»Whatever it takes«: Es geht um die Euro-Rettung, nicht um Italien
Italien lag in den zurückliegenden Jahren nicht selten mit der EU im Clinch, doch nun wurde ein Stellvertreter Brüssels in Rom mit der Regierungsbildung beauftragt.
Sascha A. Roßmüller
Die chronische Regierungsinstabilität Italiens führte bereits von Ende 2011 bis Ende April 2013, als Brüssel die Finanzkrise zu vertiefter Integration nutzte – man könnte auch von Kompetenzanmaßung sprechen – zu einer sogenannten Expertenregierung, sprich einer Ausblendung der ins Parlament gewählten Parteien unter dem ehemaligen EU-Kommissar, zunächst für den Binnenmarkt, dann für Wettbewerb, Mario Monti. In der durch die Lockdown-Maßnahmen verschärften Corona-Krise setzt Brüssel erneut mit sogenannten Rettungsinstrumenten den Hebel an, um seine Kompetenzen zu Lasten der Souveränität der Nationalstaaten auszuweiten. Mit dem vormaligen EZB-Chef Mario Draghi brachte aktuell Italiens Präsident Matarella hierfür auch einen klassischen EU-Erfüllungsgehilfen par Excellence als Regierungschef ins Rennen.
Ex-EZB-Chef Draghi soll die neue Regierung führen
Um EU-Hilfsgelder zur Bewältigung der Corona-Krise rankte sich auch der Streit, der zum Bruch der Regierungskoalition führte. Der ehemalige Ministerpräsident Matteo Renzi von der Partito Democratico bemängelte, dass 36 Milliarden Euro aus dem europäischen Rettungsfonds ESM für das Gesundheitswesen nicht abgerufen wurden. Die Fünf-Sterne-Bewegung als größere Regierungspartei lehnte dies jedoch mit der Begründung ab, dass über dieses Fonds-Instrument Brüssel zu viel Einfluss bekäme und setzte sich beim bis dahin amtierenden Regierungschef Giuseppe Conte durch.

Quelle: Official website of Ali Khamenei, CC BY 4.0 https://creativecommons.org/licenses/by/4.0, via Wikimedia Commons
Daraufhin brach die Regierungskoalition auseinander, indem Italia Vivas Ministerinnen Teresa Bellanova und Elena Bonetti ihren Rückzug aus der Regierung erklärten. Obwohl Conte in beiden Parlamentskammern eine Vertrauensfrage mit Hilfe der vielen Fraktionslosen überstand – in der größeren Kammer sogar mit absoluter Mehrheit – beauftragte Präsident Matarella dennoch Mario Draghi mit der neuen Regierungsbildung. In seiner ersten Stellungnahme verwies Draghi unter anderem explizit auf die außerordentlichen Ressourcen der EU, die zur Verfügung stünden, ohne darauf einzugehen, dass es sich dabei nicht unerheblich um EU-vertragswidrige Schulden handle.

EU ist Ursache, nicht Lösung des Problems
Die Fünf-Sterne-Bewegung ist bezüglich einer Kooperation mit Draghi gespalten, was zu einer Zerreißprobe führen könnte. Die rechtskonservative Opposition mit der Lega Nord unter Matteo Salvini hatte unmittelbar Neuwahlen gefordert, jedoch jetzt Bereitschaft signalisiert, mit Draghi kooperieren zu wollen. Laut Umfragen würde jedoch Salvinis Partei von Neuwahlen voraussichtlich am meisten profitieren. Grundsätzlich würden jedoch bei einer Neuwahl erheblich weniger Abgeordnete ins Parlament kommen, da die Zahl der Sitze seit der letzten Wahl 2018 verringert wurde. Einzig Giorgia Meloni von den Fratelli d’Italia will mit ihrer Partei nicht für Draghi stimmen.

Vergangenes Jahr schrumpfte die italienische Wirtschaft um mehr als neun Prozent und die Beschäftigung brach laut OECD streckenweis um bis zu 20 Prozent ein. Die Staatsverschuldung liegt bei 160 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Die Wirtschaftsleistung pro Kopf war in Italien vor Einführung des Euro höher als heute und es ist überdies in der Tat ein fragwürdiges Vorgehen, eine exorbitant hohe Verschuldung mit immer noch mehr Krediten bekämpfen zu wollen, die zugleich den eigenen Entscheidungsrahmen minimieren.

»Rechte Lega unterstützt Draghi«
Die EU ist eine der wesentlichen Ursachen der italienischen Probleme und schon allein deshalb wenig geeignet als Rettungsanker. Und nicht zuletzt ist von Mario Draghi vielmehr zu erwarten, dass es ihm vorrangig um die Rettung des Euros geht und nicht Italiens, erinnern wir nur an sein Credo zur Rettung des Euros: »Whatever it takes!« (zu Deutsch: »Was auch immer es braucht« oder „Was es auch kostet…«).

Für den Schuldenausfall können im Zweifel Dank der EU-Gemeinschaftshaftung gegebenenfalls Andere geradestehen. Dreimal dürfen Sie raten, wer…
