Vor 200 Jahren, am 20. April 1822, kam in München Carl Thiersch zur Welt
Er gilt als Begründer der Transplantationslehre. Praktische Erfahrungen auf dem Gebiet der Wundheilung sammelte der Chirurg und Hochschullehrer Carl Thiersch unter anderem während kriegerischer Auseinandersetzungen an der Seite Preußens.
von Lutz Dessau
Wenn der eigene Name in einer Erfindung bzw. einem Verfahren fortlebt, kommt dies einer Adelung gleich. Beispiel Carl Thiersch: Nach ihm ist die Thiersch-Plastik, ein 1886 eingeführtes Verfahren der Hauttransplantation, benannt. Hierbei werden dünne Hautstreifen, die so genannten Thiersch-Lappen (0,2-0,4 mm), in einer Größe von etwa fünf mal zehn Zentimetern auf die frische Wundfläche übertragen.
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Thiersch, Sohn des Altphilologen Friedrich Thiersch und dessen Frau Amalie geb. Löffler, studierte nach dem Besuch des Gymnasiums und einer zweijährigen Vorbereitungszeit von 1840 bis 1843 Medizin in München. Nach Abschluss des Studiums promovierte er mit einer arzneiwissenschaftlichen, naturphilosophisch beeinflussten Arbeit. Im Anschluss daran arbeitete er am städtischen Krankenhaus seiner Geburtsstadt.
Seit 1847 wirkte er in München im Bereich der pathologischen Anatomie als Prosektor; als Arzt, der Sektionen, sprich Leichenöffnungen vornahm, führte Thiersch intensive Studien mit Hilfe des Mikroskops durch, das schließlich in seinen Lehrveranstaltungen im pathologisch-anatomischen Unterricht ein fester Bestandteil wurde. 1849 hatte er sich mit einer Arbeit über Wundheilung für das Fach Chirurgie habilitiert.
Kerngebiet Wundheilung
1849, während des zweiten schleswig-holsteinischen Krieges (Gegner war Dänemark), arbeitete Carl Thiersch als Arzt in den Spitälern, wo er seinen Erfahrungsschatz auf dem Gebiet der Wundheilung vergrößern konnte. Das Jahr 1854 bildete dann einen weiteren Markstein in Thierschs wissenschaftlicher Laufbahn: In München war eine Cholera-Epidemie ausgebrochen. Hier bekam er (im staatlichen Auftrag) die Gelegenheit, gemeinsam mit dem Chemiker und Apotheker Max Pettenkofer (1818-1901) experimentelle Untersuchungen über die Ansteckungsgefahr der Cholera anzustellen. Thiersch verfütterte während der Seuche getrocknete Choleradärme an Mäuse, womit er die Ansteckungsfähigkeit des Cholerastuhls nachwies.

1854 erhielt Thiersch die Berufung als Professor der Chirurgie nach Erlangen; 1867 folgte er einem Ruf nach Leipzig, wo er gleichfalls kräftige Spuren hinterließ. Im Eintrag zu Thiersch in Meyers Konversations-Lexikon von 1878 heißt es dazu: »Nach einem von ihm in Gemeinschaft mit Wunderlich entworfenen Plan wurde das neue Stadtkrankenhaus zu Leipzig, ein Musterinstitut ersten Ranges, erbaut.« 1870 beteiligte sich Thiersch als konsultierender Generalarzt im 12. Armeekorps am deutsch-französischen Krieg.
Die praktische Seite der Wundheilung förderte Thiersch ebenfalls, indem er 1874 anstelle der Karbolsäure (Phenol) die ungiftigere Salycilsäure als Verbandmittel einführte. Jene organische Verbindung wird bis heute in der Dermatologie eingesetzt.
Die im Zuge seiner unermüdlichen Forschung zur Wundheilung gewonnenen Resultate fanden Eingang in das von Billroth und Pitha veröffentlichte Handbuch der Chirurgie.
Am 28. April 1895 starb Carl Thiersch nach einem erfüllten Leben im Alter von 73 Jahren in Leipzig. Ihm zu Ehren wurde in Erlangen, einer seiner Wirkungsstätten, eine Straße benannt.
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