Finanzchaos am Standort Deutschland: Skandal um die Greensill Bank!

Greensill Bank: Bank-, BaFin- oder kommunalpolitischer Skandal?

von Sascha A. Roßmüller

Der Wirecard-Skandal ist noch nicht verdaut, tut sich mit der Greensill Bank bereits der nächste Finanzeklat auf. Dabei stellen sich erneut nicht allein die Fragen der systemischen Ansteckungsgefahr im Bankensektor sowie der Verlässlichkeit der Bankenaufsicht, sondern im vorliegenden Fall auch Probleme einer kommunalen Verwicklung und deren fiskalpolitische Auswirkungen. Auf welcher Ebene welche Verantwortlichkeiten anzusiedeln sein werden, dürfte die politisch interessanteste Frage sein. Die Greensill Capital Pty Ltd wurde 2011 gegründet und hat ihren Sitz in Australien, wobei jedoch das operative Geschäft von der britischen Tochter Greensill Capital betrieben wird. 2014 erfolgte die Übernahme der Nordfinanz Bank, die im Zuge dessen zur Greensill Bank umfirmiert wurde.

BaFin verhängt Moratorium

Die Bundesaufsicht für Finanzdienstleistungen (BaFin) hat über das Kreditinstitut ein Moratorium verhängt und will angeblich bis spätestens Mitte April bekannt geben, ob bzw. inwiefern der Geschäftsbetrieb der Bank fortgesetzt werden darf. Ein derartiges Moratorium steht am Schluss eines Prozederes, wenn vorhergehende Maßnahmen, eine Unternehmenskrise zu bewältigen versagten. Der Instrumentenkasten eines solchen Moratoriums, das nichts an den Verpflichtungen der Kunden gegenüber besagter Bank ändert, ist im Kreditwesengesetz (KWG) geregelt. Gegebenenfalls hat die BaFin das Insolvenzmonopol, sprich ist allein berechtigt, einen Insolvenzantrag zu stellen. Nimmt ein Moratorium mehr als sechs Wochen in Anspruch, wird der Entschädigungsfall festgestellt, was bedeutet, dass die Einlagensicherung greift.

Symbolfoto; Bild von Gerd Altmann auf Pixabay 

Kommunalfinanzen im Feuer

Brisanz erhält die Causa Greensill nicht zuletzt, weil die Finanzen zahlreicher Kommunen mit ihm Feuer stehen. Diese sind nun zwar bemüht, die Verantwortung auf die BaFin zu schieben, doch ganz so einfach können es sich die Kämmerer nicht machen. Die Gießener Oberbürgermeisterin kritisierte beispielsweise die BaFin heftig. „Die BaFin hat uns im Stich gelassen. Ihre Warnung hätte uns anders handeln lassen“, so ihr Vorwurf. Es ist zwar richtig, dass die die BaFin nicht erst seit gestern die Greensill Bank unter die Lupe nahm, was nicht gegen sie spricht, doch das rasante und exorbitante Wachstum sowie potentielle Klumpenrisiken hätten verantwortliche Stadtkämmerer auch ohne Bankenaufsicht feststellen können. Nachvollziehbar wollen Kommunen, die für größere Infrastrukturprojekte Rücklagen bilden, Negativzinsen für ihre Ersparnisse aufgrund des EZB-Niedrigzinsextremismus vermeiden. Doch gerade im gegenwärtigen Zinsumfeld hätte man einen sorgfältigeren Blick auf das Geschäftsfeld der Bank werfen müssen, wenn diese auf Vermittlungsplattformen mit ungewöhnlich hohen Zinsen auf Festgeldkonten warb.

Mangelnde kommunale Sorgfaltspflicht?

Bereits im August 2019 beschrieb die Ratingagentur Scope die sich heute materialisierenden Klumpenrisiken, doch selbst, wenn man die Ratings, die ein grundlegendes Problem bei den wiederkehrenden Finanzkrisen darzustellen scheinen, zur Kenntnis nahm, ohne die Berichte hierzu zu lesen, wäre auch ein Blick in die Geschäftsberichte der Bank, der man seine Millionen anvertraut, aufschlussreich gewesen. Darin wurde beispielsweise kein Geheimnis daraus gemacht, dass ab 2019 neben Refinanzierungsfunktionen auch Bonitätsrisiken einzelner Engagements der Greensill Capital übernommen wurden. Dem Kämmer, der dabei immer noch keinen Grund zur Vorsicht erkennt, hätte wenigstens nicht entgehen sollen, dass die Wachstumsdynamik der Bremer Greensill äußerst ungewöhnlich war. 2017 handelte es sich mit knapp 300 Millionen Euro Bilanzsumme bei Greensill noch um eine Mini-Bank in Deutschland, – die kleinste deutsche Sparkasse wies seinerzeit ein größeres Bilanzvolumen auf -, doch heute sprechen wir von einem der größten Bankfälle, die je mit einem BaFin-Moratorium belegt wurden. Die Bilanzsumme hat sich innerhalb der kurzen Zeit bis Ende 2020 immerhin mehr als verfünfzehnfacht.

50 Städte betroffen

Gründe näher hinzusehen, gab es ausreichend lange und auch zur Genüge sowie den kommunalen Kämmerern wohl bekannt sein dürfte, dass seit dem 1. Oktober 2017 Spareinlagen von Banken, Wertpapierfirmen und kommunalen Gebietskörperschaften eben nicht mehr von der Einlagensicherung gedeckt sind. Ungeachtet der Frage, weshalb die Bank teilweise ein A-Rating erhielt, mag zwar auf einen weiteren strukturellen Systemfehler hindeuten, darf allerdings nicht herangezogen werden, um die kommunalpolitischen Vertreter gänzlich aus der Verantwortung zu entlassen. Etwa 50 Kommunen sollen deutschlandweit betroffen sein und dabei rund 500 Millionen Euro nicht über die private und gesetzliche Einlagensicherung abgesichert sein. Der Greensill-Fall fördert Fehlentwicklungen an den Tag, welche die Politik nicht allein mit Symptomkosmetik übertünchen, sondern grundsätzlicher angehen sollte. Nicht zum ersten Mal gerät der Finanzmarkt im Zusammenhang mit verbrieften Papieren in Schwierigkeiten.

Versagte die Kommunalaufsicht?

Die in einer speziellen Variante des Reverse-Factoring tätige Greensill übernahm Zwischenfinanzierungen, indem sie Lieferanten-Forderungen schließlich mit Geld von Investoren bezahlte, wofür Rechnungen in anleiheähnliche Investitionen verbrieft und über Fonds an Anleger verkauft wurden. Im Grunde vermittelte eine Banktochter in Deutschland Handelsfinanzierungen, obwohl deren operative Holding in London seitens der britischen Bankenaufsicht selbst über keine Zulassung zur Erbringung für derartige Finanzdienstleistungen verfügt. Die Krise der Bank ist alles andere als belanglos und nicht zuletzt löste die Schweizer Großbank Credit Suisse inzwischen vier mit Greensill betriebene Lieferketten-Finanzierungs-Fonds in Größenordnung von ca. zehn Milliarden Dollar auf. Einer BaFin-Sonderprüfung zufolge kann das Institut auch keinen Nachweis über die Existenz von bilanzierten Forderungen erbringen, die sie von der GFG Alliance Group angekauft habe.

Wer weiß, vielleicht ist die BaFin ihrem Auftrag ja ordnungsgemäß nachgekommen, aber die Kommunalaufsicht nicht?

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