Brandenburger Paritätsgesetz gekippt: »Nun ruht die Hoffnung auf Merkel«

Der brandenburgische Landtag hatte am 31. Januar 2019 mit den Stimmen der rot-roten Regierungskoalition und der Grünen das erste Parité-Gesetz in Deutschland angenommen. Es sah im Wesentlichen paritätische Landeslisten vor, wobei die Entscheidung darüber, ob ein Mann oder eine Frau den ersten Listenplatz belegt, dabei den Parteien selbst überlassen bleiben sollte. Die Kernregelung wurde im § 25 Abs. 3 des brandenburgischen Landeswahlgesetzes neu gefasst:

Frauen und Männer sollen gleichermaßen bei der Aufstellung der Landesliste berücksichtigt werden. Hierzu bestimmt die Landesversammlung

1. die Liste der Bewerbenden und ihre Reihenfolge für die für Frauen reservierten Listenplätze der Landesliste,

2. die Liste der Bewerbenden und ihre Reihenfolge für die für Männer reservierten Listenplätze der Landesliste und

3. aus welcher der beiden Listen der erste Listenplatz der Landesliste besetzt wird. Die geschlechterparitätische Landesliste wird abwechselnd unter Berücksichtigung der Entscheidung für den ersten Listenplatz und der von der Landesversammlung bestimmten Reihenfolge aus den beiden Listen (Satz 3 Nummer 1 und 2) gebildet.“

Die Klagevertreter von AfD und NPD, Professor Karl-Albrecht Schachtschneider und Rechtsanwalt Peter Richter, setzten sich mit ihrer Argumentation vollumfänglich durch.

Das Verfassungsgericht in Potsdam hat am vergangenen Freitag das Gesetz für verfassungswidrig und nichtig erklärt. Das Gesetz verletze insbesondere das Demokratieprinzip, aber auch die Organisationsfreiheit der Parteien sowie die Chancengleichheit bei Wahlen. Das Urteil erging zudem einstimmig. Geklagt hatte zunächst die Brandenburger NPD, die AfD hatte dann ebenfalls den Rechtsweg beschritten. Das Brandenburger Paritätsgesetz ist schon das zweite seiner Art, das gescheitert ist. Zuvor hatten die Verfassungsrichter in Thüringen die dortige Regelung gekippt.

Der der Urteilsverkündung beiwohnende stellvertretende NPD-Parteivorsitzende aus dem brandenburgischen Cottbus, Ronny Zasowk, stellte fest:

„Es ist sehr erfreulich, dass die Verfassungsrichter in Brandenburg sich nicht ideologisch in Geiselhaft haben nehmen lassen. Sie haben deutlich gemacht, dass das Paritätsgesetz nicht nur schwere handwerkliche Fehler hat, sondern gegen wesentliche Grundlagen des Demokratieprinzips verstößt. Politisch ist für uns sehr erfreulich, dass wir als nicht im Landtag vertretene Partei gezeigt haben, dass man auch als außerparlamentarische Opposition für seine politischen Ziele streiten und siegen kann. Wir betrachten das heutige Urteil als Sieg für das Leistungsprinzip, da die Leistung und persönliche Befähigung entscheiden sollte, ob jemand auf einen bestimmten Listenplatz gewählt wird, und nicht das Geschlecht.“

Ronny Zasowk im Gespräch mit Peter Schreiber

„Bestürzte Reaktionen“ auf das Urteil

Kaum war das Urteil gesprochen, meldeten sich die üblichen Verdächtigen zu Wort, so u.a. Rita Süssmuth (CDU). Die frühere Präsidentin des Deutschen Bundestages kritisierte die Aufhebung des Paritätsgesetzes in Brandenburg und behauptete: »Dieses Urteil stellt die Parteiengesetze über die im Grundgesetz verankerte Pflicht, Gleichberechtigung zu fördern.« Zugleich verlangte sie eine umgekehrte Rangfolge: Gleichberechtigung vor Parteiengesetz.

Die bayerische Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze forderte sogar eine Verfassungsänderung, um Parité möglich zu machen. Entsprechend ihrem speziellen Demokratieverständnis will sie genau analysieren, an welchen »Hebeln man drehen« könne, um doch zum Ziel zu gelangen.

Kläglicher Protest

Dieses Vorgehen zeigt auch, dass wir gegenwärtig eine historische Phase durchleben, in der Recht und Gesetz oft weniger gelten als eine »Moral«, die auf linken Ideologie-Versatzstücken beruht. Und gelingt es den selbsternannten progressiven Kräften – wie im Falle des Paritätsgesetzes – einmal ausnahmsweise nicht, die Demokratie den eigenen Vorstellungen entsprechend umzuformen (korrekter: zu deformieren), greift man gar auf obrigkeitsstaatliches Denken längst vergangener Tage zurück: »Nun ruht die Hoffnung auf Merkel« titelte beispielsweise die Süddeutsche Zeitung kurz nach dem Urteil. Jutta Allmendinger, Präsidentin des Wissenschaftszentrums für Sozialforschung in Berlin gegenüber der SZ: »Meine Hoffnung ist, dass die Bundeskanzlerin noch ein Vermächtnis für die Gleichstellung hinterlässt.« Merkel habe ja einiges für Frauen bewegt. »Ohne Frau Merkels Go hätte Deutschland nicht erstmals eine Frau an der Spitze des Verteidigungsministeriums gesehen, gefolgt von einer zweiten«, so die Sozialwissenschaftlerin weiter.

Vorbild Volkskammer?


In ihrer »Argumentation« schrecken manche Befürworter der Parität nicht einmal davor zurück, den Frauenanteil der Volkskammer der DDR als Vorbild hinzustellen. Tatsächlich betrug der Anteil der weiblichen Abgeordneten im ersten Bundestag (1949-53) 6,8% und in der 1950 gewählten Volkskammer 23%. Im Jahr 1986 waren es 32,2% in der DDR, in den 11. Deutschen Bundestag zogen 1987 15,4% Frauen ein, also etwa halb so viel wie in der Volkskammer, wie Birgit Gärtner bei Telepolis***, dem Onlinemagazin des Heise Zeitschriften Verlags recherchiert hat.

Volkskammer oder Gruselkabinett?


Vergessen hat die Kommentatorin dabei zu erwähnen, wie die Parlamente zustande kamen: Die Volkskammer setzte sich vor 1990 aus Mitgliedern zusammen, die unter Führung der SED auserwählt wurden. Neben Funktionären der Staatspartei und der gleichgeschalteten Blockparteien (u.a. CDU) kamen auch Vertreter der Massenorganisationen zum Zuge, die wie FDJ (»Helfer und Kampfreserve der Partei«), Kulturbund oder dem Frauenbund DFD genau so »auf Linie« waren wie die SED-Vertreter selbst. Die personelle Zusammensetzung dieses Scheinparlamentes wurde also von oben nach unten angeordnet – wie es sich auch das gescheiterte Paritätsgesetz zum Ziel gesetzt hatte!

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Bei allen Mängeln der BRD-Demokratie sollte man einmal feststellen: Etwas mehr Auswahl hatten die Bundesbürger im Vergleich zum DDR-Wähler schon – sie durften bislang sogar ungestört die Wahlkabine benutzen! Dass es dabei bleibt, scheint inzwischen zur Aufgabe angeblich verfassungsfeindlicher Parteien wie der NPD zu werden. Aber das wurde ja schon weiter oben einmal erwähnt. (sp)

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