DDR 2.0: Die Rückkehr der »Staatsfeinde«

Es klingt wie eine Kampfansage und ist auch so gemeint: Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang sieht bei Corona-Protesten eine »neue Szene von Staatsfeinden«. Sie würden sich nicht mehr klar in die Kategorien Rechts- oder Linksextremismus einordnen lassen und den Staat und seine Institutionen generell ablehnen, sagte er kürzlich in einem Interview bei der FAZ (hinter der Bezahlschranke versteckt).

Aufhänger sind für Haldenwang gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Polizei, die aus seiner Sicht nur von den Protestlern ausgehen. Videoaufzeichnungen, die Gegenteiliges zeigen, ignoriert er beflissen. Haldenwang geht ganz in der Rolle des eifernden Staatsdieners auf. Fehler seitens der etablierten Politik fallen bei ihm völlig unter den Tisch:

»Die Parolen, die gerufen werden, sind teilweise sehr ähnlich. ›Wir sind das Volk‹, ›Widerstand‹. Mein Eindruck ist, dass die Angehörigen dieses neuen Phänomenbereichs kein spezifisches Thema brauchen. Sie lehnen unser demokratisches Staatswesen grundlegend ab. Und da ist dieses Thema nur der Aufhänger. Ob das jetzt Corona ist oder die Flüchtlingspolitik. Oder auch die Flutkatastrophe: Da hat man teilweise die gleichen Leute gesehen, die versuchten, den Eindruck zu vermitteln, der Staat versage und tue nichts für die Menschen.«

Damit hat er zwar einige Themen aufgezählt, die zahlreichen Bürgern unter den Nägeln brennen. Eine Zuordnung auf das Versagen seiner Auftraggeber unterbleibt völlig. Der Massenansturm aus fernen Ländern wurde nun einmal in Berlin und Brüssel gezielt gefördert und nimmt gerade wieder Fahrt auf. Die Warnungen vor der Flut wurden auf Landesebene ignoriert und ein Kanzlerkandidat hat sich nebenher scheinbar prächtig amüsiert. Die Nachrichten über die Corona-Krise wimmeln nur so von Widersprüchen und zeigen immer neue Abgründe an charakterlichen Abgründen in Politik und Medien, die manchmal in offener Schadenfreude angesichts erkrankter oder verstorbener »Leugner« gipfelt. Es fehlt eigentlich nur noch das Honecker-Wort »Wir sollten ihnen keine Träne nachweinen« angesichts der Ausreisewelle meist junger Menschen im Spätsommer 1989!

Weiterführende Informationen:

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AfD: Der Schrei nach dem Verfassungsschutz

Hier schließt sich der Kreis zur untergegangenen DDR. Die Begriffe des »Staatsfeindes« oder der «staatsfeindlichen Hetze« waren damals klar definiert. Zur Erinnerung:

§106
Staatsfeindliche Hetze
(1) Wer mit dem Ziel, die sozialistische Staats- oder Gesellschaftsordnung der Deutschen Demokratischen Republik zu schädigen oder gegen sie aufzuwiegeln,

  1. Schriften, Gegenstände oder Symbole, die die staatlichen, politischen, ökonomischen oder anderen gesellschaftlichen Verhältnisse der Deutschen Demokratischen Republik diskriminieren, einführt, herstellt, verbreitet oder anbringt;
  2. Verbrechen gegen den Staat androht oder dazu auffordert, Widerstand gegen die sozialistische Staats- oder Gesellschaftsordnung der Deutschen Demokratischen Republik zu leisten;
  3. Repräsentanten oder andere Bürger der Deutschen Demokratischen Republik oder die Tätigkeit staatlicher oder gesellschaftlicher Organe und Einrichtungen diskriminiert;
  4. den Faschismus oder Militarismus verherrlicht,
    wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren bestraft.

