Ob der Putsch gegen den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan eher dilettantisch oder inszeniert war, darüber wird noch allerorten gestritten. Die Reaktionen des Machthabers in Ankara laufen jedenfalls alles andere als planlos ab. Die Zahl der Festnahmen hat die 6000 überschritten und wächst ständig weiter. 2745 Richter wurden des Amtes enthoben, die (schwarzen?) Listen müssen griffbereit gelegen haben.
Erdogan bringt das Militär, die Justiz und letztlich den gesamten Staatsapparat unter seine Kontrolle. Es ist heute kaum noch vorstellbar, dass Erdoğan im Jahr 1998 zu zehn Monaten Gefängnis und lebenslangem Politikverbot verurteilt wurde. Anlass war damals eine Rede, in der er aus einem religiösen Gedicht zitiert hatte:
„Die Demokratie ist nur der Zug, auf den wir aufsteigen, bis wir am Ziel sind. Die Moscheen sind unsere Kasernen, die Minarette unsere Bajonette, die Kuppeln unsere Helme und die Gläubigen unsere Soldaten.“
Ob Erdoğan nun den „Zug der Demokratie“ verlässt oder nur den Posten des Lokführers übernimmt macht kaum einen Unterschied. Er weiß die Mehrheit der Türken hinter sich.
Das wissen auch westliche Politiker. Entsprechend vorsichtig sind ihre Reaktionen auf die offensichtlichen Verletzungen der Menschenrechte. Zu mehr als plakativen Forderungen nach einer Achtung des Rechtsstaates reichte es bisher meist nicht. Besonders vorsichtig – um nichts zu sagen unterwürfig – fielen die Reaktionen Angela Merkels („Gerade im Umgang mit den Verantwortlichen für die tragischen Ereignisse der letzten Nacht kann und sollte sich der Rechtsstaat beweisen.“) und Joachim Gaucks („Meine Erwartung an die türkische Regierung besteht darin, dass bei der Aufarbeitung dieses ganzen Geschehens die rechtsstaatlichen und demokratischen Grundsätze gewahrt werden.“) aus. Es gibt keine Rufe nach einem Wirtschaftsembargo oder einem Aufmarsch der NATO an der Grenze zur Türkei.
Die zahnlosen Appelle haben ihre Ursache. Während des Putsches rief Erdoğan seine Anhänger zu Demonstrationen und Kundgebungen auf. Ihnen folgten auch die Türken in Deutschland und Österreich. In Berlin kamen rund 3000 Anhänger des türkischen Präsidenten vor der Botschaft seines Landes zusammen, vor dem Konsulat in Hamburg standen 1500, in Nordrhein-Westfalen 10 000, davon allein in Essen 5000 Türken auf den Straßen und Plätzen. Auch in Bremen, Hannover, Stuttgart oder Wien (4000) gab es Kundgebungen.
Wenn man bedenkt, dass diese Demonstrationen spontan und in der Nacht stattfanden, dann weiß man, welchen Einfluss der türkische Präsident auch in Deutschland hat. Einige Kostproben hatte es in der Vergangenheit ja bereits gegeben. Von der Anzeige wegen Präsidentenbeleidigung gegen drittklassige Spaßvögel bis zur arroganten Zurückweisung Merkels gingen die Beispiele offen demonstrierter Machtambitionen Erdoğans.
Es ist zu befürchten, dass der türkische Einfluss auf die deutsche Innen- und Außenpolitik weiter wachsen wird. Die Grundlagen dafür wurden seit dem Jahr 1961 mit der Ankunft des ersten türkischen Gastarbeiters gelegt. Der längst überfällige Kurswechsel ist von Merkel und Co nicht zu erwarten.
9 Antworten
Demokratie? Welche Demokratie? Vielleicht gibt es so etwas in Ungarn oder der Schweiz. Hierzulande ist sie derzeit BRDigt. Ein Erdogan kann gerade jetzt Millionen öffentlich jubelnde Anhänger aufbieten, während sich eine Obamerkel nicht mehr allein auf die Straße traut, hier nicht und im zum Banksterwohl noch schlimmer eurokratengeschändeten Griechenland schon gar nicht.
Seit 60 Jahren wissenschaftlich erforscht: Die USA sind nur eine formale Demokratie, tatsächlich aber eine Elitendiktatur: http://www.heise.de/tp/artikel/48/48800/1.html Wer also Demokratie will, muss sich von den USA entfernen. Eben das tut Erdogan nun mit aller Deutlichkeit. Wenn er viele Westler außer Dienst stellt, macht er sich bei bodenständigen Türken um so mehr beliebt; auch das ist Demokratie, nicht formal, sondern inhaltlich und volksseelisch.
Die Unfähigkeit und Ratlosigkeit unserer Polit-Eliten spottet jeder Beschreibung. Es wird doch nunmehr wirklich für alle ersichtlich, wo der wirkliche Feind sitzt. Und alle diejenigen, die hier für den Autokraten demonstrieren und auf die Straße gehen, möge man ein DB-Ticket für die Heimreise nach Osmanien spendieren.
Die Türkei ist auf dm Weg in einen fundamental-islam-religiösen Staat! (z.Z.Ausnahmezustand-für 3 Monate) Man erinnere sich, das während der Militäraktion das Islamgeheule aus den Mosheen erschallte! Türkeiweit! Und mit Erfolg, denn die AKP-hörigen gingen auf die Straße.
Erdogan deutet trotz anders lautender Abkommen an, daß er neue Flüchtlingsmassen durchlassen könnte.
Die BRDlingsmedien hetzen seit Monaten gegen E.
Die Putschisten flüchten in ein EU Land.
Die erste Schlagzeile im Spiegel war, daß Merkel vom Putsch überrascht war. Ja, was denn sonst? Eingeweiht etwa?
Könnte es sein, daß die Putschisten aus den Reihen der EU angestiftet wurden? Den Dilettantismus der EU bei „regime changes“ konnte man ja bereits in der Ukraine bestaunen.
Der Hintergrund des mutmaßlichen Drahtziehers des gescheiterten Putsches, General Akin Öztürk, dürfte in diesem Zusammenhang aufschlussreich sein.
Denn der ehemalige Befehlshaber der türkischen Luftwaffe war mehrere Jahre lang türkischer Militärattaché in Israel und innerhalb der NATO sehr gut vernetzt.
http://www.tachles.ch/…/war-akin-oeztuerk-der-anfuehrer-des…
Der gescheiterte Putsch dürfte auch geo-politische Hintergründe haben.
Nicht ohne Grund hat der russische Präsident Putin jetzt seine Unterstützung für Erdogan zugesagt. Der Putsch in der Türkei richtete sich gegen die Annäherung des national-islamischen Politikers Erdogan an Moskau. Durch die Achse Moskau-Ankara werden die anti-russischen Sanktionen unterlaufen und ein eurasischer Gegenblock zum atlantischen Welt-Hegemon ermöglicht.
Wann war der Vollpfosten denn mal demokratisch?!
Wer nationalistisch und biologistisch denkt, wundert sich nicht, wenn Völker nicht umerziehbar sind. Die Türken wie auch die Kurden sind nicht umerziehbar. Die Verwestung hat in der Türkei versagt. Der Mohammedanismus dürfte auch in der Türkei nicht wirklich bodenständig sein, was schon Mustafa Kemal Atatürk gesagt hat. Anscheinend ist aber die Lehre des Wüstenpropheten dem türkischen Wesen ein Stück näher als der Leistungs- und Konsumwahn westlich-hochfinanzfaschistischen Ursprungs.