Im Gedenken an Jean-Marie Le Pen

Aus aktuellem Anlass veröffentlichen wir noch einmal das Gespräch mit Jean-Marie Le Pen aus dem Jahr 2016. Der damals schon legendäre Gründer und langjährige Parteivorsitzende des Front National wirkte zu diesem Zeitpunkt seit über drei Jahrzehnten als Kopf und Leitfigur der europäischen Rechten. Le Pen kandidierte mehrfach für das Amt des französischen Staatspräsidenten und kämpfte seit 1984 in Straßburg für ein Europa der Vaterländer.

Zum Interview:

DS: Herr Le Pen, in Frankreich wie in Europa sind Sie eine Persönlichkeit der Zeitgeschichte. Sie gründeten im Jahr 1972 den Front National, der heute eine der erfolgreichsten europäischen Rechtsparteien ist. Sie sind außerdem seit 1984 Abgeordneter im Europaparlament und waren fünfmal Kandidat Ihrer Partei zu den Präsidentschaftswahlen. Für viele europäische Patrioten, das kann man sagen, sind Sie eine Legende. Ich selbst durfte Ihre Bekanntschaft 1989 machen, einen Monat vor dem Fall der Berliner Mauer, als Sie den deutschen Republikanern unter Franz Schönhuber einen Besuch in Bayern abstatteten. – Ich bedanke mich ganz herzlich, dass Sie sich für unser Gespräch Zeit nehmen.

Herr Le Pen, fangen wir mit dem aktuellsten Thema an, das auch in Deutschland viele Patrioten beschäftigt – sprechen wir von den Regionalwahlen in ihrem Land vor einigen Wochen. Der Front National, auf den auch in Deutschland viele Patrioten große Hoffnungen setzen, hat dabei ein – sagen wir – beachtenswertes, alles in allem aber eher durchwachsenes Ergebnis erzielt und konnte sich am Schluss nicht, wie von vielen erhofft, durchsetzen. Wie ist Ihre Prognose: Welche Rolle wird der Front National künftig in der französischen Politik spielen oder spielen können?

Man darf nicht außer acht lassen, dass der Front National im Moment eine Krise durchlebt. Diese hat ihren Ursprung vor allem in meinem Parteiausschluss wegen meines fehlenden Respekts vor der »Political Correctness«. Die Zukunft des Front National wird vor allen Dingen von seiner Einigkeit abhängen, denn bevor man die nationale Einheit schaffen kann, muss man zunächst die Einheit in der Partei schaffen. Ich tue alles, was ich in dieser Richtung unternehmen kann, es ist unabdingbar. In diesem Fall könnte Marine Le Pen sogar Präsidentin der Republik werden.

Was sehr bemerkenswert an den Fortschritten des Front National ist, ist, dass sie mit der Wachheit der Wähler korrespondieren. Diese haben realisiert, dass die Thesen und Aussagen des FN eine Realität widerspiegeln, wie wir sie jetzt vorfinden. Die Leute werden sich bewusst, dass die Aussagen des Front National Aussagen sind, die Wahrheit, Klarheit und Mut widerspiegeln. Auf dieser Basis ist er zur ersten Kraft in Frankreich geworden. Unglücklicher- oder besser erstaunlicherweise ist er aber die einzige Partei in dieser Situation, abgesehen von ein oder zwei weiteren europäischen Ländern. In Deutschland gab es eine vergleichbare Bewegung, die Republikaner, sie kamen auf zehn Prozent der Stimmen. Dabei müssten die Republikaner heute eigentlich eine ähnliche Entwicklung wie der FN erleben, und es müsste ähnliche Parteien überall geben, auch in Spanien, Italien, in Portugal, kurz gesagt, überall.

DS: Wir wollen nicht übertrieben neugierig sein und Ihnen auch keine Indiskretion entlocken – dennoch unsere Frage: Wurde im zurückliegenden Wahlkampf aus Ihrer Sicht alles richtig gemacht? Oder hätte man irgendetwas besser machen können?

Sprechen Sie über Deutschland?

DS: Nein, nein, über Frankreich.

