Das Versagen des europäischen politischen Establishments provoziert verhängnisvolle Reaktionen – und selbst manchen Rechtspopulisten, wie Salvini, scheinen Überblick und Weitsicht zu fehlen. Matteo Salvini von der Lega Nord wie auch Giorgia Meloni von der Fratelli d’Italia reagieren reflexartig nur auf Symptome und gleiten damit kurzsichtig in eine politische Argumentation ab, die europäische Nationalisten unbedingt zu vermeiden haben, nämlich Gräben zwischen den europäischen Völkern zu aufzureißen. Man schimpft über Deutschland wegen unterlassener Hilfeleistung (Salvini) als wäre Covid-19 ein Produkt „Made in Germany“, und unterstellt einen deutschen Angriff gegen die italienische Wirtschaft (Meloni). Grund genug, die Sachlage aus nationalistischer Sicht geradezurücken, ohne die nationale Souveränität zu schädigen oder die Kritik an Brüssel und seinen Regierungsvasallen zu schmälern.

Zu Recht kritisiert Italien das Blockieren des Exports von Schutzmasken und natürlich hat Europa versagt, sowie bei alleiniger Betrachtung der Zahlen das deutsche Rettungspaket enorm genug wirkt, um solidarische Erwartungshaltung zu wecken. Umso lobenswerter natürlich das eurasische Engagement seitens Russlands und Chinas. Gerade in Situationen wie derzeit ist es für eine europäisch-nationalistische Fundamentalopposition wichtig, Zusammenhänge exakt zu analysieren, um anstelle von oberflächlichem Stückwerk die wegweisende Marschrichtung aufzuzeigen.
Zum einen darf man nicht vergessen, dass EU-Nettobeitragszahler Deutschland angesichts seiner eigenen Staatsverschuldung mittlerweile bestenfalls nur noch ein Riese auf tönernen Füßen ist. Noch entscheidender aber ist, dass zum einen ganz Europa – obwohl diesbezügliche Pandemie-Prognosen seit Jahren vorlagen – ausnahmslos wirtschaftspolitisch nicht vorbereitet war, und die Debatte um letztendlich fiskalisch souveränitätsbeschneidende Euro-Bonds – unter welchem Etikett auch immer – als Rettungsmaßnahme nur ein Nebenkriegsschauplatz ist angesichts der exorbitant größeren Schuldenvergemeinschaftung über die EZB-Anleihenankäufe. Salvini und manch andere Rechtspopulisten scheinen nicht zu erkennen, dass sich ihre gegenwärtigen Forderungen innerhalb der fehlgeleiteten Bahnen der auflagenträchtigen Brüsseler Instrumentarien bewegen, die weniger Rettungsseile als vielmehr Fallstricke darstellen.

Gerade jetzt, nachdem EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nicht mehr umhinkam, Brüsseler Versagen einzugestehen, müssten doch Salvini & Co. – wenn sie tatsächlich nationale Souveränisten wären – fordern, die Finanzhoheit wieder selbst in die Hand zu nehmen, um als nächsten Schritt über eine unabhängige Wirtschaftsförderung eine selbstbestimmte Rettungspolitik zu betreiben. Wo bleibt die Forderung zur Rückkehr zur eigenen nationalen Währung? Dies böte die Möglichkeit erhöhter Wettbewerbsfähigkeit mittels Abwertung bzw. wäre es immer noch besser bei der eigenen Zentralbank nach selbstgesetzten Konditionen verschuldet zu sein als in Brüssel. Wieso greift Salvini nicht zumindest die frühere Lega Nord-Idee der sogenannten Mini-Bots als quasi Parallelwährung auf? Hätten die bürgerlichen Rechtspopulisten die Zeichen der Zeit wirklich erkannt, würden sie an ein geschlossenes Vorgehen der europäischen Völker gegen die Brüsseler Scheinhilfen appellieren, anstatt unter den Brudervölkern zu polarisieren.
Sascha A. Roßmüller