Fauler Zauber um das Ringheiligtum von Pömmelte

Wenn Politiker merken, dass sie in der Gegenwart keinen Blumentopf mehr gewinnen können, greifen sie Zackmünde_Kreisgrabenanlage_Torenach jedem Strohhalm, um trotzdem irgendwie erfolgreich zu erscheinen. Gerade in Sachsen-Anhalt ist der Bedarf besonders groß, sind doch die Altparteien seit der Landtagswahl sichtlich in die Defensive geraten. Hinzu kommen die zahlreichen Krisen auf europäischer Ebene, die im britischen Wählervotum einen unübersehbaren Höhepunkt erreichten.

Eine Gelegenheit zur Ablenkung vom frustrierenden politischen Alltagsgeschäft bot sich in der letzten Woche. Das Ringheiligtum von 753px-Reiner_Haseloff_(Martin_Rulsch)_02Pömmelte, einige Kilometer südlich von Magdeburg gelegen, wurde anlässlich der Sommersonnenwende 2016 feierlich eröffnet. Der Salzlandkreis als Bauherr der Anlage lud die Prominenz des Landes ein. Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU), Verkehrsminister Thomas Webel (CDU) und diverse Staatssekretäre gaben sich ein Stelldichein in der Provinz. Die Presse durfte andächtig lauschen, als die salbungsvollen Eröffnungsreden gehalten wurden, in denen der Bogen von der fernen Vergangenheit bis in die Gegenwart geschlagen wurde.

Der Zeitgeist kam dabei nicht zu kurz, auch wenn die Glaubwürdigkeit der Geschichten darunter etwas zu

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leiden hatte. So berichtete der Landesarchäologe Harald Meller aus Halle laut „Mitteldeutscher Zeitung“, dass an diesem Ort bereits vor rund 5 000 Jahren verschiedene Kulturen zusammen gekommen seien. Darunter sollen „Türken sowie Menschen aus den Steppen Südrusslands“ (MZ) gewesen sein, die so zu den „ersten Bauern in Mitteldeutschland“ wurden. Das ist umso erstaunlicher, datieren doch die ersten Meldungen über die Turkvölker aus dem sechsten Jahrhundert vor Christi Geburt. Sie siedelten damals im Gebiet der heutigen Mongolei und im Westen Chinas. Auf welchen Wegen sie lange zuvor nach Mitteleuropa gekommen sein sollen bleibt schleierhaft.

Zackmünde_Kreisgrabenanlage_Totenköpfe1Beim Zusammentreffen mit den Einheimischen habe es zwar „dramatische Auseinandersetzungen“ (MZ) gegeben. Mit dem Bau des Ringheiligtums sei aber auch ein „gemeinsamer Ort des Friedens“ entstanden. „Daran sehen wir: Der europäische Gedanke war immer schon da“, meinte Harald Meller im Beisein der Landespolitiker ganz dick auftragen zu müssen. Auch Ministerpräsident Haseloff hatte zuvor mit Blick auf die Förderung des über zwei Millionen Euro teuren Projekts pflichtgemäß betont, dass das alles aus seiner Sicht „ohne Europa nicht möglich“ gewesen wäre. Dummerweise lesen immer weniger Bürger diese Provinzblätter und so wird den meisten auch die pathetische Überschrift in der „Volksstimme“ zum selben Thema, „Von Pömmelte ging Europa aus“, entgangen sein.

Nebenbei: Die „Kreisgrabenanlage von Pömmelte“, wie sie ursprünglich hieß, wurde vor etwa 4300 Jahren auf einem hochwassergeschützten, flachen Höhenrücken am Rande des Überflutungsgebietes der Elbe errichtet. Sie entstand in derselben Zeit wie das monumentale Bauwerk von Stonehenge und wurde etwa 300 Jahre von den Menschen der jungsteinzeitlichen Glockenbecher- und der frühbronzezeitlichen Aunjetitzer Kultur genutzt. Das Rondell ist ein einzigartiger Beleg für vorgeschichtliche Sakralbauten. Den falschen Glorienschein, den kurzsichtige Politiker darum legen wollen, hat diese Anlage nicht verdient und auch nicht nötig!

Stefan Paasche

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Eine Antwort

  1. Was soll der Landesarchäologe auch anderes machen als gute Mine zum bösen Spiel? Die Archäologie und die Wissenschaft allgemein, sind finanziell von der Politik abhängig. Man siehts auch bei „Terra-X“ und ähnlichen im Fernsehen. Die neueren Sendungen fast nur seichte Wissenschaft mit viel polittamtam vermischt!