Wissen Sie, wir hatten sieben Millionen Stimmen, damit kamen wir an die Spitze aller politischen Parteien. Wir haben das erreicht ohne die Mittel, die den anderen Parteien zur Verfügung stehen, wir haben nicht die Netzwerke, ein Charakteristikum der politischen Parteien in Frankreich. Wir haben auch die finanziellen Mittel nicht, wir haben keine Sponsoren. Es läuft auf eine Angleichung der öffentlichen Meinung, der Meinung der Franzosen, und der politischen Botschaft des Front National hinaus, so wie es sich darstellt.

DS: Sprechen wir über ein anderes Thema: Wir sind alle noch über die unglaublichen Vorfälle in Köln und anderen deutschen Städten in der Silvesternacht schockiert, als Tausende arabisch-stämmiger Zuwanderer praktisch Jagd auf deutsche Frauen machten. Und schon seit Monaten erleben wir eine beispiellose Katastrophe, die mit dem unkontrollierten Zustrom Hunderttausender von sogenannten »Flüchtlingen« nach Europa einhergeht.

Als Deutscher muss man auch sein Beschämen darüber aussprechen, dass es die deutsche Kanzlerin ist, die diese Zuwanderungskatastrophe, die eine Katastrophe für ganz Europa ist, maßgeblich verursacht hat. Inwieweit sehen Sie sich als europäischer Patriot, der jahrzehntelang vor den Gefahren der Zuwanderung gewarnt hat, durch die aktuellen Geschehnisse bestätigt? Was müsste aus Ihrer Sicht jetzt getan werden?

Man muss sofort die Flut der Immigranten stoppen. Seit 40 Jahren sind die politischen Parteien in Europa Komplizen einer massiven Einwanderung, die nicht gerechtfertigt war, da vor allem Frankreich und ganz Europa das Phänomen der Arbeitslosigkeit kannte. Wir haben diesen Leuten demnach keine Arbeit anzubieten. Es ist kriminell, sie akzeptiert und sie hergeholt zu haben. Und hinzu kommen die Aufrufe von Frau Merkel, eine Million aufzunehmen. Sie wird darüber hinaus zehn Millionen bekommen, und wir wünschen nicht, dass wir diejenigen bekommen, die Deutschland wieder verlassen.

Das »ius soli« (Geburtsortsprinzip) bei uns, die doppelte Staatsbürgerschaft, die massive Einbürgerungspolitik, das muss weg. Im Gegenzug muss man eine Geburtenpolitik und Familienpolitik umsetzen, die das demographische Gleichgewicht Europas mit den anderen Ländern in der Welt wiederherstellt.

DS: Sie sind seit vielen Jahren Mitglied des Europäischen Parlaments, und seit der letzten Europawahl 2014 hat sich der Anteil rechter und patriotischer Gruppierungen im Parlament stark vergrößert. Wie beurteilen Sie heute die Möglichkeiten von patriotischer Warte aus, auf europäischer Ebene ein paar Dinge zu verändern oder Änderungen in die richtige Richtung anzustoßen?

Ich sehe nur eine Lösung: die bundesstaatliche Linie zu beenden, die charakteristisch für die Europäische Union ist. Ich bin eher für eine Konföderation von Nationen. Ich bin dafür, weil die nationale Struktur absolut unabdingbar ist, um die Unterstützung der Völker in Bezug auf jedwede Politik sicherzustellen. Die Europäische Union befindet sich in einer Sackgasse, und wir verlieren sehr viel Zeit in einem Moment, wo die Situation katastrophal ist.

Ich bin Anhänger eines Europas, das von Brest bis Wladiwostok reicht, eines nördlichen Europas. Es gibt eine Gesamtheit gleicher Eigenschaften, gleicher Interessen und Risiken. Daraus erwächst die europäische Zusammenarbeit. Wenn wir diesen Schritt nicht gehen, werden wir überrannt. Denn eines der grundsätzlichen Phänomene unserer Zeit ist die demographische Explosion. Diese hat die Erdbevölkerung innerhalb eines Jahrhunderts von zwei auf sieben Milliarden anwachsen lassen, mit der Tendenz, auf acht bis neun Milliarden anzuwachsen. Europa hat eine niedrigere Geburtenrate. Das verdammt uns, wenn wir jetzt nicht drastische Maßnahmen einleiten, um unsere Grenzen zu schützen und zu verteidigen, um das Überleben unserer Völker zu gewährleisten.

DS: Sehen Sie angesichts der aktuellen politischen Entwicklung die Gefahr, dass die Europäische Union zerfällt?

