Obwohl der Tierschutz seit dem Jahr 2002 als Staatsziel im Grundgesetz manifestiert ist, hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden, dass männliche Küken weiterhin bei lebendigem Leib geschreddert werden dürfen, weil die Betriebe für sie keine wirtschaftliche Verwendung haben. Den Interessen der Brutbetriebe und der großen Agrarunternehmen wurde damit entsprochen. Pro Jahr können somit weiterhin rund 45 Millionen Küken entweder vergast oder geschreddert werden. Anschließend werden sie zu Tierfutter verarbeitet.
Dieses Urteil ist beispielhaft für die Halbherzigkeit des Tierschutzes in Deutschland. Während parteiübergreifend für ein besseres Klima demonstriert wird, obwohl es bislang keinerlei seriöse und vor allem eindeutige Belege gibt, dass der Mensch am Wandel des Klimas etwas ändern kann, werden die Themen von den Parteien links liegen gelassen, die man wirklich politisch gestalten könnte. Die Damen und Herren im Bundestag und in den entsprechenden Ministerien scheinen Angst vor der einflussreichen Agrarlobby zu haben, schließlich bietet sie so manchem abgehalfterten Ex-Minister und -Abgeordneten nach Ende der politischen Laufbahn einen schönen Alterssitz. Nicht wenige ehemalige „Umwelt- und Verbraucherschutzpolitiker“ sind nahtlos zur Agrarlobby gewechselt.
Ob es die skandalöse Massentierhaltung, hunderte Kilometer lange Lebendtiertransporte oder das religiös begründete Schächten ist – mit den Konzernen und bestimmten Kulturgruppen legt man sich nicht so gerne an.
Dabei wären diese Fragen lösbar, politischen Mut vorausgesetzt.
So könnte man die Zuchtbetriebe verpflichten, die Spezialisierung auf hochgezüchtete Legehennen aufzugeben und stattdessen Hühnerrassen zu züchten, die auch genügend Fleisch ansetzen. Dann wären die männlichen Küken nicht mehr „wertlos“ und müssten nicht sofort nach dem Schlüpfen einen qualvollen Tod erleiden.
Auch könnten Verfahren verpflichtend eingeführt werden, mit dem man schon im Ei das Geschlecht des Kükens bestimmen kann. Dies würde zwar an der oben beschriebenen Verwertungslogik nichts ändern, aber es würde viel Leid ersparen.
Und auch wir Verbraucher können unseren Teil dazu beitragen, den männlichen Küken das Leben zu retten. Es gibt von mehreren Landwirtschaftsverbänden unterstützte Bruderhahn-Initiativen, die durch einen kleinen Aufpreis pro Ei dafür sorgen, dass die männlichen Küken ebenso wie ihre weiblichen Geschwister aufgezogen werden und nicht dem Schredder zum Opfer fallen.
Wie bei so vielen Fragen in Sachen Natur- und Tierschutz ist zwar die Politik gefragt, aber auch jeder Einzelne. Wer bewusst kauft, bei qualitativ hochwertigen Produkten auch bereit ist, etwas mehr auszugeben, oder wer die Möglichkeit hat und nutzt, einige landwirtschaftliche Produkte im Garten oder auf dem Hof selbst herzustellen, der tut mehr für Natur und Tierwohl als so mancher „grüne Weltverbesserer“.
Ronny Zasowk