand wie Pazderski, der – wie parteiintern oft beklagt wird – auf eine Koalition mit CDU und FDP hofft und deswegen alle Leute die eine echte politische Wende anstreben, weghaben will, im Rang noch weiter aufgestiegen.

Schlussendlich wurde damals dann Alexander Gauland als Kompromisskandidat Teil der Bundesspitze. Über Gauland wird nun behauptet, er hätte von Sayn-Wittgenstein als »die Dame, die wir die falsche Fürstin nennen«, bezeichnet. Zumindest soll er das laut FAZ über sie gesagt haben. Nun ist jemand, der früher in der CDU war und dieser trotz Merkel so lange die Stange hielt, mit Vorsicht zu betrachten. Besonders wenn man bedenkt, wie ihm die Sezession vorwarf, quasi die Denkweise Moskaus bezüglich des Unternehmens Barbarossa übernommen zu haben. Immerhin hat er das getan, was der Autor dieser Zeilen in zahlreichen E-Mails den AfDlern riet. Er, Weidel, Höcke und andere führende AfD-Politiker, haben Bücher geschrieben. Das ist immer gut, wenn man in der Politik gerade bekannter wird und den Menschen seine Sicht der Dinge nahebringen will. Leider ist auch da wieder etwas schiefgelaufen.
Neue und alte Bücher
Statt ein neues, aktuelles Buch zu schreiben, wurden einfach zwei ältere Bücher Gaulands neu aufgelegt. Das hilft dem Leser jedoch nicht wirklich weiter, besonders da einem dadurch nicht klar wird, wie es zu Gaulands Wandlung von der CDU zur AfD kam. Stattdessen darf man dann in Anleitung zum Konservativsein lesen, wie er auf Friedrich dem Großen herumhackt.
Das ist im Übrigen das Einzige aus dem Buch, was mir im Gedächtnis geblieben ist. Oh, und die Tatsache, dass dieses Buch vor seiner Neuauflage auf amazon und booklooker für über 600 Euro angeboten wurde. Für Alice Weidels Buch Widerworte blieb mir im Gedächtnis, wie ich es in der Bibliothek des Konservatismus erwarb, von ihr signiert bekam und dann zufällig eine ältere Dame von der AfD traf, die mich auf eine Pizza einlud. Besagte Dame ist inzwischen aus der AfD ausgetreten; doch auf die Austritte muss ich gleich auch noch mal zu sprechen kommen.
Aus Weidels Buch blieb mir nur im Gedächtnis, dass sie schrieb, sie sei auf Anraten ihrer Freundin in die Politik gegangen, weil diese wohl wollte, dass sie nicht nur meckert, sondern auch aktiv versucht, etwas zu verändern. Bei Björn Höckes Buch sieht das etwas anders aus. Nie zweimal in denselben Fluss ist ein Gesprächsbuch, das er mit Sebastian Hennig machte. Dort blieb mir vor allem im Gedächtnis, dass er Asterix und Obelix der Familie Duck vorzieht und sich für den Erhalt unseres Volkes und unserer Kultur einsetzt. Hinzu kommt aber auch noch der Pluspunkt, dass dieses Buch so geschrieben ist, dass man immer wieder darin blättern und etwas lesen kann, ohne das ganze Werk nochmal lesen zu müssen. Egal wo man einsteigt, man findet immer hinein.
Nun kommen wir aber einmal zu den einfachen und ehemaligen Mitgliedern der AfD und auch nochmal zu Alice Weidel. Zu welchem Flügel sich Frau Weidel zugehörig fühlt, ist schwer auszumachen. Was hingegen leicht auszumachen ist, sind einige Zahlen. Zahlen aus der AfD. Also bei der AfD-Vorsitzendenwahl in diesem Jahr nahmen offiziell 30.776 Mitglieder teil. Die Wahl hatten sie zwischen den Duos Tino Chrupalla und Alice Weidel sowie Joana Cotar und Joachim Wundrak. Letztere wurden dem Meuthenflügel zugerechnet, aber als normaler Durchschnittsbürger hatte man das Gefühl, bei einer Schmierenkomödie dabei zu sein. Zwei berühmte und landesweit bekannte AfDler traten gegen zwei Unbekannte an.
Kandidatenkür
Wenn Meuthens Lager diese Wahl wirklich gewinnen wollte, wieso nahm er dann keine bekannteren Kandidaten? Zum Beispiel die Frau von Storch? Und wieso fand sich in einer Partei mit offiziell 30.776 Mitgliedern kein drittes oder viertes Spitzenkandidatenduo? Es ist eigentlich sehr unglaubwürdig, dass sich wirklich niemand aus den Rängen ganz unten beworben haben soll; nur bei der Wahl tauchte verdächtigerweise niemand von dort auf. Weidel und Chrupalla wurden in den Medien nicht müde, sich über die Wahl zu freuen. Sie hätten besser offen und ehrlich sein sollen, denn das Ergebnis spricht leider für sich.

