Mit dem Eisernen Kanzler zur deutschen Einheit

Fast jeder hat wohl schon einmal eine Abbildung des berühmten Gemäldes von Anton von Werner gesehen, auf dem mit geradezu fotographischer Genauigkeit das Hoch des Großherzogs Friedrich von Baden auf den neuen deutschen Monarchen Wilhelm I. dargestellt ist, das dieser am 18. Januar 1871 kurz nach der Kaiserproklamation im Spiegelsaal von Versailles in einer großen Gruppe deutscher Soldaten und Fürsten ausbrachte.

Arne Schimmer

Festgehalten wurde so einer der glücklichsten Momente der deutschen Geschichte, der noch Mitte des 19. Jahrhunderts unvorstellbar gewesen wäre. Preußen galt damals entgegen aller heutigen Mythen als außenpolitisch äußerst vorsichtiger Staat, der sich deshalb auch als einzige europäische Großmacht aus dem Krimkrieg, der zwischen 1853 und 1856 tobte, herausgehalten hatte. Preußen sei »anwesend auf Kongressen, aber abwesend in Schlachten«, spottete 1860 deshalb noch die britische Times.

Das berühmte Gemälde von Anton von Werner, auf dem das Hoch des Großherzogs Friedrich von Baden auf den neuen deutschen Monarchen Wilhelm I. dargestellt ist, kurz nach der Kaiserproklamation im Spiegelsaal von Versailles am 18. Januar 1871. Hier die Fassung für Otto von Bismarck, überreicht am 1. April 1885. Öl auf Leinwand, 1,67 × 2,02 m, Otto-von-Bismarck-Stiftung, Friedrichsruh.

Das änderte sich 1862 mit dem Amtsantritt des preußischen Ministerpräsidenten Otto von Bismarck, dem anfangs von vielen Seiten Misstrauen und Ablehnung entgegenschlugen. Dennoch witterte dieser Vollblutpolitiker schnell, dass sich ihm von Jahr zu Jahr ein wenig mehr ein absolut einmaliges Zeitfenster zur Schaffung der seit Jahrhunderten angestrebten deutschen Einigung öffnete. 1864 ließ der von Preußen noch gemeinsam mit Österreich geführte Krieg gegen Dänemark eine Welle der nationalen Begeisterung durch Deutschland rollen. Es ging darum, ob die Elbherzogtümer Schleswig, Holstein und Lauenburg als deutsche Länder weiter unter der Vorherrschaft Kopenhagens stehen würden. 1866 wurde im Deutschen Krieg dann die schon seit Jahrhunderten schwelende innernationale Machtfrage zugunsten Preußens und gegen Österreich beantwortet. Mit dem ein Jahr später geschaffenen Norddeutschen Bund wurden schon 22 Staaten und Freie Städte nördlich des Mains unter der Führung Preußens zu einem neuen mächtigen Territorialstaat vereint. 1870 wiederum fühlte sich Frankreich durch Bismarcks Beharren in der Frage, ob den Hohenzollern ein Mitspracherecht in der spanischen Thronfolgekrise zustünde, so provoziert, dass Paris eine Kriegserklärung an Preußen folgen ließ.

Noch während des Deutsch-Französischen Krieges traten – getragen von einer riesigen Woge der nationalen Begeisterung – die Staaten Baden, Hessen-Darmstadt, Württemberg und Bayern dem Norddeutschen Bund bei und machten so endgültig den Weg für einen einigen Nationalstaat frei, der sich allerdings unter Ausschluss der Deutschen in Österreich konstituierte. Dennoch kann bis heute kein Zweifel an der Wahrheit des Ausspruchs des britischen Premierministers Benjamin Disraeli bestehen, der am 9. Februar 1871 in einer Rede vor dem Unterhaus erklärte, die Reichsgründung sei »ein größeres politisches Ereignis als die Französische Revolution des vergangenen Jahrhunderts.«

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