Sahra Wagenknecht (von den Linken) forderte vor einigen Tagen ein Ende des Wirtschaftskriegs gegen Russland. Der schade nur Deutschland, während sich die Amerikaner ins Fäustchen lachen. Damit hat sie recht, aber die WELT als Teil der Springer-Presse verurteilt sie als „Kreml-Lobbyistin“. Aber für wen macht Springer die Lobby?
Gastbeitrag von Sascha von Aichfriede
Am 08.09.2022 hielt die in Ihrer eigenen Partei sehr umstrittene Sahra Wagenknecht eine Rede vor dem Bundestag. Nachlesbar im Protokoll der 51. Sitzung der 20. Wahlperiode1. Es ging um die Energiepolitik der Bundesregierung.
Die dümmste Regierung in Europa
Wagenknecht sagte an die Adresse der Bundesregierung:
„Wir haben wirklich die dümmste Regierung in Europa, wenn man sich das anguckt. Aber nicht nur, dass Sie [die Ampel-Regierung] zu feige sind, sich mit den Krisengewinnern [gemeint sind die deutschen Energieversorger und Mineralölkonzerne] anzulegen, das größte Problem ist Ihre grandiose Idee, einen beispiellosen Wirtschaftskrieg gegen unseren wichtigsten Energielieferanten vom Zaun zu brechen. Ja, natürlich ist der Krieg in der Ukraine ein Verbrechen. Aber die Vorstellung, dass wir Putin dadurch bestrafen, dass wir Millionen Familien in Deutschland in die Armut stürzen und dass wir unsere Industrie zerstören, während Gazprom Rekordgewinne macht – ja, wie bescheuert ist das denn?“
WELT keilt gegen Wagenknecht
Der Nachrichtensender WELT, Teil der Springer-Presse, kommentierte die Rede negativ:
„Sie hat natürlich am Anfang recht gehabt mit ihrer Kritik am Bundeswirtschaftsminister, dessen Rücktritt sie jetzt auch gefordert hat. Allerdings natürlich dann hinten raus dann wieder die Verquickung mit Russland – da hört man dann doch, dass sie die beste Lobbyistin des Kreml im Westen ist und hat der deutschen Bundesregierung vorgeworfen, sie breche einen Wirtschaftskrieg mit Russland vom Zaun. Da ist natürlich totaler Blödsinn: Die Russen sind in der Ukraine eingefallen und die Sanktionen haben natürlich einen politischen Hintergrund und das ist ein Preis, den wir zahlen müssen. Da verquickt Frau Wagenknecht allerdings einige Aspekte, die nicht wirklich zusammengehören.“
Einen Preis, den wir zahlen müssen? Alles Blödsinn, was Wagenknecht sagt? Schauen wir uns die Details doch einmal genauer an.

Bildquelle: https://www.youtube.com/watch?v=yJm4MTBfTOc
Gazprom tatsächlich mit Rekordgewinnen
Die Tagesschau berichtete kürzlich darüber – Gazprom hat im ersten Halbjahr 2022 so viel Gewinn gemacht wie im gesamten Vorjahr. Ursache sind die am ganzen Weltmarkt gestiegenen Preise für Öl und Gas. Gazprom ist zur Hälfte im Staatsbesitz und wird vom Kreml kontrolliert. Die Gewinne des Unternehmens fließen als Dividende dem russischen Staatshaushalt zu.
Insgesamt sind die Gewinne russischer Unternehmen gestiegen, wie der Wirtschaftsdienst Bloomberg veröffentlichte2. Die bisherigen Sanktionen verpufften für … Russland. Für die Deutschen sind sie aber eine Katastrophe. Da hat Wagenknecht also recht.
Jede Krise hat ihre Gewinnler: 200 Millionen mit jedem Flüssiggastanker
Auch im Westen gibt es die Gewinnler, hauptsächlich Energie- und Mineralölkonzerne. Deren Gewinnmargen explodieren gerade3. Und die Amerikaner freuen sich, die schon vor dem Ukrainekrieg Nord Stream 2 torpedierten und jetzt dank Habeck ihr teures wie umweltschädliches Fracking-Gas an Deutschland verkaufen dürfen. Und die deutschen Deppen dürfen das Ganze bezahlen. Bis zu 200 Millionen Euro Gewinn pro Schiffsladung machen die amerikanischen Frackinggasanbieter. „Klar, so kann man die Gasspeicher auch füllen, aber den Ruin von Familien und Mittelständlern, die diese Mondpreise am Ende bezahlen müssen, den werden Sie damit nicht aufhalten“, keilte Wagenknecht gegen Robert Habeck. Ein Stammler, der sich bei Maischberger kürzlich selbst entlarvte. Diese Zahl stammt übrigens von Business Insider4 und dürfte realistisch sein – auch hier erzählte Wagenknecht also keinen Blödsinn.
Boykott russischer Energie: „Ökologisch und ökonomisch fragwürdig“
Nun hätte Wagenknecht Habeck noch der ökologischen Heuchelei überführen können. Ein Professor schrieb in der Frankfurter Rundschau zu den Sanktionen5:
„Wir sind beim Erdgas wie der Junkie, dessen gewalttätiger Dealer im Knast gelandet ist. Um die Sucht zu befriedigen, müssen andere Bezugsquellen her. Unter anderem aus den USA und aus der Musterdemokratie Katar soll per Schiff massiv LNG, verflüssigtes Erdgas, importiert werden. Besonders klimaschädlich ist das hochpreisige US-Fracking-Gas. Durch das Fracking werden große Mengen des Treibhausgases Methan freigesetzt. Die US-Weltraumbehörde NASA ermittelte in einer Studie, dass die Methanzunahme der letzten Jahre in der Atmosphäre zu über einem Drittel auf das Fracking zurückzuführen ist. Ein Bärendienst für das Klima – trotzdem wird die LNG-Infrastruktur massiv ausgebaut.“
Die Russen hätten auch kein Problem, neue Kunden für ihre Rohstoffe zu finden, vorrangig China, Indien und Saudi-Arabien importieren massiv. Er resümiert:
„Die Energiesanktionen gehören auf den Prüfstand – sie sind zumindest teilweise ökonomisch und ökologisch fragwürdig.“
Grüne Heuchler: „Atomkraft … nein danke“, aber US-Fracking-Gas kaufen.