Von den 30.776 wahlberechtigten Mitgliedern nahmen nur 48,14 Prozent teil; also 14.815. Nicht einmal die Hälfte. Davon stimmten 86 Personen (also 0,58 Prozent) mit Enthaltung, 285 mit »Nein«. Für Joana Cotar und Joachim Wundrak stimmten 3.982, also 27,04 Prozent. Für Tino Chrupalla und Alice Weidel stimmten 71,03 Prozent; wohlgemerkt von den 48,14 Prozent, die überhaupt teilnahmen! Trotzdem sprach die AfD im Fernsehen von »hohen Ergebnissen«, obwohl streng genommen nur 34,19 Prozent der Gesamtmitglieder für die beiden stimmten. Diese Ergebnisse schönzureden, war ein großer Fehler. Die Wähler sind von den Altparteien weg, weil sie genau solches Schönreden nicht mögen. Die Wähler sind auch nicht alle komplett dumm; die merken es, wenn man versucht, ihnen ein X für ein U vorzumachen.
Vermutlich denken Sie, es kann jetzt nicht schlimmer kommen. Doch, denn die Zahl 30.776 ist genauso hoch wie vor einigen Monaten, als schon mal AfD-Mitgliederabstimmungen per Internet stattfanden. Und in dieser Zeit sind einige Mitglieder ausgetreten oder wurden hinausgeschmissen. Das heißt, entweder ist die Anzahl der Personen, die rausgeschmissen und hineingelassen wurden, exakt gleich hoch, oder aber es durften auch Leute an der Wahl teilnehmen, die längst nicht mehr Mitglied sind.
Das könnte schlussendlich auch bedeuten, dass Leute Zugang zu internen AfD-Daten (wie z.B. Rundmails) haben, die keine Mitglieder der Partei mehr und dieser vielleicht sogar feindlich gesinnt sind. Womöglich es jedoch auch, dass die hierfür Zuständigen innerhalb der AfD es nicht einmal hinkriegen, eine Mailadresse aus einem Verteiler zu entfernen. Doch diese AfD will unser Land retten – oder behauptet es zumindest. Nun, zumindest bei Doris von Sayn-Wittgenstein kann man sich sicher sein, dass sie es tatsächlich will. Medienberichten zufolge wird sie nun ihr Glück versuchen, um in den Bundestag zu kommen.
Weiterführende Informationen:
AfD-Missstände Teil 2: Der Fall Andreas Wild
Artikelserie über die AfD-Missstände Teil 1
AfD: Selbstmord aus Angst vor dem Tod?

Eine Antwort
Noch etwas zur Anmerkung der Redaktion: „Was ist daran so verwerflich?“
Natürlich überhaupt nichts! Vielmehr ist es lobenswert und vorbildlich, wenn jemand einen ehrenwerten Verein unterstützt, der unserer Toten würdevoll gedenkt. Einigen in der AfD scheint dieser Verein jedoch nicht zu passen; warum auch immer?