Ja, ich hoffe es. Im Angesicht der Realität kommt der Moment, wo die Utopie zunichte wird. Und je schneller uns bewusst wird, dass wir uns mit der Europäischen Union in einer Sackgasse befinden, umso besser.

DS: Noch ein anderes aktuelles Thema beschäftigt viele Europäer: der anhaltende Krieg in Syrien und insbesondere die russische Intervention. Die französische Regierung sucht offenbar seit kurzem die Nähe zu Russland und unterstützt den russischen Kampf gegen den »Islamischen Staat«. Hätte die französische Regierung das nicht schon viel früher tun sollen? Wie ist Ihre Einschätzung: Wie sollten sich europäische Patrioten im Syrien- Konflikt positionieren?

Ich freue mich über die Tatsache, dass Russland in diesem Konflikt sehr wirkungsvoll interveniert hat. Die Position der USA erschien mir zwiespältig in Bezug auf die Bewegung des »arabischen Frühlings«. Und ich halte fest, dass Russland unser wichtigster Verbündeter in dieser Sache ist. Das Wichtigste ist es, den IS zu besiegen. Dafür wurden ja überhaupt keine Maßnahmen getroffen.

DS: Herr Le Pen, wir bedanken uns sehr herzlich für dieses aufschlussreiche Interview, das für viele unserer deutschen Zuschauer bestimmt von großem Interesse ist. Ganz persönlich wünsche ich Ihnen eine unerschütterliche Gesundheit und viel Kraft. Herzlichen Dank!

Gesprächsführung und Übersetzung: Karl Richter

ZUR PERSON

Jean Marie Le Pen wurde am 20. Juni 1928 in Trinité-sur-Mer in der Bretagne geboren, studierte später Rechts- und Politikwissenschaften in Paris und nahm als Angehöriger der Fremdenlegion in den 1950er Jahren an den Kämpfen in Indochina, nach der Suezkrise in Ägypten und im Algerienkrieg teil. Seine politische Karriere startete 1956, als Le Pen als jüngster Abgeordneter für die Poujadisten in die Nationalversammlung einzog. 1958 wurde er erneut gewählt und schloss sich der Fraktion des Centre national des indépendants et paysans (CNIP) an, für die er bis 1962 in der Nationalversammlung saß.

1973 gründete Le Pen den Front National und wurde dessen Vorsitzender. Dieses Amt gab er 2011 an seine Tochter Marine ab. Von 1984 bis heute gehört er, mit einem Jahr Unterbrechung, als Abgeordneter dem Europäischen Parlament an, von 1993 bis 2004 war er zudem Regionalrat von Provence-Alpes-Côte d’Azur. Im Europaparlament war er Vorsitzender der Fraktion der Europäischen Rechten (1984–1998) und der Technischen Fraktion der Europäischen Rechten (1989– 1994). Von 1999 bis 2001 war er Mitglied der Technischen Fraktion der unabhängigen Abgeordneten sowie von Januar bis November 2007 der Fraktion Identität, Tradition, Souveränität.

Von 1988 bis 2007 nahm Le Pen an allen Präsidentschaftswahlen teil: 1988 erreichte er im ersten Wahlgang 14,4 Prozent, 1995 waren es 15,3 Prozent. 2002 setzte er sich im ersten Wahlgang überraschend mit 16,9 Prozent gegen den Kandidaten der Sozialisten, Lionel Jospin, durch, im zweiten Wahlgang unterlag er Amtsinhaber Jacques Chirac mit 17,8 Prozent. 2007 konnte er 10,4 Prozent der Stimmen im ersten Wahlgang auf sich vereinigen, was nicht für eine Kandidatur in der zweiten Runde reichte. Wegen umstrittener Äußerungen strengte die FN-Führungsspitze im Mai 2015 ein Parteiausschlussverfahren gegen Le Pen an, im August 2015 folgte der Ausschluss wegen »schwerer Verfehlungen«.

Dem Front National fühlt sich Le Pen jedoch weiterhin verbunden. Während es im Zuge des Streits um seinen Parteiausschluss zu einem schweren Zerwürfnis mit seiner Tochter Marine gekommen ist, gilt das Verhältnis zu seiner Enkelin Marion Maréchal- Le Pen, die den Front National in der Nationalversammlung vertritt, weiterhin als gut, zumal diese ihrem Großvater auch politisch näher steht als ihrer Tante, der FN-Parteivorsitzenden Marine Le Pen.

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