Russischer Angriffskrieg oder Präventivschlag?
Die Kritik der WELT an Wagenknechts Rede hat einen gewaltigen Haken: Ihre Analyse fängt erst mit dem russischen Einmarsch in die Ukraine im Februar 2022 an. Jetzt hat der Ukrainekrieg aber eine Vorgeschichte, die Jahre zurückreicht. Die USA haben mit ihren politischen Operationen in der Ukraine ebenso wie Russland Einfluss auf die dortige Politik genommen. Ihr Ziel war es immer, die Ukraine zu einem Frontstaat gegen Moskau zu machen, wie Georgien zuvor. Ebenso haben die Ukrainer die Minsker Abkommen nicht umgesetzt. Gut und Böse lässt sich entgegen der Mainstream-Propaganda nicht so einfach festmachen. Und wenn die Amerikaner andere Länder überfallen oder sie mittels CIA-Operationen in einen Bürgerkrieg stürzen, sind wir Deutschen auch weniger pingelig. Da die Dinge nicht so klar sind, wie sie scheinen, und wir militärische Gewalt nicht grundsätzlich verurteilen, stellt sich schon die Frage, ob man für den Ukrainekrieg den eigenen Ruin in Kauf nehmen sollte.
Der Deutschen Lust am eigenen Untergang
Die Deutschen und ihre Lust am Untergang … diese Lust darf sich am Ukrainekrieg abarbeiten, sogar richtig aufgeilen. Und die Grünen stehen in vielerlei Hinsicht stellvertretend für diese apokalyptische Macke der Deutschen, diesen Nibelungen-Habitus, sich immer für ein vermeintlich hohes Ideal aufopfern und mit gutem Beispiel vorangehen zu müssen. Ein ewiger Minderwertigkeitskomplex, doch noch irgendwie einen positiven Eintrag in den Geschichtsbüchern zu bekommen.
Wagenknecht hat recht – WELT als bester Lobbyist des Weißen Hauses
Die Deutschen haben nur leider auch die Macke, in sehr naiver Weise für die falschen Themen und für fremde Interessen unterzugehen. Wessen Interessen sind das hier? Die der Amerikaner natürlich, unserer „Schutzmacht“. Die WELT hat sich mit ihrer abfälligen und stark verkürzten Bewertung der Wagenknecht-Rede selbst entlarvt. So gehört die Amerikahörigkeit zum Leitbild dieser Propagandainstitution: „Wir befürworten das transatlantische Bündnis zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und Europa“6, steht es in den „Essentials“ des Medienunternehmens. Die WELT ist die beste Lobbyistin des Weißen Hauses in Deutschland. Was die WELT in Gestalt ihres Moderators Siemon als Analyse verpackt, ist eigentlich der völlige Blödsinn, aber wenn man’s weiß, ist es gar nicht mehr schlimm. Die Springer-Presse gibt ihre Parteilichkeit wenigstens offen zu. Die Öffentlich-Rechtlichen sind da nicht so direkt.
Wagenknecht wird innerhalb der Linken für ihre Rede kritisiert
Im Bundestag hat Wagenknecht für ihre Rede Beifall von der AfD erhalten. Zurecht. Gleichzeitig muss sich die Politikerin Kritik innerhalb ihrer eigenen Partei gefallen lassen. Das wäre als Einzelfall nicht weiter schlimm, denn eine Einheitsmeinung innerhalb einer Partei gäbe es nur in Nordkorea oder in der CDU unter Angela Merkel. Aber Wagenknecht vertritt schon seit längerem Positionen, die nicht mehr denen ihrer Partei entsprechen. Wann zieht sie endlich die Konsequenz?
Fazit:
1) Die WELT und die gesamte Springer-Presse sind die besten Lobbyisten des Weißen Hauses in Deutschland. Keine Verschwörungstheorie, denn der proamerikanische Kurs gehört zum offiziellen Leitbild der Springer-Presse.
2) Sahra Wagenknecht ist in der falschen Partei und sollte endlich auf die rechte Seite wechseln.
1 https://dserver.bundestag.de/btp/20/20051.pdf (Aufruf: 10.09.2022).
2 https://www.bloomberg.com/news/articles/2022-08-26/russian-corporate-profits-jump-25-as-sanctions-hit-muted (Aufruf: 10.09.2022).
3 https://www.mdr.de/nachrichten/deutschland/wirtschaft/spritpreis-oelkonzerne-gewinne-100.html (Aufruf: 10.09.2022).
4 https://www.businessinsider.de/wirtschaft/bis-zu-200-millionen-us-dollar-pro-lieferung-wie-energiehaendler-mit-dem-export-von-us-erdgas-nach-europa-ein-vermoegen-machen-c/ (Aufruf: 10.09.2022).
5 https://www.fr.de/wirtschaft/gastwirtschaft/die-sanktionen-sollten-ueberdacht-werden-91758276.html (Aufruf: 10.09.2022).
6 https://www.axelspringer.com/de/werte (Aufruf: 10.09.2022).
Eine Antwort
Wieder einmal ein klarer, anschaulicher Artikel, ein Dank an die Redaktion.