Gewisse Ähnlichkeiten sollten zum Nachdenken anregen. Natürlich ist es das Recht jedes Staates, seine Ordnung zu verteidigen. Ein Bundeskanzler Schmidt musste die RAF bekämpfen und konnte die Regierung nicht einfach Ulrike Meinhof überlassen. (Obwohl – einige ihrer Anhänger haben den Marsch durch die Institutionen recht erfolgreich absolviert – aber das ist ein anderes Thema.) Wenn die Vertreter dieses Staates aber völlig die Bodenhaftung verlieren und Zielen nachlaufen, die mehr ideologisch als real begründet sind, tut sich die Schere zum »einfachen Volk« auf.

Weiterführende Informationen:

Der Verfassungsschutzbericht – ein Instrument etablierter Politik?

Rechtsterrorismus und Verfassungsschutz: Zwei Seiten einer Medaille?

Der Verfassungsschutzpräsident bereitet sich derweil schon auf den nächsten Anlass für Massenproteste vor:

»Eine Intensivierung staatlicher Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels könnte als unrechtmäßig empfunden und abgelehnt werden.«

Kein Geld, kalte oder gar keine Wohnung, Einschränkungen in allen Lebensbereichen – für immer mehr Bürger Alltag, für die Vertreter der regierenden Pseudo-Eliten allerdings kein Thema. Man bekämpft lieber die Proteste als an dem eingeschlagenen Weg etwas zu ändern. Deshalb will Haldenwang das Netz auf »Hassparolen« durchforsten lassen:

»Unsere virtuellen Agenten sind auf den Plattformen unterwegs. Ich darf Ihnen nicht sagen, wie viele Mitarbeiter das sind, aber sie sind sehr erfolgreich.«

Erfolgreich sind sie manchmal wirklich. Das ist aber kein Wunder, denn einige dieser Spitzel dürften als Einflussagenten die Diskussionen in die gewünschte Richtung lenken. Tastenhelden und Verbalakrobaten tun dann das Übrige dafür, dass sich »Repräsentanten« diskriminiert (siehe § 106) oder gar bedroht fühlen dürfen und die Justiz reagieren muss. Natürlich kommt dabei der »Kampf gegen Rechts« nicht zu kurz. In seinem Interview nennt der VS-Chef wieder »die Partei ›Der III. Weg‹, die Partei ›Freie Sachsen‹ und die ›Identitäre Bewegung Deutschlands‹« konkret als »sehr aktiv«.

Der VS-Chef unterscheidet sich deutlich von seinem Vorgänger Maaßen, der wegen seiner differenzierteren Herangehensweise an die Probleme 2018 den Stuhl räumen musste. Es ist zu befürchten, dass die Innenpolitik den nun auch wieder offen als »Staatsfeinden« diffamierten Kritikern in einer Weise entgegentritt, wie es einst die SED tat. Aber wir wissen auch, dass die Genossen damit letztlich scheiterten.

Stefan Paasche

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2 Antworten

  1. Also Schlapphut und Volldemokrat Haldenwang, sofort abführen diese Dissidenten. Und den Tatbestand der Boykotthetze in unserer offensichtlich verrottenden Republik einführen; der Harbarth-Senat gibt nach einem Abendessen die juristische Rückendeckung!!!

  2. Als Hans-Werner Sinn vor den wirtschaftlichen Folgen der Merkelpolitik warnte, wurde er geschasst. Als Maaßen die Anti-AfD-Kampagne nicht stützen wollte, haben sie einen willigen Karrierebeamten vom Schlag Haldenwang in Stellung gebracht. Die Parallelen zur DDR arbeitet der Artikel gut heraus, besonders dass wichtige Begriffe zu absoluten Phrasen verkommen. „Demokratisch“ z. B. Wie kann man es als undemokratisch bezeichnen, wenn Menschen auf die Straße gehen, um zu demonstrieren? Typen wie Haldenwang sind eine Gefahr für die Demokratie. Im BRD-Sprech bedeutet demokratisch mittlerweile „gehorsam“.